Ein Ausblick auf die Nibelungen-Festspiele vom 12. – 28. Juli 2024
Es ist wohl das ewige Schicksal der Menschen, sich immer wieder in kriegerischen Handlungen zu verlieren. Stellvertretend sozusagen im sicheren Umfeld des Theaters, taumelt nun schon seit mehr als 20 Jahren die lästige Burgundersippe aus Worms ihrem Untergang entgegen. So auch in diesem Jahr in dem Stück „Der Diplomat“ unter der Regie von Roger Vontobel.
Während das Ende unumstößlich erscheint, sind es vielmehr die Fragen rund um die toxische Mischung aus Liebe, Neid und Hass, die den Reiz des Mythos Nibelungen ausmachen. In diesem Jahr widmen sich die beiden Autoren, Feridun Zaimoglu und Günter Senkel, der Frage, warum auch gute Argumente manchmal nicht ausreichen, um Mord und Zerstörung zu verhindern. Thomas Loibl, Darsteller des Hagen in diesem Jahr, erklärte bei der Pressekonferenz zu dem Stück: „Auf der Bühne können Kulturschaffende Themen buchstäblich durchspielen, ohne dass jemand leiden oder gar sterben muss. Und, noch wichtiger: Theater kann eine Diskussion in Gang bringen. Eine, die, wenn man es ganz idealistisch betrachtet, am Ende vielleicht doch ein kleines Stück dazu beitragen kann, dass Dietrichs Streben nach Frieden zum Ziel führt.“ Im darstellerischen Mittelpunkt steht die Figur des Dietrich von Bern. Ein Mann des Krieges, der auf dem Schlachtfeld schmerzhaft lernen musste, was Krieg verursacht, einschließlich des Selbstmordes seiner Frau. Nun ist der einstige König ohne Land und verdingt sich für König Etzel, der im Übrigen in der Aufführung nicht vorkommen wird, als Brautwerber. Das Objekt der Begierde ist Kriemhild. Doch der Recke ahnt, dass die Geschichte nicht gut ausgehen wird. Am Wormser Hof angekommen, muss er bald erkennen, dass der Geist von Siegfried allgegenwärtig ist, während in Kriemhild das kompromisslose Verlangen nach Rache erwacht. Zudem muss sich Dietrich von Bern seinen eigenen Dämonen der Vergangenheit stellen. Nichts Gutes ahnend, hofft er, Schlimmeres verhindern zu können. In die Rolle des „Diplomaten“ schlüpft Franz Pätzold, der bei den Festspielen kein Unbekannter ist. Bereits 2022 spielte er, ebenfalls unter der Regie von Roger Vontobel, in dem Stück „hildensaga.ein königinnendrama“ die Rolle des König Gunter. Prominenteste Darstellerin dürfte indes die Schauspielerin Jasna-Fritzi Bauer sein, die Kriemhild spielen wird. Bekanntheit erlangte die 1989 geborene Schauspielerin vor allem durch ihre Rolle als Kommissarin Liv Moormann im Bremen „Tatort“. Auch auf der Kinoleinwand ist sie ein gern gesehener Gast. So zum Beispiel in „About a Girl“, für den sie 2015 mit dem Bayerischen Filmpreis als „Beste Nachwuchsschauspielerin“ ausgezeichnet wurde. Neben Moritz Bleibtreu spielte sie 2018 in der Sebastian Fitzek Verfilmung „Abgeschnitten“. Seit dem 30. Mai ist sie auch in der Amazon Serie „Viktor Bringts“ zu sehen. Die nächsten sechs Wochen wird sie indes in Worms verbringen.
