Nachdem sich der SPD-Bundestagsabgeordnete des Wahlkreises Worms, Marcus Held, monatelang als Opfer einer Verschwörung inszeniert hatte, tauchen nahezu täglich neue Vorwürfe auf, die das politische Treiben des Oppenheimer Stadtbürgermeisters zunehmend in einem negativen Licht erscheinen lassen. Wer auch immer bis vor kurzem noch geglaubt hat, dass sich die Anschuldigungen in Luft auflösen würden, muss nun feststellen: Es ist alles noch viel schlimmer. Ein Ende der Fahnenstange, was die strafrechtlich relevanten Handlungen von Held angeht, scheint aber noch lange nicht erreicht zu sein.
„Ich habe nur Gutes für die Stadt und ihre Bürgerinnen und Bürger getan“, versicherte er immer wieder. Und das in einer Stadt, die seit der Regentschaft von Marcus Held tiefrote Zahlen schreibt und laut Landesrechnungshof kurz vor der drohenden Überschuldung steht. Wörtlich schreiben die Prüfer zur finanziellen Situation der Stadt Oppenheim: „Aufgrund permanenter Haushaltsdefizite erheblichen Umfangs sowie einer hohen Verschuldung (…) kann die Haushaltslage der Stadt nur als desolat bezeichnet werden. (…) Die dauernde Leistungsfähigkeit der Stadt ist nicht gewährleistet.“ Dabei hatte sich Held jahrelang als Macher inszeniert, der große Projekte angestoßen und viel für Oppenheim geleistet hat. Die jüngsten Enthüllungen lassen jedoch vermuten, dass der Oppenheimer Bürgermeister – hauptsächlich bei Grundstücksgeschäften – jede Menge öffentliche Gelder der Stadt veruntreut hat, die anschließend in dunklen Kanälen verschwinden sollten, wenn nicht im Februar letzten Jahres ein bis heute Unbekannter ein Dossier verschickt hätte, das erst auf die Machenschaften Helds aufmerksam machte. Seitdem ist die Stadt Oppenheim politisch tief gespalten, einerseits in Held-Kritiker und auf der anderen Seite Held-Günstlinge, die von dem System des Bürgermeisters profitierten. Seit Jahresbeginn finden wöchentlich auf dem Oppenheimer Marktplatz Montags-Demos statt, bei denen regelmäßig 200 – 300 Bürger den Rücktritt ihres Stadtoberhauptes fordern. Held hat sich Ende Januar krank gemeldet und angekündigt, seine Amtsgeschäfte bis auf Weiteres ruhen zu lassen. Obwohl viele der Vorwürfe gegen den Oppenheimer Bürgermeister schon seit April letzten Jahres bekannt waren, ging die rheinland-pfälzische SPD reichlich spät auf Distanz zu dem umstrittenen Bundestagsabgeordneten des Wahlkreises Worms-Alzey- Oppenheim. Ministerpräsidentin Malu Dreyer zeigte sich erst Ende Februar „irritiert“ über Helds Verhalten, die SPD Ortsverbände Alzey-Worms und Worms hatten einen Tag zuvor eine Presserklärung verschickt, in der sie Held indirekt zum Rücktritt aufforderten, ohne das Wort „Rücktritt“ zu gebrauchen. Am Morgen des 28.02. erklärten schließlich sechs Oppenheimer SPD-Mitglieder ihren Rückzug aus dem Stadtrat und forderten selbiges von ihrem Stadtbürgermeister. Am Abend des 28.02. konnte sich auch Marcus Held zu einem Rücktritt durchringen. Zum 5. März wolle er das Amt als Stadtbürgermeister und alle damit verbundenen Ämter in der Stadt Oppenheim niederlegen, ließ Held über seinen Anwalt verkünden. Mit dem Rücktritt sei aber kein Schuldeingeständnis verbunden. Vielmehr könne Held sich und seine Familie nicht länger dem zunehmenden Druck durch die öffentliche Berichterstattung und die Rücktrittsforderungen seiner Partei aussetzen.
