Unser WO! TEST beschäftigt sich mit der Frage, wie tourismustauglich Worms ist. In drei Ausgaben nehmen wir die Kategorien

? Wormser Sehenswürdigkeiten“ (Teil 1),
? Hotels und Gastronomie“ (Teil 2, Ausgabe April) und
? „Konsum und Kultur“ (Teil 3, Ausgabe Mai) unter die Lupe.

Worms hat ein finanzielles Problem – und das nicht erst seit heute. Erschwerend kommt hinzu, dass für eine dauerdefizitäre Stadt, der die Ausgaben zunehmend über den Kopf wachsen, die Mittel begrenzt sind, wie man neue Einnahmen generieren kann. Zwar hat man gerade in den letzten Jahren immer wieder die Bürger belastet durch höhere Abgaben und Steuern. Aber diese Mehreinnahmen sind eben nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Die Haupteinnahmequelle einer Kommune sind nach wie vor die Gewerbesteuern. Da aber die Stadt in den letzten beiden Jahrzehnten viele freie Gewerbeflächen an Logistiker vergeben hat, die nun mal sehr viel Platz benötigen, kann die Stadt aus Platzmangel schon seit einigen Jahren keine neuen großflächigen Gewerbegebiete mehr ausweisen. Das zuletzt geplante Gewerbegebiet „Hoher Stein“ ist am Widerstand von Bürgern und Umweltverbänden gescheitert, das „Mittelhahntal“ aufgrund eines Gutachtens, das die Stadt in Auftrag gegeben hatte. Wohlwissend, dass Worms ein Platzproblem hat, gaben bereits Kessels Vorgänger, Kissel und Fischer, um den Jahrhundertwechsel die Marschroute aus, über den Tourismus zusätzliche Einnahmen zu generieren. Die 2002 erstmals aufgeführten „Nibelungen-Festspiele“ waren diesbezüglich ein wichtiger Baustein, um das Thema „Nibelungen“ touristisch voranzutreiben. Stets mit dem Ziel vor Augen, die Stadt Worms touristisch attraktiver zu machen und neue Besucher hierher zu locken.

Übernachtungszahlen

Tatsächlich ist die Zahl der Touristen, die unsere Stadt besuchen, seitdem gewachsen, allerdings ausgehend von einem sehr niedrigen Niveau. Wichtig sind aber nicht nur die Tagestouristen, sondern in erster Linie Übernachtungsgäste, die deutlich mehr Geld in der Stadt lassen. Auch hier sind die Zahlen seit dem Start der Nibelungen-Festspiele gestiegen. Im Jahr 2002 gab es hier noch 97.255 Übernachtungen, im Jahr 2019 waren es bereits 165.157 Übernachtungen. In den Corona-Jahren 2020 und 2021 sind die Zahlen in allen Städten gefallen. Laut dem Statistischen Landesamt Rheinland-Pfalz lagen die Übernachtungen in Worms in den ersten neun Monaten des Jahres 2022 bei 115.358. Um die Übernachtungszahlen einordnen zu können, lohnt sich ein Vergleich mit Städten aus der Region, die zwar erheblich weniger Einwohner als Worms haben, aber deutlich höhere Zahlen erzielen, wie Neustadt an der Weinstraße (136.605 Übernachtungen), Speyer (211.136) oder die beiden Kurstädte Bad Dürkheim (675.431) und Bad Kreuznach (734.500), die natürlich auch jede Menge Kurgäste in ihrer Statistik mitzählen können. Von diesen Zahlen kann man in Worms nur träumen. Die Römerstadt Trier, mit der man sich um den Titel „Älteste Stadt Deutschlands“ streitet, hat zwar knapp 25.000 Einwohner mehr wie Worms, aber auch mehr als fünfmal so hohe Übernachtungszahlen (622.136). Dort scheint die Tourismusvermarktung also wesentlich besser zu funktionieren.

