Erweiterung des Logistikers TST sorgt für emotionale Diskussionen

Für das ehemalige Stadtratsmitglied Timo Horst war es die erste Bauausschusssitzung in seiner neuen Funktion als Baudezernent. Die hatte es dann auch gleich in sich, führten die Erweiterungspläne eines Wormser Logistikers doch zu erheblichen Kontroversen.

Die Vorgeschichte
Geplant ist das Vorhaben schon lange. Erstmals tauchte das Thema 2018 im Bauausschuss auf. Im Fokus steht eine neun Hektar große Ackerfläche, direkt neben der Kläranlage an der Einmündung des Autobahnzubringers auf die B 9. Dort möchte die Firma BS-Logistikzentrum GmbH für das Logistikunternehmen TST eine neue Lagerhalle bauen, in der wiederum Chemikalien der BASF gelagert werden sollen. Damals beschloss man die Änderung des Bebauungsplans, sowie Stellungnahmen der einzelnen Abteilungen einzufordern. Die Zeit verging, Stellungnahmen von den verschiedenen Abteilungen wurden erstellt und zudem beschloss der Stadtrat 2019 einstimmig auf Antrag von Bündnis 90/Die Grünen, dass die Stadtverwaltung zukünftig die Nutzung von Dachflächen für Photovoltaik, insbesondere bei Gewerbeimmobilien, prüfen solle. Das Dach des Logistikers, der in Worms rund 350 Mitarbeiter beschäftigt, umfasst eine Größe von 25.000 Quadratmeter. Eine Fläche, die es ermöglicht, rund 1.300 Haushalte mit Strom zu versorgen. Ebenfalls auf der Wunschliste auf dem Weg zu einem grüneren Worms: die Variante einer Dachbegrünung, sollte ein Solardach nicht möglich sein.

Viele Stellungnahmen, viele Sichtweisen
Zur Bauausschusssitzung am 16. November lagen nun endlich alle Stellungnahmen vor, einschließlich eines Schreibens der beiden Unternehmen TST und BS Logistikzentrum an den Oberbürgermeister ADOLF KESSEL. Während die meisten Abteilungen nur marginale Bedenken hatten, verwies die Umweltschutzbehörde auf die klimatische Bedeutung der Fläche. Die sei zwar einerseits als gering einzustufen, dennoch betonten die städtischen Experten die Bedeutung des Areals als Kaltluftentstehungsgebiet. Im Rahmen der Planung wurden daraufhin die Möglichkeiten einer Dachbegrünung für die neu geplante Halle intensiv geprüft. Das erfordere eine entsprechend angepasste Tragstruktur, was wiederum mehr Kosten bedeutet. Weiter heißt es in der Stellungnahme: „Eine ungenutzte versiegelte Flachdachfläche in dieser Größenordnung sei aufgrund der zahlreichen Nachteile für mehrere Umweltfaktoren und Schutzgüter nur schwer vertretbar. Eine sinnvolle Nutzbarmachung dieser Fläche wäre auch durch PV-Anlagen möglich.“ Demgegenüber hat allerdings die Feuerwehr Bedenken. Da an dieser Stelle geplant ist, entflammbare Chemikalien zu lagern, beurteilt die Feuerwehr eine Solaranlage auf dem Dach eher kritisch. So könne eine entsprechende Anlage immer eine Fehlfunktion aufweisen, wodurch es zu einem Brand kommen kann. Damit wäre eine Dachbegehung bei der Brandbekämpfung ohne Eigengefährdung nicht möglich.