Der neueste Fall:
Persönliche Bereicherung
Nachdem viele Sozialdemokraten monatelang in blinder Nibelungentreue zu Held gehalten hatten, kam richtig Bewegung in die Sache durch einen Artikel vom 26.02. in der Allgemeinen Zeitung, die zuvor monatelang die Unschuldsbeteuerungen Helds, ohne kritisch nachzufragen, abgedruckt hatte. Held soll sich in seiner Ausübung als Stadtbürgermeister mit Hilfe von Insiderinformationen persönlich bereichert haben. Am 19.12.2015 kaufte Held als Privatperson die durch einen Brand geschädigte Immobilie „Auf der Saar 2“, ein stattliches Areal mit einem leer stehenden Gebäude, für 367.000 Euro. Zu diesem Zeitpunkt wusste Held bereits, dass das Evangelische Diakoniewerk Zoar auf der Suche nach einem Standort für eine Behinderten-Wohngruppe war, denn im Mai 2015 hatten am Rande der „Altenheim Expo“ erste Gespräche mit dem Vorstandssprecher von Zoar stattgefunden. Im Sommer 2016 kam es schließlich zu einem Stadtratsbeschluss, der die Grundstückspreise rapide nach oben schnellen ließ, denn das ehemalige Gewerbegebiet „Kette-Saar“ wurde in ein Mischgebiet umgewandelt. Fortan war auch gewöhnliche Wohnbebauung möglich. Held selbst nahm an den entscheidenden Ratssitzungen zwar teil, erklärte sich aber bei den Abstimmungen für befangen. Doch während die anderen Stadtratsmitglieder dachten, Held wäre befangen, weil er die Immobilie als Geschäftsführer der städtischen Wohnungsbaugesellschaften GWG oder HGO erstanden hatte, war Held selbst als privater Immobilienkäufer aktiv geworden. Und als solcher profitierte er erheblich von dem Stadtratsbeschluss. Am 24.08.2016 veräußerte Held die Immobilie für 747.500 Euro an Zoar. Privater Spekulationsgewinn nach neun Monaten für den Bürgermeister Oppenheims: 380.500 Euro. Über seinen Anwalt ließ der erkrankte Held ausrichten, dass er vor der Wiederveräußerung „erhebliche Investitionen zur Beseitigung der Brandschäden“ vorgenommen hätte. Wie hoch diese waren, ließ er offen. Laut Polizeibericht vom August 2015 ging man nach einer ersten Einschätzung von einem Schaden „im unteren fünfstelligen Bereich“ aus. Dieser offensichtliche Fall von persönlicher Bereicherung brauchte das Fass selbst bei vielen Held-Sympathisanten vollends zum Überlaufen.
Der Bericht des Landesrechnungshofes
Dabei hätte man schon im Dezember letzten Jahres, als der Prüfbericht des Landesrechnungshofes vorlag, erkennen können, dass an den Anschuldigungen etwas dran ist. Schließlich hatten die Speyerer Prüfer bestätigt, dass die in dem Dossier anonym geäußerten Vorwürfe durchaus substantiiert waren. Gleichzeitig ist der knapp 100-seitige Prüfungsbericht des Landesrechnungshofes ein Schlag ins Gesicht für jeden ordentlich arbeitenden Verwaltungsmitarbeiter, der sich penibel genau an Vorschriften hält, und zeichnet das Bild eines Bürgermeisters, der zahlreiche Beschlüsse des Oppenheimer Stadtrates nicht beachtet, oder – schlimmer noch – erst gar nicht eingeholt hat. Der sich Grundstücksgeschäfte in Millionenhöhe per „Eilbeschlüsse“ von einem kleinen Kreis an SPD-Ratsmitgliedern genehmigen ließ, aber mal eben „vergessen“ hat, wie gesetzlich vorgeschrieben, auch das Parlament zu informieren. Mehrfach weisen die Prüfer des LRH darauf hin, dass Marcus Held die Mitglieder des Stadtrates nicht korrekt oder unvollständig informiert habe. Als wäre dies nicht eine Selbstverständlichkeit, erinnern die Experten aus Speyer sogar daran, dass ein Bürgermeister in Ausübung seines Amtes der Wahrheitspflicht unterliege. Wörtlich heißt es darin: „Daraus folgt auch, dass er die zuständigen Gremien der Gemeinde wahrheitsgemäß und vollständig zu unterrichten hat. Gegen diese Pflichten hat der über die Befähigung zum Richteramt und zum höheren Verwaltungsdienst verfügende Bürgermeister in Hinblick auf rechtliche Fragen verstoßen.