05. April 2016
Lincoln Theater in Worms:
„Die Kugel ist für dich, Mo Asumang!“ Die Filmemacherin und beliebte Moderatorin saß in ihrem Auto mitten im Berliner Stadtverkehr, als diese Worte aus dem Radio an ihr Ohr drangen. Urheber dieser Worte war der bekannte Berliner Neonazi Lars Burmeister mit einem Song seiner Band White Aryan Rebbels. Mo Asmunang ging dieses Erlebnis durch Mark und Bein. Statt sich verunsichert zu verstecken, ging sie in die Offensive und begab sich auf Spurensuche. Was sind eigentlich Arier?
Das Leitmotiv des Films ist die Suche nach den „wahren Ariern“, die Fragestellung lautet: Wer sind die eigentlich, wo kommen die her, wie sehen die aus? Die Autorin wagt sich mitten hinein in den braunen Morast rassistischer Ideologie und völlig realitätsferner Theorien. Im Laufe des Films besucht sie eine NPD Demonstration und versucht, mit Teilnehmern zu sprechen. Skurril wird es, wenn sie sich mit dem Verschwörungstheoretiker der rechtsextrem-esoterischen Szene, Axel Stoll, trifft. Dieser behauptet allen Ernstes, dass auf dem Mars Nazis leben würden und die Arier vom Planet Aldebaran stammen. Auch geht sie in die USA, trifft zwei Mitglieder des amerikanischen Ku-Klux-Klan. Sie fordert Erklärungen mit freundlichen, fast naiv wirkenden Fragen, steckt Beleidigungen ein, lässt selbst entlarvende Erläuterungen von „Rassenexperten“ unkommentiert wirken. Unter anderem trifft sie den in Amerika populären Rassisten Tom Metzger, der eingesteht, dass Rassismus auch ein Geschäftsmodell ist und sie am Ende verschämt umarmt („Hoffentlich sieht mich jetzt niemand, sonst ist mein Ruf ruiniert“). Die echten Arier trifft sie schließlich auch: Sie leben als friedfertige Volksgruppe in einer abgelegenen Region im Iran, haben nicht das Geringste mit der blonden, blauäugigen „Herrenrasse“ der Nazis zu tun. „Wir Arier denken, Hitler war verrückt“, erklärt ein alter Mann. Am Ende des 45-minütigen Zusammenschnitts bleibt man ob des Gesehenen staunend zurück. Man weiß nicht, ob man lachen oder weinen soll oder ob man gar Mitleid mit diesen verbohrten Pseudoariern empfinden sollte.
Mo Asumang stellt in diesem Film wichtige Fragen, gerade was unseren Umgang mit Nazis angeht. Eine Frage, die auch in der anschließenden Talkrunde, bei der auch OB Michael Kissel zu Gast war, eine wichtige Rolle spielte. Aktueller Aufhänger war für viele Zuschauer der Umgang der Stadt mit der im Februar genehmigten Demonstration der Partei „Der dritte Weg“. Wie WO! berichtete, stieß es bei einigen Bürgern auf Unverständnis, dass die Stadt die Veranstaltung erst sehr kurzfristig bekannt gab und zur Route gar keine Auskunft erteilte. Kissel stellte die Frage, ob für Nazi-Parteien eine Nichtbeachtung viel schlimmer sei? Betonte aber auch, dass es in der Vergangenheit in Worms mehrfach erfolgreiche Gegenveranstaltungen gab, in denen durch Blockaden die Demos bereits im Keim erstickt wurden. Ebenso kontrovers wurde das Verbotsverfahren um die NPD diskutiert. „Mich widert es an, dass sich die NPD über Steuergelder finanziert“, erklärte OB Kissel. Dennoch wisse er, dass ein Verbot die Menschen in der Partei nur in andere Organisationen hineintreibt. „Es ist nicht die Lösung des Problems“, viel mehr sieht Kissel die Notwendigkeit für die Optimierung von Erziehungs- und Bildungsangeboten. Es ist die eine Sache, wie die Politik mit diesem Thema umgeht, ein andere, wie die Öffentlichkeit damit umgeht. Und da hat Mo Asumang sicherlich recht, wenn sie immer wieder betont, der beste Schlüssel zu einem Nazi sei, mit ihm zu reden. Ein besonders positives Erlebnis war für sie in diesem Zusammenhang das Schicksal des Nazi-Aussteigers Chris, mit dem sie bis heute ein freundschaftliches Verhältnis pflegt oder wie es Mo Asumang am Ende des spannenden Abends auf den Punkt brachte: „Don‘t go shopping, talk to a Nazi“.