Verbindliche Selbstverpflichtung
Ebenso wurde von der Umweltschutzbehörde darauf hingewiesen, dass sich das geplante Gefahrstofflager in einem Hochwasserrisikogebiet befindet. Das wiederum stuft der von der Stadt beauftragte Analytik-Dienstleister „Wesseling Quality of Life“ in seinem Gutachten als wenig problematisch ein, da man die Halle bei der Errichtung entsprechend anheben könnte und Hochwasserereignisse einen zeitlichen Vorlauf hätten. Natürlich entging auch den beiden Investoren FRANK SCHMITT und TIM BRAUER nicht die ausgiebige Diskussion, weshalb man sich in einem Schreiben an Oberbürgermeister Adolf Kessel wandte. Bezugnehmend auf verschiedene Gutachten kommen diese zum Schluss, dass sowohl Dachbegrünung als auch Photovoltaik nicht umsetzbar seien. Dafür versprechen beide in einer „verbindlichen Selbstverpflichtung“, dass man dazu bereit sei, an anderer Stelle eine Anlage zu errichten. Konkret geht es um eine Halle in der Petrus-Dorn-Straße, die allerdings nur eine Fläche von 9.000 Quadratmeter aufweist. Zudem bietet man an, das Pförtnerhäuschen sowie die Dachfläche eines nördlich gelegenen Erweiterungsgebäudes zu begrünen. Das geht wiederum der Umweltschutz- und Landwirtschaftsbehörde der Stadt Worms nicht weit genug und sie erklärt, dass grundsätzlich Stadtratsbeschlüsse nicht verhandelbar seien. Dabei verweist die Behörde auch auf die Diskrepanz zwischen dem freiwilligen Angebot und der eigentlich von der Stadt geforderten Fläche.

Vertrauen vs. Stadtratsbeschluss
Im Bauausschuss führte dieses Dilemma nun zu einer emotionalen Diskussion. So verwies RICHARD GRÜNEWALD darauf, dass das nun das erste Vorhaben des Stadtrats sei und man vor der Situation stehe, etwas durchzusetzen, was wohl nicht machbar sei. STEFFEN LANDSKRON (FWG/Bürgerforum Worms) kritisierte wiederum, dass man sich bei den Stellungnahmen Gedanken darüber gemacht hatte, was nicht geht, statt zu überlegen, wie man die Dinge möglich machen könne und ergänzte: „Das scheint aus Kostengründen nicht im Sinne des Investors zu sein. Das ist nicht befriedigend.“ CHRISTIAN ENGELKE (Bündnis 90/ Die Grünen) betonte, dass niemand den Investor zwinge, an dieser Stelle ein Gefahrenstofflager zu errichten. Den Plan, an anderer Stelle die Begrünung oder die PV Anlage zu errichten, sieht er nicht als zielführend, da der Eingriff ins Klima schließlich vor Ort und nicht in der Petrus- Dorn-Straße passiere. Dirk Beyer (SPD) verwies wiederum darauf, dass man die Investoren kenne und diese schon zum Wohle der Stadt gehandelt hätten und die SPD daher für einen Kompromiss plädiere. Mit energischem Tonfall verwies KLAUS KARLIN (CDU) darauf, dass 50 Prozent des Daches wegen der sensiblen Chemikalien mit technischen Anlagen belegt sei. Auch er spielte die Vertrauenskarte gegenüber den Wormser Investoren und forderte, dass man vertrauen müsse. Als Christian Engelke erneut das Wort erteilt wurde, beschwerte sich Karlin lautstark, woraufhin ihm aus den Reihen des Stadtrats ein „das ist halt Demokratie“ entgegengerufen wurde. Engelke erklärte an den Stadtrat gerichtet: „Wir diskutieren über Klimawandel, Hitzeoasen etc. und dann versiegeln wir wieder Flächen und setzen nichts entgegen.“ Der CDU unterstellte er, dass das Verhalten gegenüber dem Investor gemeinsamen Zeiten aus alten CDU Tagen geschuldet sei. Das quittierte Karlin wiederum mit einem hörbaren, er solle nun die Schnauze halten. Timo Horst fand sich wiederum schnell in der Rolle des Mediators und rief zur Mäßigung auf. Beschwichtigend ergänzte er abschließend, dass die Liste der Chemikalien tatsächlich diverse technische Sicherungsvorrichtungen benötige. Letztlich muss nun der Stadtrat am 15.12. eine abschließende Entscheidung treffen.

Anmerkung der Redaktion: In der Print-Ausgabe steht, dass die Fläche des geplanten Dachs 25.000 Hektar misst. Das ist nicht korrekt. Tatsächlich umfass das Dach eine Fläche von 25.000 Quadratmetern, nicht Hektar.