“ Was im Beamtendeutsch recht nüchtern klingt, bedeutet zwischen den Zeilen, dass man bei einem Mann, der sogar zum Richteramt befähigt ist, offenbar kein Versehen erkennen kann. Vielmehr hält man wohl auch Vorsatz bei Helds krummen Amtsgeschäften für möglich. Diese Frage hat aber die Staatsanwaltschaft Mainz zu klären, die Prüfer aus Speyer weisen nur auf Rechtsverstöße hin. Gleich mehrfach fordert der Landesrechnungshof, dass der Bürgermeister Oppenheims den entstandenen Schaden wiedergutmachen müsse: „Schadensersatzansprüche gegen den Stadtbürgermeister sind im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten zu prüfen.“ Und das könnte für Marcus Held noch richtig teuer werden, denn der vom Landesrechnungshof festgestellte, von Held verursachte Schaden liegt bereits bei über einer halben Million Euro.
Held hatte Narrenfreiheit bei der VG Rhein-Selz
Rückblickend kann man sagen, dass eine Vielzahl der Immobiliengeschäfte, die Held im Zusammenhang mit dem Baugebiet Krämereck-Süd getätigt hat, nicht sauber abgelaufen sind. Mitarbeiter in der Verwaltung hatten das schon frühzeitig erkannt und darauf hingewiesen, wurden aber von VG-Chef Klaus Penzer (ebenfalls SPD) zurückgepfiffen, dass alles seine Richtigkeit habe. Selbst fehlerhafte Rechnungen wurden von Held persönlich als „sachlich und rechnerisch richtig“ oder einfach nur mit „OK! Marcus Held“ abgezeichnet. Bedenken innerhalb der Verwaltung soll Held mit Sätzen wie „Wenn ich das sage, machen wir das so. Basta!“ abgebügelt haben. Als die Mitarbeiter der Verwaltung bei Behördenleiter Penzer abblitzten, sammelten sie heimlich belastende Dokumente, veröffentlichen sie in einem anonymen „Memorandum“ und schickten dieses an Zeitungen, Behörden und die Staatsanwaltschaft. So steht es zu vermuten, denn trotz intensiver Suche konnte der Maulwurf in der Verwaltung bis heute nicht ausfindig gemacht werden. Wohl aber, dass die Originaldokumente direkt aus dem Rathaus stammten. Auf das anonyme Dossier wurde zuerst der Landesrechnungshof aufmerksam, der eine mehrtägige Sonderprüfung im Rathaus Oppenheim anordnete.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt
Schließlich schaltete sich auch die Staatsanwaltschaft Mainz ein, die zunächst wegen eines Anfangsverdachts ermittelte. Es folgte eine Hausdurchsuchung im Rathaus Oppenheim, und die Leitende Oberstaatsanwältin Andrea Keller hat die Untersuchungen in der Zwischenzeit erheblich ausgeweitet. Gegen Marcus Held ermittelt die Staatsanwaltschaft aktuell wegen Untreue in 15 Fällen und wegen Bestechlichkeit in einem Fall. In diesem Zusammenhang wird außerdem gegen zwei Immobilienmakler wegen gewerbsmäßigen Betrugs in zehn Fällen ermittelt. Gegen VG-Chef Klaus Penzer, der das Treiben Helds lange Zeit toleriert und dessen zweifelhafte Geschäfte durch gewunken hatte, besteht laut Staatsanwaltschaft ebenfalls der Verdacht der Untreue. Weitere Anklagepunkte im Fall Marcus Held sind nicht auszuschließen, da der Bericht des Landesrechnungshofes noch nicht vollständig von der Staatsanwaltschaft ausgewertet wurde. Zudem droht Held nach dem öffentlichen Bekanntwerden der Vorwürfe weiterer juristischer Ärger.
