Ein Blick zurück auf das Kinokrisenjahr 2023

Das Kino steckt seit Jahren in der Krise. Veränderte Sehgewohnheiten – dank der Streaming Revolution – machten das ohnehin kinofaule Deutschland zu einem Land der Couch Potatoes. Schuld daran hat aber nicht alleine die Verlockung des bequemen Streamens, sondern auch die Einfallslosigkeit von Film- schaffenden, die immer wieder dasselbe reproduzieren.

Seien es die austauschbaren Dramödien aus dem Hause Schweighöfer, Schweiger und Co oder die unzähligen Filmfranchises aus Hollywood, die den Boden für weitestgehend originelle und originale Stoffe vergiftet haben. Es scheint, als seien die guten Ideen allerorten ausgegangen. Dabei ist es nicht einfach die Übersättigung am immer wieder Gleichen, was sich zum Beispiel nach mehr als 30 Marvel Filmen durchaus einstellen kann, sondern auch die Anbiederung an einen vermeintlich woken Zeitgeist. Mit einem geradezu messianischen Eifer avancierte insbesondere das Disney Studio mit seinen Marken Marvel, Pixar und Lucasfilm zur Speerspitze des identitätspolitisch aufgeladenen Blockbuster Kinos. Der Lohn dieses offenkundig erzieherischen Anspruchs war eine Reihe stattlicher Flops, wie die Neuverfilmung des Disney Klassikers „Arielle, die Meerjungfrau“ und der würdelose fünfte Auftritt des wohl berühmtesten Filmarchäologen der Welt, Dr. Henry Jones Jr., in „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“. Und das im Jubiläumsjahr, in dem das Studio seinen 100. Geburtstag feierte. Nach dieser katastrophalen Bilanz, die lediglich mit dem Erfolg von „Guardians of the Galaxy Vol.3“ einen Hit aufweisen konnte, verkündete CEO Bob Iger, dass man zu den Wurzeln zurückkehren möchte. Dies unterstrich er mit der Aussage: „Es geht nicht um Botschaften“. In Anbetracht der Diskussionen rund um den bevorstehenden Kinostart des Remakes von „Schneewittchen und die sieben Zwerge“, scheint es fraglich, ob für Disney 2024 ein erfolgreicheres Jahr wird.

MATTELS GROSSER TRICK

Doch das Kinojahr 2023 kannte nicht nur Verlierer, zumindest finanziell. Zwar bescherten die Videospielverfilmung „Super Mario Bros“ und die Spielzeugverfilmung „Barbie“ Kinos und Studios Einspielergebnisse von weltweit über eine Milliarde Dollar, doch zugleich stehen die beiden Filme für die Perfektionierung von Produktvermarktung. Insbesondere die vordergründig satirisch angelegte Spielfilmversion der marketingtechnisch in die Jahre gekommenen Spielzeugpuppe Barbie entpuppte sich als film- gewordener Wolf im Schafspelz. Knapp sechs Millionen Menschen lösten in Deutschland Kinokarten, um sich vom wohl längsten Werbeclip der Filmgeschichte unterhalten zu lassen. Der eigentliche Coup des Spielzeugproduzenten Mattel war es, den Film tatsächlich als feministisches Kinospektakel mit Witz und Grips zu bewerben. Zu verdanken hatte man das der Mithilfe von Regisseurin und Autorin Greta Gerwig, die zur Speer- spitze des amerikanischen Independent Kino gehört, und der beiden Hauptdarsteller Margot Robbie als titelgebende Barbie und Ryan Gosling als Ken. Gemeinsam gelang es ihnen, die Puppe, die als Symbol für ein sexistisch geprägtes Frauenbild steht, als Ikone der Selbstbestimmung zu inszenieren. Dabei könnte die Kernaussage des Films nicht weiter davon entfernt sein. Gerade weil sich die Inszenierung überbetont selbstironisch geben möchte, ist die an Frauen und Mädchen (der Film ist ab 6 Jahren freigegeben) gerichtete Botschaft in einem Monolog am Ende des Films mindestens diskussionswürdig. So bekommt Barbie erklärt, dass wir in einer Welt leben, in der Männer Frauen niemals gleichwertig sehen. Deshalb ist es vollkommen in Ordnung, das blonde Dummchen zu spielen, da die in Wahrheit dümmeren Männer das ohnehin nicht verstehen.

DAS „BARBENHEIMER“ PHÄNOMEN

Dem Vorstand von Mattel dürfte diese Botschaft egal sein, schließlich führte der Film dazu, dass der Börsenwert seitdem einen Höhenflug erlebt. Zu verdanken hatte der Film seinen Erfolg aber auch dem künstlich entfachte Medienhype um das „Barbenheimer“ Phänomen. Aufgrund desselben Startdatums wurden Christopher Nolans „Oppenheimer“ und „Barbie“ als vermeintliche Konkurrenten aufgebaut und bescherten so den Filmen viel Aufmerksamkeit. Die Rechnung ging auf. Während „Oppenheimer“ bei Kosten von rund 80 Millionen Dollar weltweit rund 950 Millionen Dollar einspielte, brachte es „Barbie“ bei einem Budget von ca. 140 Millionen Dollar auf mehr als 1,4 Milliarden Dollar. Für Filmfans dürfte besonders letzteres Einspielergebnis keine gute Nachricht sein. Mehr als ein Dutzend weitere Filme rund um Mattel-Spielzeuge wurden bereits angekündigt. Und es ist zu befürchten, dass auch andere Studios auf diesen ausgefuchsten Marketingzug springen werden. Hoffnung macht in- des der Erfolg von „Oppenheimer“, der zeigt, dass das Publikum auch heute noch für gut gemachtes Kino zu begeistern ist.

Text: Dennis Dirigo

Titelbild: Homepage Kinowelt Worms