Seit diesem Frühjahr führt die Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz archäologische Ausgrabungen im Synagogenbezirk der Stadt Worms durch. Die Grabungsarbeiten sind durch die Vorbereitung von Sanierungsmaßnahmen veranlasst, die für den Erhalt der Mikwe und der Synagoge notwendig sind. Die Gebäude stammen aus dem 12. Jahrhundert und sind seit Teil des Weltkulturerbes „SchUM“.

Kürzlich wurde über der Grabungsstelle ein Winterdach errichtet, das die Mikwe selbst und zahlreiche neue Funde vor den Witterungseinflüssen schützt. Zum Abschluss der diesjährigen Grabungsarbeiten lud Oberbürgermeister Adolf Kessel zu einem Pressetermin in den Synagogengarten ein. Die Leiterin der Landesarchäologie Mainz Dr. Marion Witteyer und der Mittelalterarchäologe Holger Grewe von der Forschungsstelle Ingelheim berichteten über ihre neuen Entdeckungen.

Beim Bodenabtrag über der Mikwe stießen die Archäologen in den oberen Deckschichten auf zahllose Zeugnisse von der gewaltsamen Zerstörung der jüdischen Kultbauten durch die Nationalsozialisten 1938 und 1942 und von der Enttrümmerung und dem Wiederaufbau 1957 bis 1961. Erst nach dem Abtrag dieser Bauschutthorizonte offenbarte sich, dass im „Bodenarchiv“ unerwartet viele Zeugnisse der jüdischen Gemeinde Worms aus dem Mittelalter erhalten sind.

So haben die Archäologen tief gegründete Fundamente entdeckt, die von untergegangen Bauten über und neben der Mikwe herrühren. Eine   dieser Mauern wurde auf das Gewölbe der Mikwe aufgesetzt. Sie markiert eine über zehn Meter lange Baulinie zwischen der Synagoge und dem Raschi-Haus. Ihre Datierung ins späte 12. Jahrhundert konnte bereits durch das Fundmaterial geklärt werden. An anderer Stelle wurden zwei Mauerwinkel freigelegt, die von einer mittelalterlichen Überbauung des unterirdischen Zugangs in die Mikwe herrühren. Ob auch diese Strukturen aus dem Hochmittelalter stammen und vielleicht zur ursprünglichen Ausstattung des Kultbades zählen, können die Archäologen an den Funden wie zum Beispiel Keramikscherben analysieren, die jetzt im Winter gewaschen und ausgewertet werden müssen.

Die Ausgrabungen werden im Sommer 2022 fortgesetzt. Sie folgen den Vorgaben von Architekten, Restauratoren und Tragwerksplanern, die diese Bodenaufschlüsse benötigen, um den Ursachen für Setzungsrisse und andere Bauschäden auf den Grund gehen zu können. Schon jetzt ist klar geworden, dass sich die Geschichte eines der ältesten jüdischen Kultbezirke Europas bald in einem helleren Licht präsentieren wird.

Bildunterschrift:

1: Mittelalterarchäologe Holger Grewe erläutert die ersten Forschungsergebnisse in der Mikwe. Im Hintergrund zeigt sich die Synagoge in Worms. Quelle: Stadt Worms.

2: Nahaufnahme der Grabungsarbeiten in der Mikwe in Worms. Quelle: Stadt Worms.