Weitere Strafanzeigen gegen Held
Zunächst hatte ein Oppenheimer Bürger Ende Januar 2018 Strafanzeige gegen Held erstattet, der Vorwurf lautet hier „Bestechlichkeit“. Im Sommer 2015 soll Held ein bereits zugesagtes „Filetgrundstück“ kurzfristig an einen einheimischen IT-Unternehmer vergeben haben, der wenige Wochen später 2.000 Euro an die SPD Oppenheim spendete. Ob sich der neue Grundstücksinhaber damit erkenntlich zeigte, dass er den Zuschlag erhalten hatte, wird man nicht mehr herausfinden, denn der Mann ist ein Jahr später verstorben. Eine Bewertung hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen Grundstücksgeschäft und Parteispende muss nun die Staatsanwaltschaft vornehmen. Zudem prüfen sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Kreisverwaltung in Ingelheim, ob sie juristisch gegen den Oppenheimer Bürgermeister vorgehen, weil er mit der unerlaubten Verbreitung des LRH-Berichtes Urheberrechte verletzt haben soll. Denn während er weiten Teilen des Oppenheimer Stadtrates den Prüfbericht über Wochen hinweg vorenthielt, marschierte Marcus Held damit zur Allgemeinen Zeitung und legte ihm wohl gesonnenen Journalisten die weniger brisanten Passagen des Berichtes vor. Die Papiere waren aber nur für den internen Gebrauch bestimmt: „Eine Weitergabe an Dritte ist nur bei dienstlicher Notwendigkeit gestattet.“ Und die bestand bei Helds Besuch in der Redaktion der AZ nun wahrlich nicht.
Vorwurf: Untreue im Fall G-A-J GmbH
Offiziell ermittelt die Staatsanwaltschaft bereits in einem guten Dutzend Fällen wegen Untreue im Zusammenhang mit Grundstücksgeschäften im Krämereck-Süd. Zur Entwicklung des besagten Wohn- und Gewerbegebietes musste die Stadt zunächst die Grundstücke von Oppenheimer Bürgern kaufen. Anstatt jedoch den Deal mit den Grundstückseigentümern direkt einzufädeln, beteiligte Held das Maklerbüro „GAJ GmbH“ an dem lukrativen Geschäft. Für den Abschluss von 22 Kaufverträgen zahlte die Stadt eine Maklerprovision in Höhe von zusammen ca. 205.000 Euro an die G-A-J Immobilien-Vermittlungs-GmbH (GAJ), hinter der Familienmitglieder des alteingesessenen Oppenheimer Steuerbüros „Finck & Partner“ stehen. Die GAJ GmbH besteht seit 1983 und hatte zuvor nur Kleinstumsätze erzielt. Einzig in den beiden Jahren, als das Neubaugebiet Krämereck-Süd entwickelt wurde, schoss die Bilanzsumme explosionsartig in die Höhe und im Jahr 2015 wurde ein Gewinn von 105.000.- Euro ausgewiesen. Wie aus einer Aktennotiz hervorgeht, hatte ein Mitarbeiter der VG-Rhein-Selz Bedenken bezüglich der hohen Zahlungen an die GAJ, obwohl keine schriftliche Vereinbarung bestünde und fragte bei Held nach. Dieser soll entgegnet haben, dass es zwar keine schriftliche, aber eine mündliche Vereinbarung gebe. Zudem würde das Maklerbüro im Streitfall vor Gericht ganz sicher obsiegen. Daraufhin sprach der Mitarbeiter bei VG-Chef Klaus Penzer vor, weil er den Fall von der Kommunalaufsicht klären lassen wollte. Dies lehnte sein Vorgesetzter jedoch ab, weshalb die