31. März 2017 | Kanal 70 in Worms:
Im Grunde ist es eine undankbare Aufgabe, eine Konzertrezension zu verfassen, ist es doch nahezu unmöglich, die besondere Atmosphäre, die aus der Interaktion von Publikum und Band besteht, in Worten einzufangen. Das gilt insbesondere für ausgesprochene Livebands wie die „Döftels“. Die stellten Ende März ihr langerwartetes zweites Album vor.
Dass der Kanal 70 am Ende des Abends einem schweißtreibenden Partykeller glich und das Publikum verschwitzt, aber glücklich zur After-Show-Party im Schwarzen Bär pilgerte, war Sänger Peter Englert alias Jim Walker jr. nicht von Anfang an klar. Sichtlich nervös zeigte sich der künstlerische Tausendsassa, als sich um halb acht die Kellerräume in der Hochheimer Straße nur zögerlich füllten. Gerademal eineinhalb Stunden später änderte sich die Situation und eine nicht unbeträchtliche Menge an erwartungsfrohen Fans musste vor den Türen des mittlerweile hoffnungslos überfüllten Kanal 70 warten. Bevor die Kultband mit dem Ö im Namen den Kanal rockte und mit ihrer Musik in die Blütezeit der Neuen Deutschen Welle entführte, warfen zwei Vorgruppen die musikalische Zeitmaschine an. Zum Auftakt rockten Uncle Herb, die an diesem Abend als Trio die Bühne enterten und mit den Zuschauern in die 90er reisten, als College Rock noch eine große Nummer war und Bands wie die Pixies oder Sonic Youth auf dem Zenit ihres Erfolges standen. Mit ihrem Gespür für eingängige Melodien und markante Riffs sorgten die drei jungen Männer für einen kurzweiligen Konzertstart. Aufgewachsen in den 80er Jahren machen die fünf Musiker der darauffolgenden Band, Supernova Plasmajets, keinen Hehl daraus, dass jenes Jahrzehnt ihren Musikgeschmack nachhaltig geprägt hat. Verwegene Frisuren, eine Frontfrau, die eine Verwandte von Doro Pesch sein könnte, und ein nicht zu übersehender Hang zu Kajal, ließen keinen Zweifel daran, dass die Mannheimer Band sich auch optisch dem „Hairmetal“ verpflichtet fühlt. Nun konnte der Rezensent dieser Zeilen schon im besagten Jahrzehnt nichts mit dieser musikalischen Spielart anfangen, so dass die Zeitreise auch an diesem Abend bei ihm nicht so recht funktionieren wollte. Das feierwillige Publikum indes, ließ sich bereitwillig in das Jahrzehnt der Geschmacksverirrungen mitnehmen. Genau in dieses Jahrzehnt luden schließlich auch die Gastgeber des Abends ein. Songs wie „Roboterliebe“ oder „Deine Mutter“, zeugten davon, dass Frontmann Englert und die Band ihre musikalischen Vorbilder bestens studiert haben. Prägnante Synthieflächen, eine Stimme, die entfernt an Hubert Kah erinnert, und funky Gitarrenakzente hauchten dem Titel des neuen Albums, „Neue Deutsche Disko“, musikalisches Leben ein, das natürlich in der Ära der Neuen Deutschen Welle verortet ist. Dem gegenüber standen Songs wie der Opener „Hyertonie“, der sich mit seinem Popappeal direkt in die Gehörgänge schmeichelte und sich dort mit seinem eingängigen Refrain festsetzte. Natürlich durften auch die Döftels All-time-Klassiker „Steil“ und das Hubert Kah Cover „Sternenhimmel“ nicht fehlen. Einen kleinen Wermutstropfen gab es dennoch. So musste die Band auf die stimmliche Unterstützung der Schauspielerin Cosma Shiva-Hagen verzichten, die auf dem Album Peter Englert bei dem Song „Tanzen!“ als Duettpartnerin zur Seite stand. Diese Lücke wurde jedoch von Anky charmant gefüllt. Selbstredend, dass der Titel des Songs hier Programm war.
FAZIT: In Studioform gepresst können die aktuellen Songs der Döftels durchaus eine Form der Hyperaktivität auslösen. Live hingegen sorgte das Set für gute Laune, ausgelassene Stimmung und unterstrich die famosen Livequalitäten der fünf Musiker, deren Songs zusätzlich durch einen dreiköpfigen Background-Chor verstärkt wurden. Konzert gelungen, Fans erschöpft.