Ein Offener Brief von Montagsspaziergängern aus Worms

Auch wir Spaziergänger verfolgen die Medien und nahmen am 14. Januar mit großer Freude zur Kenntnis, dass sich die CDU und der Wormser Stadtvorstand sich gesprächsbereit zeigten. In einer Pressemitteilung haben wir gelesen, dass man keine Spaltung in der Stadt wolle und man immer eine Tür für Gespräche offen halte. Dass man besseres Verständnis füreinander wolle und Sorgen und Nöte ernst nehme. Diese Mitteilung machte uns Hoffnung, auch wenn sie uns fälschlicherweise als Anti-Demokraten oder gewaltbereite Extremisten bezeichnete. Umso härter traf uns der Schlag in die Magengrube, als wir am 19. Januar die Stellungnahme der CDU vernommen hatten, die den Eindruck erweckte, als haben die Unterzeichner beim Spaziergang am Montag keine Augen und Ohren vor Ort gehabt. Implizit wurde uns vorgeworfen, dass wir gewalttätig waren und keine Masken trugen. Eindeutig wird geschrieben, dass wir die Würde anderer Menschen verletzten und Hass und Verachtung streuten. Dass wir Polizisten verunglimpften und Hetze betreiben würden.

Diese Anschuldigungen sind einfach falsch und wahrscheinlich aus Unwissenheit entstanden, weswegen wir zu diesen Stellung beziehen möchten. Eine peinliche Falschmeldung wie diese hätten Sie sich ersparen können, wenn Sie am Montag vor Ort gewesen wären oder sich ein Bild der Spaziergänger durch die zahlreich existierenden Aufnahmen gemacht hätten. Die Spaziergänger sind friedlich durch die Innenstadt marschiert, ohne Zwischenfälle, die man als gewaltbereit hätte bezeichnen können. Ein Großteil der Teilnehmer hat während des Spaziergangs Maske getragen, obwohl viele von uns aus gesundheitlichen Gründen eine Befreiung vorlegen könnten. Während wir spazierten, riefen wir nach Frieden und Liebe für die Polizisten. Wir können beim besten Willen nicht erkennen, woher Ihre anhaltlosen Vorwürfe kommen und wie und ob Sie diese zu begründen gedenken. Wir sind keine unsolidarischen oder egoistischen Menschen, auch wir trauern um Opfer der Pandemie und sind dankbar für den unermüdlichen Einsatz der vielen Pflegekräfte und Ärzte.

Dennoch möchten wir mit Ihnen über Grenzen reden, die bereits vor dem 19. Januar überschritten worden sind. Eine Grenze war für uns bereits überschritten, als Menschen mit gesundheitlichen Leiden als unsolidarische Maskenverweigerer denunziert wurden. Eine weitere Grenze wurde überschritten, als das Aussetzen der Lohnfortzahlung für Ungeimpfte eingeführt wurde und Impfen nun eine finanzielle Entscheidung wurde. Eine Grenze wurde für uns überschritten, als Ungeimpfte zum egoistischem Treiber der Pandemie erklärt wurden auf Grundlage von Zahlen, die nicht stimmten. Eine Grenze wurde überschritten, als der Lockdown für Ungeimpfte beschlossen wurde und wir in die soziale Isolation gedrängt wurden. Auch wurde eine Grenze überschritten mit der Einführung der 3G-Pflicht am Arbeitsplatz, die uns dazu zwingt täglich unsere Gesundheit zu beweisen. Eine weitere Grenze wurde überschritten, als die Impfpflicht für Pflegeberufe eingeführt wurde und viele unserer Mitmenschen jetzt von einem totalen Einkommensausfall bedroht sind. Es sind zu viele Grenzen überschritten worden.