Stadt weiterhin brav die Maklerrechnungen überwiesen hat. Gegenüber dem Landesrechnungshof erklärte Held, dass das Maklerbüro GAJ von den Grundstücksverkäufern selbst beauftragt worden wäre. Wie die Prüfer aus Speyer in ihrem Bericht ausführten, ließen Vermerke von Held darauf schließen, dass dieser offenkundig der Auffassung sei, die Makler seien zwar von den Verkäufern beauftragt, „gleichwohl sei die Stadt verpflichtet, die Maklerkosten zu übernehmen“. Dabei hatten die maßgebenden Verträge die Stadt eben nicht zur Übernahme der Maklerkosten verpflichtet. Im Fachjargon spricht man hierbei von Veruntreuung von öffentlichen Geldern, denn die Stadt hätte mit der befristeten Einstellung eines Mitarbeiters in der Verwaltung nur gut ein Viertel der gezahlten Maklercourtagen an Kosten gehabt. Hinzu kommt noch, dass der Bericht des Landesrechnungshofes zu den genannten Grundstückskäufen das merkwürdige Rechtsverständnis des Juristen Held zu Tage gefördert hat. Nur sechs der 23 Kaufverträge waren „zumindest teilweise“ durch Stadtratsbeschlüsse legitimiert, vier Grundstücke im Wert von 577.810 Euro kaufte Held mit seinen Beigeordneten, ohne dazu mit einem Ratsbeschluss ermächtigt gewesen zu sein. In drei weiteren Fällen schlossen Marcus Held und seine Beigeordneten Kaufverträge ab, bei denen sie einen vorliegenden Ratsbeschluss missachteten: Mal war die Grundstücksfläche größer als genehmigt, mal gewährten sie eigenmächtig einen höheren Quadratmeterpreis (110 Euro statt 105 Euro für über 8.000 Quadratmeter). „Die daraus entstandenen Kaufpreis-Verbindlichkeiten der Stadt waren um 275.510 Euro höher als durch die Ratsbeschlüsse legitimiert“, heißt es im Bericht aus Speyer. 13 der Immobilien-Kaufverträge mit einem Volumen von 2.757.750 Euro hatte sich der Stadtbürgermeister mit Eilentscheidungen quasi selbst genehmigt. Was die ominösen Maklerprovisionen an die „GAJ GmbH“ angeht, führte der LRH zwei besonders dreiste Beispiele an. Im Januar 2014 kaufte die Stadt ein Grundstück, in dessen Kaufvertrag gar nichts von einer Maklercourtage stand. Trotzdem schickte die GAJ GmbH zwei Rechnungen über insgesamt 31.761,55 Euro, deren Richtigkeit vom Stadtbürgermeister bestätigt wurde. In einem zweiten Fall kaufte Oppenheims Stadtoberhaupt ein 3.614 m² großes Grundstück vom Landesbetrieb Mobilität Rheinland-Pfalz (LBM) für 234.910 Euro. Im Zuge der Sonderprüfung fand der LRH auch hierfür eine Maklerrechnung der GAJ über 26.539,74 Euro, mit „o.k.“ handschriftlich abgezeichnet von Marcus Held. Daraufhin fragten die Prüfer beim LBM nach, ob bei dem Grundstücksverkauf auch Makler eingeschaltet waren und ob man schon mal etwas von einer „GAJ GmbH“ gehört habe. Antwort: Fehlanzeige! Im Übrigen zeigte sich auch die GAJ GmbH für die unrechtmäßig gezahlten Maklercourtagen der Stadt Oppenheim erkenntlich, allerdings nur gegenüber Marcus Helds Partei. Am 7. Juli 2014 ging eine Spende in Höhe von 4.000 Euro von besagtem Maklerbüro auf dem Konto der SPD Oppenheim ein.
