Die Fußball EM 2024 in Deutschland versöhnte Fans und Mannschaft

Im Sommer 2024 war Deutschland zum zweiten Mal nach 1998 Ausrichter einer Fußballeuropameisterschaft und präsentierte sich, wie auch bei der WM 2006, als großartiger Gastgeber mit vielen stimmungsvollen Partien. Nachdem das deutsche Team bei den letzten drei großen Turnieren jeweils nach der Vorrunde ausgeschieden war, war für Julian Nagelsmanns wackere Helden erst im Viertelfinale gegen den späteren Europameister Spanien Schluss. Die wichtigste Erkenntnis des Turniers lautet aber: Die Deutschen haben ihre Nationalelf wieder lieb.

Das Eröffnungsspiel zwischen Deutschland und Schottland war gerade einmal zehn Minuten alt, als es bereits zum ersten Mal im schottischen Tor klingelte. Der frühe Führungstreffer von Wirtz schien eine Zentnerlast vom Publikum zu nehmen, ebenso wie von den Spielern, die mit einem rauschhaften 5:1-Sieg im ersten Gruppenspiel gegen Schottland starteten. Wenn man als Gastgeber derart fulminant in ein Turnier startet, ist man gemeinhin zu Größerem bereit. Es folgte ein glanzloser 2:0-Sieg gegen Ungarn, der Deutschland bereits die Qualifikation fürs Achtelfinale sicherte. Im letzten Gruppenspiel gegen die Schweiz reichte der deutschen Mannschaft ein Unentschieden, um sich den Gruppensieg zu sichern. Im bis dato schwächsten Spiel sicherte sich Deutschland durch ein 1:1-Unentschieden gegen die Schweiz zwar den ersten Platz in der Gruppe A.

Rückblickend gesehen war aber der Last-Minute-Ausgleichstreffer von Füllkrug (90.+1) eher eine Bürde. Während nämlich die Schweiz als Gruppenzweiter nach einem ungefährdeten 2:0 im Achtelfinale gegen Italien, nunmehr im Viertelfinale auf die dahin größte Enttäuschung des Turniers, die englische Nationalelf, traf (und mit 3:5 im Elfmeterschießen unterlag), musste Deutschland im Viertelfinale gegen Spanien antreten und somit gegen das bis dahin stärkste Team des Turniers, das zuvor mit fünf ungefährdeten Siegen aufhorchen ließ. Da Deutschland durch die Treffer von Havertz (53.) und Musiale (68.) auch die Hürde Dänemark im Achtelfinale meisterte, kam es im Viertelfinale zum „vorgezogenen Finale“ gegen Spanien. Wie erwartet stellten sich die Spanier als schwerer Gegner heraus und Florian Wirtz musste sein Team durch den späten 1:1-Ausgleichstreffer (88.) bereits in die Verlängerung retten, wo Deutschland dann dem zweiten Treffer näher war. Der fiel in der vorletzten Minute der Verlängerung durch einen Kopfball des Spaniers Mikel Merino (119.).

Gesprochen wurde aber nach dem 1:2 n.V. gegen Spanien nur über eine Szene, ein vermeintliches Handspiel des Spaniers Cucurella. Was Millionen vor den Bildschirmen gesehen hatten, wurde vom englischen Schiedsrichter Anthony Taylor geflissentlich übersehen bzw. offensichtlich so deutlich gesehen, dass er auf den Videoschiedsrichter verzichtete. Zweieinhalb Monate später kam ein Bericht der UEFA zu dem Schluss, dass der nicht gegebene Elfmeter nach einem Handspiel des Spaniers Marc Cucurella eine Fehlentscheidung war, was Bundestrainer Nagelsmann lakonisch kommentierte: „Davon können wir uns auch nichts kaufen…“ Nachdem die Spanier mit Gastgeber Deutschland den schwersten Brocken aus dem Weg geräumt hatten, holten sie sich mit einem 2:1-Sieg im Finale gegen England den Europameistertitel. Für das deutsche Team gilt abschließend: Manchmal schweißt eine Niederlage mehr zusammen als ein Sieg. Erst recht, wenn die Niederlage aufgrund einer Fehlentscheidung ungerechtfertigt war.

Im Übrigen zeigte sich Deutschland wieder einmal als guter Gastgeber und im Laufe des Turniers war auch die Stimmung unter den deutschen Fans kontinuierlich gestiegen. Hatten im ersten Spiel noch die Schotten gesanglich die Oberhand, gab es in der Folge keine „Heimspiele“ mehr für den Gegner. Das war insofern erstaunlich, weil die Stimmung rund um die Nationalmannschaft ein halbes Jahr vorher noch eine gänzlich andere war. Nach einer desaströsen Bilanz im Jahr 2023, mit drei Siegen, sechs Niederlagen und zwei Unentschieden bei 17:22 Toren, hatte kaum jemand daran geglaubt, dass Hansi Flicks Nachfolger Julian Nagelsmann die Wende schaffen würde. Aber Nagelsmann nutzte das neue Jahr, um seinen Kader einer Frischzellenkur zu unterziehen und verstärkt auf Spieler zu setzen, die in ihren Vereinen gerade einen Lauf hatten.

Seit den beiden Siegen in den Testspielen im März 2024 gegen Frankreich und Holland herrschte unübersehbar ein neuer Spirit im deutschen Team. Dass die Leistungen der deutschen Nationalelf bei der EM 2024 keine Eintagsfliegen waren, zeigte sich auch nach dem Turnier. Von den folgenden sechs Länderspielen gewann Deutschland vier Spiele, bei zwei Unentschieden. In die Zukunft können die deutschen Fans wieder etwas optimistischer schauen. Die goldene Generation um die Ausnahmespieler Wirtz und Musiala ist noch nicht am Ende. Da kommt noch was. Ganz sicher. Apropos: Die nächste Weltmeisterschaft findet 2026 in den USA, Kanada und Mexiko statt.

Text: Frank Fischer