Wie viele Grenzüberschreitungen müssen wir noch dulden? Wie viele Maßnahmen müssen wir noch über uns ergehen lassen? Auf wie viele unserer freiheitlich demokratischen Rechte sollen wir noch verzichten? Und für wie lange? Wir sind Freunde des konstruktiven Austauschs auf Sachebene. Wir möchten Brücken bauen und die Spaltung in unserer Gesellschaft überwinden. Wir hören einander aufmerksam zu, bleiben friedlich und können unsere Entscheidung, uns impfen zu lassen oder uns nicht impfen zu lassen, rational begründen. Wir sind selbstbestimmt und halten unser Grundgesetz hoch. Das macht uns weder unsolidarischer, noch gefährlicher als unsere Geimpften Mitbürger. Wir bestehen auf die Einhaltung unserer  Menschenrechte, denn auch die Würde des Ungeimpften ist unantastbar. Doch statt sachlichem Dialog stellen wir immer wieder fest, dass wir in eine rechtsextremistische Ecke gestellt werden. Dass Hass und die Hetze über uns ausgeschüttet werden. Dass wir Diskriminierung und Ausgrenzung ausgesetzt sind, lediglich weil wir es vorziehen uns mit anderen Mitteln als mit einem neuartigem Impfstoff vor SARS COV2 zu schützen.

Aber auch viele Geimpfte spazieren mit uns, weil sie im guten Glauben feststellen mussten, dass ihr Opfer, ihr Risiko, das sie getragen haben, andere nicht schützt und sie selbst bei weitem nicht so gut schützt wie angepriesen. Oder weil sie aufgrund der Maßnahmen nicht Ihre Angehörigen in Pflegeheimen und Krankenhäusern begleiten konnten, als diese leider von uns gingen. Oder weil sie nicht wollen, dass ihre Kinder, deren Immunsystem sich noch im Aufbau befindet, mit völlig neuen Vakzinen und mit ungewissem Ausgang behandelt werden. Ganz zu schweigen von den negativen Folgen von Homeschooling, Vereinzelung oder Vernachlässigung.

Aus diesen Gründen und auch aus vielen Weiteren, gehen wir jeden Montagabend spazieren. Und wir werden auch weiterhin montags abends spazieren gehen. So lange, bis Pflegekräfte nicht nur beklatscht werden, sondern unter vernünftigen Arbeitsbedingungen ihre wichtige Arbeit verrichten können. So lange, bis Krankenhausbetten nicht mehr abgebaut werden, sondern für alle Menschen bereit stehen, die welche benötigen. So lange, bis diskriminierende G-Regelungen abgeschafft sind und ausgewogene Maßnahmen im Kampf gegen das Virus ergriffen worden sind. So lange, bis wir uns wieder sicher sein können, dass eine Impfentscheidung absolut freiwillig ist und niemand mehr durch Maßnahmen dazu gedrängt wird. So lange bis die Politik ihre Bürger wieder ernst nimmt und sich als Dienstleister versteht, anstatt den Bürger zu beschimpfen und zu belehren. So lange, bis unsere Freiheitsrechte wiederhergestellt sind und ernst genommen werden.

Sind Sie immer noch bereit Sorgen und Nöte ernst zu nehmen? Stehen Sie weiterhin für mehr Verständnis füreinander ein? Ist Ihre Tür immer noch offen für ein Gespräch? Sind Sie wirklich daran interessiert, die Spaltung in der Stadt nicht weiter anzuheizen? Wir sind auf jeden Fall dazu bereit mit Ihnen zu reden, zu diskutieren und uns sachlich auszutauschen. Auf den Spaziergängen ist jeder Mensch willkommen. Egal ob alt oder jung, Migrant oder Einheimischer, links oder rechts, hetero- oder homosexuell, männlich, weiblich oder divers, Politiker oder Arbeiter. Sind wir auch noch bei Ihnen willkommen, Herr Metzler, Frau Schäfer, Herr Kessel, Frau Lohr, Herr Abstein, Herr Burkhard, Herr Conrad, Herr Dr. Scheurer, Herr Unger und Herr Wagner? Wir freuen uns sehr, Sie zu einem Gespräch begrüßen zu dürfen. Sie finden uns jeden Montagabend auf der Straße

Anmerkung der WO! Redaktion: Da es sich bei dem offenen Brief um eine direkte Antwort auf zwei zuvor veröffentlichte Pressemitteilungen (Links siehe unten) handelt, haben wir uns dazu entschlossen, dieses Schreiben zu veröffentlichen. Der Autor ist der Redaktion namentlich bekannt, bittet aber um Anonymität. Für Inhalt und Orthografie übernimmt die Redaktion keine Verantwortung.

https://wo-magazin.de/dialog-mit-den-spaziergaengern-erwuenscht-stadtvorstand-zeigt-sich-gespraechsbereit/

https://wo-magazin.de/grenze-ist-ueberschritten-wo-kritik-in-hass-und-verachtung-umschlaegt/