Vorwurf: Untreue im Fall Stephanie Kloos
In einem Fall von Untreue ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Marcus Held im Zusammenhang mit der Oppenheimer SPD-Stadträtin Stephanie Kloos, die in ihrem Haus Ferienwohnungen eingerichtet hatte. Dafür hätte sie drei Parkplätze anlegen müssen, laut Stadtratsbeschluss konnte sie jedoch auch alternativ je 7.500 Euro als Stellplatzablöse an die Stadtkasse zahlen. Auf die Eintreibung der insgesamt 22.500 Euro hat der Oppenheimer Bürgermeister und Parteikollege von Kloos, Marcus Held, aber verzichtet. Als der LRH dieses Versäumnis monierte, schrieb Held in einer ersten Stellungnahme, dass der Erlass der Forderung vom Stadtrat beschlossen worden wäre und der Protokollant der damaligen Sitzung das wohl falsch erfasst hätte. Dummerweise fehlte jedoch auch in dem von Held unterzeichneten Stadtratsbeschluss jeglicher Hinweis auf einen vollständigen Erlass der Forderungen. Deshalb ermittelt die Staatsanwaltschaft Mainz auch hier wegen „Untreue“. Gleichzeitig hat der Landesrechnungshof in seinem Bericht festgestellt, dass „die Kompetenzüberschreitung des Bürgermeisters an der Außenwirksamkeit der Verzichtsklausel nichts ändert“, was so viel heißt wie: Die Stadt kann das Geld von Frau Kloos nachträglich nicht mehr einfordern. Stattdessen solle die Stadt, laut LRH, Schadensersatzansprüche gegen Held geltend machen. Pikant wäre in diesem Zusammenhang: Sollte Frau Kloos von diesem Geld in dem besagten Zeitraum Rückzahlungen an die Parteikasse geleistet haben, hätten sich sowohl Held als auch Kloos darüber hinaus wegen Bestechlichkeit strafbar gemacht.
Vorwurf: Untreue und Bestechlichkeit im Fall Schmitt
Diesmal geht es um ein Grundstücksgeschäft im Krämereck-Süd mit einer gewissen Frau Schmitt, die zunächst ein 1500 m² großes Grundstück kaufte. Allerdings nicht zu dem vom Stadtrat festgelegten Preis von 140.- Euro/m², sondern für nur 130 Euro. Entstandener Schaden für die Stadt: 15.000 Euro. Als sie anschließend noch ein angeblich wertloses Randgrundstück über 307 m² hinzukaufte, gewährte Held einen absoluten Schnäppchenpreis, nämlich 5.000 Euro – das sind gerade mal 16 Euro/m². Gesamtersparnis für die Familie Schmitt: 52.980 Euro. Erneut liegt ein Fall von Untreue vor, da Held seine gegenüber der Stadt bestehende Vermögensbetreuungspflicht sträflich verletzt hat. Die Geschichte geht aber noch weiter. Der Ehemann von Frau Schmitt betreibt ein kleines Autohaus in Dienheim. Kurz nach Abwicklung des Grundstücksgeschäftes erstanden die Eheleute Held einen Mercedes Vito bei eben jenem Autohaus. Bereits in dem anonymen Dossier wurde der Verdacht geäußert, dass Held einen Preisnachlass als Gegenzug für die verbilligten Grundstückspreise erhalten habe. Im Gespräch mit unserem Magazin erklärte Held Anfang April 2017, dass seine Frau das Auto selbstverständlich zum normalen Marktpreis gekauft habe und das könne er auch belegen. In der WO! Ausgabe „April 2017“ war seinerzeit zu lesen: „Im Übrigen konnte sich nach dem Gespräch keiner der beteiligten WO! Redakteure daran erinnern, dass Held hierfür tatsächlich einen Kaufbeleg vorgelegt hat. Da Held zuvor jedoch alle Vorwürfe akribisch wie ein Anwalt entkräften konnte, ()…würde es sehr verwundern, wenn er ausgerechnet für einen derart offensichtlichen Fall von Korruption keinen entlastenden Kaufbeleg vorlegen könnte.“ Anscheinend konnte er das aber nicht, sonst würde die Staatsanwaltschaft nicht wegen „Untreue“ und „Bestechlichkeit“ ermitteln.
