22. Juli 2013
Lincoln Theater:

Seit Jahren schon lädt die Nibelungenhorde im Rahmenprogramm der
Festspiele zu einem Sommerworkshop ein, an dessen Ende auf der
Bühne des Lincoln Theaters das fertige Stück gezeigt wird.

Für ihre Auseinandersetzung mit anspruchsvollen Stoffen bekannt, beschäftigte sich die Theatergruppe in diesem Jahr mit dem umstrittenen Jugendbuch „Nichts – was im Leben wichtig ist“ der dänischen Autorin Janne Teller. Erzählt wird darin die Geschichte des 13-jährigen Pierre Anthon, der am ersten Tag nach den Sommerferien feststellt, dass das Leben nur ein Spiel sei und deswegen auch keinen tieferen Sinn hätte – oder wie er es formelhaft zusammenfasst: „Geburt, Schule, Arbeit, Tod“. Der Junge packt daraufhin seine Tasche und beschließt, sich auf einen ausladenden Pflaumenbaum zurückzuziehen. Seine Klassenkameraden zeigen sich verstört und irritiert von Pierre Anthons nihilistischen Thesen und fassen den Gedanken, dass sie ihn davon überzeugen müssen, dass das Leben sehr wohl eine Bedeutung hat. Kurz darauf fangen sie an, im alten Sägewerk allerhand Sachen zusammenzutragen, die ihnen von Bedeutung sind. Anfangs sind das noch harmlose Gegenstände wie Beatles Kassetten oder Boxhandschuhe. Doch schon bald erkennt die Gruppe, dass dies alles materielle Dinge sind, die keine tiefere Bedeutung haben. Jetzt muss reihum, jeweils bestimmt von den Mitschülern, jeder sein Liebstes, sein Allerliebstes, opfern. Egal wie weh es tut, egal was die Folgen sind, oder wie ungeheuerlich es ist – und von diesem Augenblick an, da der Geheimplan sich mit Machtspiel, Gruppendynamik und unterschwelligen Konflikten, vermischt, läuft das Kinderspiel in atemberaubender Geschwindigkeit, wie ein Strudel, dem nichts und niemand entkommen kann, völlig aus dem Gleis. Wieder einmal war es absolut beeindruckend zu sehen, was das Team der Nibelungenhorde in dieser kurzen Zeit auf die Beine gestellt hat. Unter der Regie von Uwe John zeigten die jugendlichen Darsteller großartige Leistungen, was gerade in Anbetracht dieses schwierigen und vor allem kontroversen Stoffs nicht genug betont werden kann. Gelungener Einfall war dabei die symbolhafte Inszenierung, durch die man das Ungeheuerliche der geschilderten Taten darstellen konnte, ohne plakativ zu wirken. Mit Klebeband wurden die unfreiwilligen Opfer der Jugendlichen betont. Als zum Beispiel einem Mädchen die langen Haare abgeschnitten werden, wurde dies durch das Verkleben der Haare mit der Schulter visualisiert. Mit Spannung darf man in Anbetracht dieser Werkschau der eigentlichen Premiere, die am 10. Oktober ebenfalls im Lincoln stattfindet, entgegenschauen.

Fazit: Erneut ein überzeugender Beitrag der Nibelungenhorde, der neugierig auf die bevorstehende Premiere im Oktober machte.