WO! im Gespräch mit Stephanie Lohr (Dezernentin Sicherheit und Ordnung, Bürgermeisterin)

Seit 1. November ist sie die neue Dezernentin für Sicherheit und Ordnung und zugleich auch als Bürgermeisterin die Stellvertreterin des Oberbürgermeisters, die 37-jährige Stephanie Lohr. Zuletzt begleitete sie politisch das Amt der Ortsvorsteherin in Abenheim und war Kreisvorsitzende der CDU. In den Fokus der Öffentlichkeit rückte sie erstmals, als sie die Nachfolge von Adolf Kessel im Landtag antrat. Bei den Landtagswahlen in diesem Jahr schaffte die Juristin allerdings nicht den Wiedereinzug und kehrte wieder in ihre alte Tätigkeit als Fachbereichsleiterin Personalbetreuung zurück. Seit dem 1. November ist ihr Arbeitgeber nun die Stadt Worms.

WO! Sie sagten in Ihrer Rede vor dem Stadtrat, dass wir in einer herausfordernden Zeit leben. Was genau meinten Sie damit? Was sind für Sie die herausfordernden Themen?
Zuvorderst steht da erst mal die Großwetterlage in Deutschland mit den drei großen Herausforderungen Klimapolitik, Corona und die Veränderung der Gesellschaft. Heruntergebrochen auf Worms stellt sich mir in Bezug auf die gesellschaftlichen Veränderungen zunächst die Frage, wer eigentlich heute der durchschnittliche Wormser ist? Früher war das deutlich einfacher zu beantworten. Die Menschen arbeiteten zumeist in der Umgebung, engagierten sich im Verein, waren Zeitungsleser und lebten seit mehreren Generationen hier. Heute ist dieser Typus wahrscheinlich die Minderheit in der Bevölkerung. 38 Prozent der Menschen in Worms haben wiederum Migrationshintergrund. Zudem ist ein Problem, dass die Vororte an Infrastrukturen verlieren, weil z.B. Bäcker und Metzger keinen Nachfolger finden. Gleichzeitig ist Wohnraum gerade für Familien in den Vororten knapp und wird immer teurer, sodass junge Familien ins Umland oder in die Stadt ziehen. Außerdem neigt unsere Gesellschaft dazu, Schuldfragen recht schnell zu klären und mit dem Finger auf die Politik zu zeigen, während im gleichen Atemzug offenbar die Eigenverantwortung abnimmt. Als Dezernentin habe ich natürlich eine Vorbildfunktion und hoffe, mit meiner positiven Grundstimmung etwas bewegen zu können. Tatsächlich spüre ich im Moment schon eine hohe Erwartungshaltung mir gegenüber.

WO! Können Sie uns ein Beispiel nennen, wie man insbesondere junge Menschen zu mehr Identifikation mit der Stadt bewegen kann?
Vielleicht ist es eine Illusion von mir, aber ich glaube, dass man Menschen gewinnen kann, wenn man sie einbindet. Warum zum Beispiel nicht junge Leute damit beauftragen, Graffiti-Wandbilder zu gestalten? Wer ein Kunstwerk schafft, wird sicherlich nicht im Anschluss die Wand beschmieren. Ganz in diesem Sinne möchte ich ohnehin mehr die Jugend einbinden. In meiner Vorbereitung auf meine neue Aufgabe habe ich auch mit dem Wormser Jugendparlament gesprochen. Dabei haben wir verabredet, dass wir zwei Veranstaltungen pro Jahr gemeinsam koordinieren wollen.

WO! Ein Satz, der nachklang, lautete: „Eine Bürgerschaft, die sich der Stadt verpflichtet fühlt, lässt eine Stadt nicht vermüllen!“. Was, wenn es zur Wahrheit gehört, dass sich ein Teil der Bevölkerung eben nicht verpflichtet fühlt?
Natürlich ist mir bewusst, dass es in Worms durchaus Formen der Parallelgesellschaften gibt, insbesondere in Bevölkerungsgruppen mit einem anderen kulturellen Hintergrund. Aus diesem Grund habe ich gerade am Tag der offenen Moscheen mit Wormser Muslimen, unter anderem einer Frauengruppe, das Gespräch gesucht und sie gefragt, wie sie Worms wahrnehmen. Ich glaube, dass ein gegenseitiger Austausch ein wichtiger Schlüssel ist: Wir müssen annehmen, dass unsere Gesellschaft bunter und vielfältiger wird. Ich möchte, dass wir dabei unverkrampfter und mutiger werden. Das heißt auch, dass wir die Herausforderungen deutlich benennen und wir offen darüber sprechen, was in den letzten Jahren gut und weniger gut bei der Integration gelaufen ist. Ich wünsche mir aber auch, dass wir als Stadtgesellschaft offener und neugieriger gegenüber dem bisher noch Unbekannten werden. So finde ich die Idee von Peter Englert, dass wir ein Dönerfest in der KW feiern, immer noch eine gute Idee, um Barrieren abzubauen und Menschen zusammenzubringen.

WO! Ebenfalls sagten Sie, dass Sie es als Auftrag betrachten, Menschen die Angst vor der Veränderung zu nehmen. Wie kann das geschehen?
Mir ist klar, dass es im Wesen des Menschen liegt, Veränderungen zunächst mit Skepsis zu begegnen. Um diese Ängste abzubauen, ist es notwendig, viel zu kommunizieren und das sehe ich wiederum als eine der Hauptanforderungen an meinen Job. Das betrifft in gleichen Teilen meine neuen Mitarbeiter/innen, als auch Stadtrat und die Bürgerschaft. Der Stadtvorstand, zu dem auch die weiteren Dezernenten und der Oberbürgermeister gehören, ist eine Führungsmannschaft, die Sicherheit schaffen muss. Der Weg muss dabei klar definiert sein. Ein wichtiger Prozess liegt hierbei auch in der Innenkommunikation. Dadurch, dass alle Sitzungen öffentlich sind, wird vieles nicht mehr gesagt, da die Mitarbeiter/innen der Verwaltung Angst haben, dass Dinge zu schnell in der Presse veröffentlicht werden. Dadurch ist eine gewisse Form der Stagnation eingetreten.