Es muss beim Geschenkekauf doch nicht immer amazon sein…

Wenn es darum geht, Weihnachtsgeschenke zu kaufen, greift mittlerweile knapp ein Drittel aller Deutschen auf den Onlinehandel Amazon zurück. Während der Onlineriese (nicht nur) um die Weihnachtszeit Rekordumsätze erzielt, stirbt der stationäre Handel in den Innenstädten in ganz Europa immer weiter aus. Die Frage ist deshalb nicht unberechtigt, ob es moralisch vertretbar ist, einen amerikanischen Milliardär mit einem geschätzten Vermögen von 150 Milliarden US-Dollar noch reicher zu machen, während vor der eigenen Haustür Geschäfte schließen müssen und dadurch neue Arbeitslose produziert werden?

Das Hauptargument für eine Bestellung bei Amazon ist nach wie vor die Bequemlichkeit. Heute online bestellen und morgen schon klingelt der Bote von Amazon an der Haustür und überreicht die bestellten Waren. Bequemer geht es nun wirklich nicht. Trotzdem kommt uns eine Bestellung bei Amazon, auch wenn man dadurch auf den ersten Blick vielleicht sogar ein paar Euro spart, im Endeffekt teurer zu stehen. Denn die Marktmacht des Giganten Amazon ist mittlerweile derart groß, dass im Schatten des Onlineriesen jede Menge kleine Händler auf der Strecke bleiben, für deren soziale Absicherung wir alle auf einem anderen Weg dann doch blechen müssen. Als Jeff Bezos 1994 sein Unternehmen gegründet hat, bot er anfangs nur Bücher über seinen Onlineshop an. Fasziniert von den Möglichkeiten, die der Internethandel bietet, verkaufte er in der Folge immer mehr Produkte über sein Online-Kaufhaus, bis Amazon schließlich sukzessive zum „Allesverkäufer“ wurde. Dass Jeff Bezos heute der reichste Mensch der Welt ist, liegt aber nicht nur daran, dass Amazon ein weltweit agierendes Imperium geworden ist, das den Onlinehandel nahezu perfektioniert hat, sondern in vielen Ländern dieser Erde ebenso das Geschäft mit Speicherplätzen in der Cloud beherrscht. Vor allem aber hat Bezos schon früh den Wert des Rohstoffs Daten erkannt und sein Datensammelnetzwerk immer engmaschiger geknüpft . Dementsprechend gründet sich der große Erfolg von Amazon in erster Linie auf der konsequenten Auswertung der Kundendaten. Dabei wird längst nicht nur das Kaufverhalten analysiert und den Kunden entsprechende Angebote unterbreitet (Jeder Amazon Kunde kennt die Mails „Kunden, die dieses Produkt kauften, kauften auch…..“). Vielmehr ermöglicht die Datensammlung und deren Analyse ein Kundenprofil, das genaue Rückschlüsse auf das Urlaubsverhalten bzw. Abwesenheitszeiten, die politische Einstellung, den Gesundheitszustand, sexuelle Präferenzen und vieles mehr zulässt. Wie sich Amazon diese Daten zunutze macht, um den Umsatz kräftig nach oben zu schrauben, beweisen aktuelle Umsatzzahlen. Während im letzten Jahr weltweit Einzelhandelsgeschäfte aufgrund der Lockdowns über Monate hinweg schließen mussten, blühte der Onlinehandel und machte Amazon zum großen Gewinner der Corona Krise. Weltweit erzielte Amazon im Jahr 2020 einen Umsatz von rund 386 Milliarden US-Dollar und erwirtschaftete einen Gewinn in Höhe von 21,33 Milliarden US-Dollar. Auch im ersten Quartal des Jahres 2021 konnte Amazon seinen Umsatz um satte 44 Prozent auf nunmehr 108,5 Milliarden US-Dollar steigern, den Gewinn erhöhte Amazon um mehr als das Dreifache auf den Rekordwert von 8,1 Milliarden US-Dollar. Alleine in Deutschland setzte Amazon im Jahr 2020 rund 29,57 Milliarden US-Dollar um. Allesamt Umsatz, der den deutschen Einzelhandelsgeschäften flöten ging.