Marcus Held und sein überteuerter Dienstwagen
Da handelt es sich fast schon um „Peanuts“, dass Held von 2011 bis 2013 drei Jahre lang einen völlig überteuerten Dienstwagen fuhr. Laut Held handelte es sich bei seinem BMW 330d Touring xDrive (mit Allrad-Ausstattung) um ein echtes Schnäppchen, dessen Leasingraten günstiger als die des vorangegangenen Peugeots gewesen seien. Tatsächlich stiegen die Leasingraten von 360,35 Euro im Jahr 2011 auf 618,62 Euro im Jahr 2013. Zum Vergleich: Die höchstzulässige monatliche Leasingrate für Dienstfahrzeuge eines rheinland-pfälzischen Ministers lag im Jahr 2016 bei 250 Euro netto. Der Bürgermeister einer chronisch verschuldeten Stadt leistete sich dagegen ein Allrad-Mobil, dass den „höchstzulässigen Aufwand des Landes für Dienstwagen von Regierungsmitgliedern erheblich überschritt“. Allerdings fanden die Prüfer des LRH auch eine Unfallrechnung bei den Akten. Im Rahmen der Privatnutzung hatte Held einen Unfall begangen, den er von der Stadtkasse bezahlen ließ, obwohl die Dienstwagenvereinbarung vorsah, dass er die Selbstbeteiligung bei Schäden im Rahmen der Privatnutzung vollumfänglich hätte selbst tragen müssen. Unfallschaden: 1.236,14 Euro. Bezahlt von der Stadt Oppenheim.
Helds merkwürdige „Tourismus GmbH“
Die touristischen Aktivitäten einer kleinen Stadt wie Oppenheim sind recht übersichtlich. Die Haupteinnahmen erzielt die Stadt aus Führungen durch das städtische Kellerlabyrinth. Mehr als 200.000 Euro aus Eintrittsgeldern kamen hier pro Jahr zusammen, so dass die Stadt sich insgesamt vier Mitarbeiter im Tourismusbereich leistete, die mit insgesamt 176.000 Euro Personalkosten zu Buche schlugen. Im Jahr 2012 fiel im Tourismusbereich der Stadt Oppenheim ein kleines Minus von 10.500 Euro an. Laut Prüfer des LRH nichts Dramatisches. Doch dann kam Marcus Held Ende 2012 mit seiner Idee von einer eigenen „Tourismus GmbH“, bei der auch Privatpersonen als Gesellschafter aufgenommen werden sollten, um damit die Identifikation mit der Stadt zu verstärken. Selbstredend handelte es sich bei den zukünftigen Gesellschaftern allesamt um enge Vertraute Helds. Die Stadt war fortan nur noch zu 49% an der Tourismus GmbH beteiligt, während z.B. mehr als 20% dem geschäftsführenden Gesellschafter der Firma Hebau GmbH gehörten. Das Bauunternehmen aus Mainz-Hechtsheim bekam in der jüngsten Vergangenheit für nahezu alle öffentlichen Bauaufträge der Stadt Oppenheim den Zuschlag. Damit die Tourismus GmbH auch ein voller Erfolg wird, wählte Initiator Marcus Held ein ganz besonderes Konstrukt. Fortan behielt die neue GmbH die Eintrittsgelder aus den Kellerführungen ein, wohlgemerkt: ohne den Stadtrat zu fragen, geschweige denn, eine entsprechende Nutzungsvereinbarung abzuschließen. So kassierte die nun mehrheitlich privat organisierte Tourismus GmbH 232.000 Euro im Jahr 2015 und 237.000 Euro im Jahr 2016 aus den Eintrittsgeldern ein. Der seither von der Stadt bezahlte Angestellte Hansjürgen Bodderas (SPD) wurde zum neuen Geschäftsführer der GmbH ernannt und bekam direkt eine saftige Gehaltserhöhung von zuvor 50.700 Euro / Jahr auf nunmehr 72.180 Euro/ Jahr, obwohl sein Arbeitsbereich nahezu unverändert blieb. Die anderen drei für den Tourismus zuständigen Mitarbeiter verblieben aber weiter auf der Gehaltsliste der Stadt Oppenheim (Personalkosten: ca. 125.000 Euro). Das bemängelten auch die Prüfer aus Speyer, denn natürlich muss der Einsatz städtischer Mitarbeiter entsprechend entlohnt werden. Was das groß angepriesene Erfolgsmodell „Tourismus GmbH“ angeht, handelt es sich also im Endeffekt um eine weitere Variante von Held, öffentliche Gelder in private Taschen zu schleusen. Der Landesrechnungshof empfiehlt deshalb, die GmbH schnellstmöglich wieder aufzulösen.