Bildgewaltige Inszenierung
Der Name des Regisseurs Roger Vontobel ist in Worms längst gleichbedeutend mit einer bildgewaltigen Inszenierung, die auch nicht den Einsatz modernster Technik scheut. Auch in diesem Jahr verspricht der Schweizer große Bilder, fernab einer hyperventilierenden Bildsprache in Lila wie im vergangenen Jahr. Um den Dom richtig in Szene zu rücken, greift Vontobel auf eine bewährte Mannschaft zurück. So ist für das Bühnenbild erneut der Däne Palle Steen Christensen zuständig. Gemeinsam mit dem Regisseur verriet dieser bei einem Pressegespräch, dass in diesem Jahr die Farbe Rot im nicht unbedingt subtilen Kontext mit Blut eine dominante Rolle spielen wird. Erste Visualisierungen versprechen ein eindrucksvoll düsteres Bühnendekor. Zu dem bewährten Team gehören auch die beiden Musiker Keith O’Brien und Matthias Herrmann, die wieder den passenden Soundtrack gestalten werden. Eine besondere Rolle kommt dabei der Schauspielerin Lou Strenger zu. Als Geisterfigur symbolisiert sie, in Person von Dietrich von Berns toter Frau, die zuvor erwähnten inneren Dämonen von Berns. Bei der Pressekonferenz erklärte Regisseur Vontobel, dass die Rolle sehr musikalisch angelegt sei. Da Vontobel der Mann ist, der den Dom erzittern ließ, darf auch in diesem Jahr der Einsatz von Videotechnik nicht fehlen. Hierfür ist der Videokünstler Jonas Dahl zuständig, der erstmals mit Vontobel zusammenarbeitet. Um die Gäste für zweieinhalb Stunden in die Geschichte zu ziehen, bedarf es auch entsprechender Kostüme. Die werden von der erfahrenen Kostümbildnerin Tina Kloempken entworfen. Ein erster Blick verrät einen zeitlosen, eleganten Ansatz, wo der König endlich wieder einen würdevollen Mantel tragen darf. Am 12. Juli wird „Der Diplomat“ seine Premiere feiern. In Anbetracht der gelungenen Stücke „Siegfrieds Erben“ und „hildensaga.ein königinnendrama“ läuft der Vorverkauf entsprechend gut.
„Falsche Götter“ im Kulturprogramm
In der von Ferdinand Schmalz verfassten und von Roger Vontobel inszenierten Aufführung „hildensaga. ein königinnendrama“ spielten 2022 drei Nornen eine nicht unerhebliche Rolle. Nornen sind in der nordischen Mythologie schicksalsbestimmende weibliche Wesen, von denen einige von Göttern, andere von Zwergen oder Elfen abstammen sollen. Mahnend kommentierten sie mit ihrem unheimlichen Auftreten die Handlungen der Figuren, ehe diese selbst ahnten, wie diese sich im Netz des Schicksals verhedderten. Nun kehren sie in dem Stück „Falsche Götter“ zurück nach Worms und mit ihnen der Autor Albert Ostermaier. Nachdem Ostermaier sich in den Jahren 2015 bis 2017 ausgiebig mit den Nibelungen auseinandersetzte, („Gemetzel“, „Gold“ und „Glut“) gilt seine Aufmerksamkeit nun jenen Schicksalsgöttinnen. In dem Stück spinnen und spannen sie, als drei das Schicksal raunende Göttinnen der nordischen Mythologie, die Lebensfäden. Sie verweben und verknoten die Handlungen und Beziehungen der Nibelungensage immer wieder neu und unerwartet zu einer Erzählung, in der sich verschiedene Zeit- und Stilebenen gegenseitig durchdringen. Zwei der drei Nornen werden hierbei von Schauspielerinnen gespielt, die bei den Festspielen ebenfalls keine Unbekannten sind. So kehren in diesem Jahr Dennenesch Zoudé und Wiebke Puls wieder zurück nach Worms. Wiebke Puls war eine der ersten, die bei den Festspielen in dem Stück „Brünhild“ (2003) in der titelgebenden Rolle zu sehen war. Dennenesch Zoudé war 2016 Ensemblemitglied in dem Stück „Gold“. Die dritte im Bunde ist Sophie von Kessel, die zum ersten Mal im Kulturprogramm der Festspiele mitwirkt. Die Schauspielerin spielte, parallel zu ihrer Bühnenkarriere an den renommierten deutschsprachigen Schauspielhäusern, in einer Vielzahl erfolgreicher Fernseh- und Kinoproduktionen mit („Der Taunuskrimi“, „Ein starkes Team“, „Tatort“). Regie führt der renommierte Opern- und Theaterregisseur Ludger Engels.
Text: Dennis Dirigo