Die Schattenseiten von Amazon
Dass Bezos heute mit einem geschätzten Vermögen von 150 Milliarden US-Dollar der reichste Mensch der Welt ist, hat jedoch nur deshalb so gut funktioniert, weil auf dessen Weg nach oben ganz viele Leichen seinen Weg pflastern. Oder anders gesagt: Wer in kürzester Zeit derart viel Vermögen anhäuft, kann das nur erreichen, wenn er dies auf dem Rücken seiner Mitarbeiter, Zulieferer und Geschäftspartner austrägt. Wer nämlich als Drittanbieter seine Waren auf der Onlineplattform anbietet, muss knallharte Konditionen und mitunter horrende Verkaufsprovisionen akzeptieren. Wer gegen das System von Amazon aufbegehrt, dessen Produkte werden kurzerhand aus dem Online-Sortiment des Branchenriesen entfernt. Somit hat Amazon die Macht, mit ein paar Klicks über den Erfolg oder Misserfolg eines Fremdverkäufers zu entscheiden. Trotzdem würde man Jeff Bezos sein beträchtliches Vermögen durchaus gönnen, wäre Amazon nicht auch noch ein beschissener Arbeitgeber. Angefangen bei schlecht bezahlten osteuropäischen LKW-Fahrern, die deren Waren quer durch Europa transportieren und ohne sanitäre Einrichtungen nächtelang vor den Amazon Logistikzentren campieren müssen. Es geht weiter bei den Mitarbeitern in den Logistikzentren, die kameraüberwacht und mit zeitlich befristeten, schlecht bezahlten Arbeitsverträgen ausgestattet werden. Und die ärmsten Schweine sind die Paketlieferanten, die aus Zeitdruck in Plastikflaschen pinkeln müssen und ihre regelmäßigen Überstunden nicht einmal bezahlt bekommen. Das Argument, dass auch Amazon neue Arbeitsplätze schafft, zieht also nur bedingt, wenn es sich hierbei überwiegend um Jobs aus der Niedriglohnbranche handelt. Auch für die Umwelt ist das Wirken von Amazon eine Katastrophe, wenn allerorts Amazon-Logistikzentren aus dem Boden schießen und für eine großflächige Versiegelung von Naturflächen sorgen. Nicht zuletzt ist da auch noch Jeff Bezos‘ privates Raumfahrtprogramm, in das er jährlich eine Milliarde Dollar Privatvermögen investiert, um mit Captain Kirk (William Shatner) mal eben ins Weltall zu fliegen. Auch hierfür scheint die Nachfrage groß zu sein. Wie „DIE WELT“ berichtetet, soll der Amazon-Gründer bereits 100 Millionen Euro durch Ticketverkäufe für Flüge ins All eingenommen haben. Kritiker werfen den Milliardären vor, ohne Rücksicht auf das Klima und weitgehend ohne wissenschaftliche Forschungsinteressen sehr viel Geld zu verschwenden, das an anderer Stelle besser aufgehoben wäre.

Nachdenken vor dem nächsten Klick
Wenn Sie also das nächste Mal auf der Suche nach einem Produkt oder einem Weihnachtsgeschenk automatisch bei Amazon nachschauen, sollten Sie vor der Bestellung vielleicht noch einmal einen Moment innehalten und darüber nachdenken, an wen Sie Ihr teuer verdientes Geld bezahlen. Ihr Geld landet überwiegend bei einer amerikanischen Firma, die nur einen Bruchteil an Steuern hierzulande bezahlt. Die Macht von Amazon ist inzwischen so groß, dass die Stimmen, die eine strengere Regulierung oder gar eine Zerschlagung fordern, immer lauter werden. Vielleicht benötigt es aber dazu gar nicht die Politik, um die Marktmacht von Amazon einzugrenzen. Als Konsument hat es jeder selbst in der Hand, ob man das System von Jeff Bezos weiter unterstützt – oder doch lieber einen Händler aus der Region.