Helds Vetternwirtschaft
Die bis hier aufgeführten Fälle stellen nur einen Bruchteil dessen dar, was bis heute im Fall Held an Anschuldigungen und Merkwürdigkeiten bekannt wurde. Auch die Ergebnisse des LRH-Berichtes konnten nur ansatzweise wiedergegeben werden. Auch wenn für Held nach wie vor die von seinen Parteikollegen lange Zeit zitierte „Unschuldsvermutung“ gilt, so lange kein gerichtliches Urteil gesprochen ist, drängt sich doch der zunehmend der Verdacht auf, dass immer dann, wenn Grundstücksgeschäfte anstanden, Geld der Stadt Oppenheim auf die Seite geschafft wurde. Held, der immerhin seit 2003 Bürgermeister von Oppenheim ist, hat sich offensichtlich im Laufe der Jahre ein System aufgebaut hat, von dem in erster Linie Parteifreunde profitierten. Als die Stadt das Gradinger-Grundstück am Ortseingang kaufte, kassierte Helds Amtsvorgänger Erich Menger, der mittlerweile im Raum Bad Kreuznach wohnt, an dem Deal seines Nachfolgers in der alten Heimat mit und strich 34.510 Euro Maklercourtage ein. Als es um die Entwicklung des Neubaugebietes Krämereck-Süd ging, durfte Helds Parteifreund Rudolf Baumgarten, der Bürgermeister im Nachbarort Uelversheim ist, nicht nur als Stadtplaner aktiv werden, sondern kurzerhand auch noch ein Immobilienbüro gründen. Fortan kassierte Baumgarten bei (fast) jedem Grundstücksverkauf der Stadt Oppenheim 2% Maklercourtage von den Käufern. Paradoxerweise waren die Verträge der Stadt so ausgestattet, dass Baumgarten nicht nur von den Käufern, sondern ebenso von der Stadt als Verkäufer eine Vermittlungsprovision hätte kassieren können. Wie die Prüfer des Landesrechnungshofes ausführten, könnte Baumgarten jederzeit nachträglich 244.000 Euro von der Stadt einfordern. Vollkommen legal, denn die Steilvorlage dazu hat ihm der juristisch bestens ausgebildete Bürgermeister von Oppenheim mit seiner merkwürdigen Vertragsgestaltung geliefert. Bekannt ist bisher, dass Rudolf Baumgarten, der nicht unerheblich an den Grundstücksgeschäften der Stadt Oppenheim partizipiert hat, im Jahr 2014 insgesamt 18.000 Euro an die SPD gespendet hat. Rückflüsse von anderen profitierenden Firmen oder Maklern an die SPD in Form von Spenden gab es ebenfalls. Ob weitere stattfanden und ob ein Zusammenhang mit den Grundstücksgeschäften bestand, das ist noch von der Staatsanwaltschaft zu klären. Die krummen Amtsgeschäfte des Oppenheimer Stadtbürgermeisters werden die Justiz auf jeden Fall noch sehr lange beschäftigen. Die Vorwürfe sind aber bereits derart umfangreich, dass kaum zu erwarten steht, dass Marcus Held jemals wieder auf der politischen Bühne auftauchen wird.
HINWEIS:
Der freie Journalist Thomas Ruhmöller hat die Ereignisse rund um Marcus Held bestens recherchiert und ausführlich zusammengefasst. Wenn Sie sich einen Überblick über alle Vorwürfe verschaffen wollen, lohnt sich ein Besuch auf der Internetseite:
www.der-oppenheim-skandal.de