Im schon lange zuvor ausverkauften Wormser Theater kam es am 27. November 2014 zu einer seltenen Mischung aus Qualität und Quantität. Urban Priol, bekannt aus der ZDF-Kabarettsendung „Neues aus der Anstalt“ , präsentierte an diesem Abend stramme 3 Stunden und 15 Minuten lang seinen satirischen Jahresrückblick „TILT“. Das war Rekord im Jahr 2014.
Als Urban Priol nach einer Stunde und 48 Minuten zur Pause bat, schwante den auswärtigen Besuchern bereits eine späte Heimreise, leiten doch andere zu dieser Zeit bereits in die Zugabe über. Dass der Dampfplauderer hierbei sehr oft von seinen zahlreichen Blättern ablas, die auf dem Tisch neben seinem Weizenbierglas lagen, war das einzige Manko gegenüber vielen Kollegen seiner Zunft, die in der Regel frei sprechen. Aber wer im Laufe eines Jahres so viel Absurdes, Kritikwürdiges und Erwähnenswertes über das Zeitgeschehen ans Licht befördert, der muss halt so tagesaktuell sein, dass man ab und zu einen Blick aufs Manuskript richten muss. Und das ist er. Ob Ukraine-Konflikt, Obama oder Merkels Europapolitik – Priol stellt die richtigen Fragen oder erwähnt beiläufig, dass die Russen uns die DDR zurückgegeben haben, während unser Freund Amerika uns schon seit Jahren überwacht. „Es gilt halt zu oft das gebrochene Wort!“ zu diesem bitteren Ergebnis kommt Priol und verweist auf Shakespeare. „100 Jahre Erster Weltkrieg, 75 Jahre Beginn des Zweiten Weltkriegs, 25 Jahre Mauerfall – die drei großen Tragödien dieses Jahres“, ist eine andere Erkenntnis des Kabarettisten. Und wieder möchte man stumm nicken. Genauso wie bei seinen Ausführungen über die Bundeswehr, Ursula von der Leyen („Das ist richtig und wichtig“), Sepp Blatter („den Unbestechlichen“), Angela Merkel („Miss Erfolg“) oder Maut-Dobrindt. Nach mehr als drei Stunden Konzentration auf das, was uns Priol mit Hochgeschwindigkeit um die Ohren haut, ist man als Besucher begeistert, aber auch geschafft. In politisch kranken Zeiten, in denen ein Kabarettist wie der 2013 verstorbene Dieter Hildebrandt schmerzlicher denn je vermisst wird, springen eben seine Erben in die Bresche. Auch Urban Priol nimmt kein Blatt vor den Mund, um die Wahrheit ans Tageslicht zu bringen. Dass man darüber auch noch lachen kann, obwohl uns doch selbiges eigentlich im Halse stecken bleiben müsste, ist die große Kunst, die nur wenige Kabarettisten beherrschen.