Das Tourismuskonzept 4.0

Seit 2019 gibt es das Tourismuskonzept „Worms wächst – Tourismus 4.0“, das von der Hochschule Worms, unter der Leitung von Prof. Dr. Scherhag (Leiter des Studiengangs Tourismus/Verkehrswesen), gemeinsam mit dem Lenkungskreis Tourismus der Stadt Worms erstellt wurde. Der Lenkungskreis bestand aus Vertretern der KVG, Tourist Info, Stadtmarketing, Kulturkoordination und Wfg unter der Leitung der zuständigen Dezernentin Petra Graen. Ungeklärt ist derzeit noch, wer das Ressort von Petra Graen übernimmt, wenn diese im Sommer ihre Amtszeit beendet. Ihr Dezernat wird dann unter den vier vorhandenen Dezernenten aufgeteilt und die Stelle selbst nicht mehr besetzt. Auch interessierte Bürger hatten im Vorfeld die Möglichkeit, ihre Vorstellungen mit einzubringen. Anschließend gingen die Akteure der Tourismusförderung mit der ambitionierten Vision „Worms gilt in 10 Jahren als eine Top-Destination im Städtetourismus mit ihrem starken Profil: Kultur – Geschichte – Wein(erlebnis)“ an die Umsetzung der Maßnahmen aus unterschiedlichen Themenbereichen. Hierfür empfahl die Hochschule die Einrichtung eines breiten Bündnisses aus Akteuren, den Tourismusbeirat, der sich aus Vertretern des Lenkungskreises, der maßgeblich an der Entstehung des Tourismuskonzeptes beteiligt war, zusammensetzt. Dieser sollte in Abhängigkeit des jeweiligen Themas durch externe Experten ergänzt werden. Die Koordination konkreter Maßnahmen (interne Abstimmung, Verantwortlichkeit, Finanzierung) obliegt der Tourist Information. Von der Digitalisierung des Tourismusmarketings bis zur Stärkung der Kulturprofile sind die Aufgaben breit gefächert. Mit der Fokussierung auf das grundlegende Thema „Kultur“ kann eine enge Abstimmung mit den überregionalen Tourismusorganisationen Rheinland-Pfalz Tourismus GmbH und Rheinhessen Touristik GmbH erfolgen, da auch dort das Thema „Kultur“ von Bedeutung ist. Um diese Vision zu realisieren, muss auf die Potentiale der Stadt Worms, aber auch der Region zurückgegriffen werden. Denn gerade im Zusammenspiel mit den umliegenden Gemeinden und touristisch interessanten Regionen (Wonnegau, Pfalz/Weinstraße, Rheinhessen) können Synergien genutzt und den Besuchern attraktive Pakete angeboten werden.

Ein USP für Worms

Eine Zielsetzung des Tourismuskonzeptes 4.0 ist es, die Verweildauer der Gäste in der Stadt zu erhöhen. Aus Tagesbesuchern sollen Übernachtungsgäste werden. Mit der in Deutschland einzigartigen Verknüpfung von Kultur, Genuss und Geschichte soll in Worms die Basis für ein kulturtouristisches Erlebnis gelegt werden – sowohl für die Einwohner der Stadt als auch deren Besucher. Da die touristischen Leistungsträger der Stadt sowie der Region eng verzahnt sind, soll dies für die Entwicklung von buchbaren Angeboten genutzt werden und allgemein die Strukturen im Tourismusbereich entwickelt werden. Dabei soll das Kulturerlebnis in der Nibelungenstadt die Anforderungen der Touristen von Morgen erfüllen. Zur Erreichung dieses Ziels gehört auch die Errichtung eines Touristischen Zentrums als Anlaufstelle für Touristen, ebenso wie die Attraktivierung der Verbindung zum Rhein bzw. zur Rheinpromenade. Bis heute wurden auch schon einige Maßnahmen in die Tat umgesetzt, wie z.B. die touristische Webpräsenz der Stadt Worms „Worms-erleben.desowie die dazugehörige App. Die Ausstellungs-App „Schum am Rheinbildet, zusammen mit den Schum-Stätten Mainz und Speyer, die jüdischen Angebote in der Stadt ab. Der von dem Wormser Künstler Eichfelder angelegte „Kriemhilds Rosengarten“ an der Rheinpromenade gehört ebenso dazu wie die Kampagne „#Summer in Worms“, bei der diverse Sommerveranstaltungen gebündelt wurden. Auch die Kampagne „Wir zeigen euch Worms“, bei der Wormser Bürger in Kurzvideos die interessanten und unbekannten Seiten der Stadt vorstellten, ist ein Teil des Tourismuskonzeptes 4.0.

Es gibt noch viel zu tun

Im Übrigens haben die Akteure des Lenkungskreises erkannt, dass nahezu alle erfolgreichen Tourismusgebiete in der Region ein klares Alleinstellungsmerkmal (USP = Unique Selling Point) kommunizieren können. Dementsprechend soll die Identität der Stadt mit der Fokussierung auf die Themen Kultur – Geschichte – (Wein)Erlebnis“ gestärkt werden. Klar ist aber allen Beteiligten des Tourismuskonzeptes 4.0., dass es zu einer Steigerung der Übernachtungszahlen auch dazu gehört, dass die Infrastruktur in der Stadt weiter wachsen muss und langfristig auch ein Ausbau der Bettenkapazität stattfindet. Was die Ansiedlung von Hotels oder Gaststätten angeht, hat die Stadt allerdings kaum Einflussmöglichkeiten und ist auf Investoren angewiesen, die den Standort Worms als Wirtschaftsfaktor erkennen. Hier ist allerdings noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten. Da es aber 2021 zu einem echten Glücksfall für Worms kam, als die SchUM-Stätten in Speyer, Worms und Mainz in die Liste des UNESCO-Welterbes aufgenommen wurden, hat die Stadt nun ein weiteres Pfund, mit dem sie wuchern kann. Aber nochmal: Es ist noch sehr viel Überzeugungsarbeit zu leisten, bis Worms tatsächlich zu einer „Top-Destination im Städtetourismus“ wird.

Text: Frank Fischer