Abschlussbericht „Wormser Innenstadt morgen, übermorgen“ soll Innenstadt retten -

„Worms wird Wow“ titelten wir auf unserer WO! Ausgabe März 2022. Mit Zynismus und Ironie reagierten nicht wenige Leser/innen auf den Slogan, der als politisches Signal gedeutet werden kann, dass man nun die Ernsthaftigkeit der Innenstadtprobleme unmissverständlich erkannt habe. Wie das gelingen soll, dafür wurde nun ein Maßnahmenkatalog erstellt.

Eigentlich sind die Probleme seit vielen Jahren bekannt. Oft wurden im Stadtrat, in der Zeitung oder in unserem Magazin darüber gesprochen oder geschrieben. Lippenbekenntnisse, mehr für die Innenstadt zu tun, gab es genauso viele wie eigenwillige Entscheidungen zum Wohle von Investoren und zum Schaden der Gewerbetreibenden in der Fußgängerzone. Fast schien es, als seien letztlich alle Akteure mit dem Status Quo doch irgendwie zufrieden. Dann kam das Kaufhof Aus. Die Zeichen für diese Entwicklung waren da, doch wahrhaben wollte sie niemand. Als sei man nun aus der Schockstarre erwacht, begann man emsig Arbeitskreise zu bilden und signalisierte den Bürgern, endlich verstanden zu haben. Und so wurde aus dem „Arbeitskreis Kaufhof“ die Idee geboren, weitere Arbeitskreise zu bilden, um schließlich Ende Februar einen Maßnahmenkatalog vorzulegen. Betitelt mit „Worms, Innenstadt morgen und übermorgen“ soll dieser der Verwaltung und der Politik Wege zu einem zukunftsfähigen Worms aufzeigen. Sieben Themenfelder wurden benannt, die mit Akteuren des Stadtmarketing, Verwaltung, IHK und Gewerbetreibenden besetzt wurden. Das Ergebnis wurde in einem Abschlussbericht zusammengefasst. Auftrieb und Hoffnung gab und gibt es zudem durch einen Förderbescheid des Bundes. So kann die Stadt im Laufe der nächsten Jahre aus diesem Topf insgesamt 2,3 Millionen Euro abrufen (wir berichteten). Das wird wahrscheinlich aber nicht reichen, um die Visionen, die in diesem 27-seitigen Papier präsentiert werden, umzusetzen.

VIEL GELD FÜR EIN KONZEPTPAPIER

Unabhängig vom Inhalt sorgt das Papier bereits ob seiner Kosten für Staunen. SPD Stadtratsmitglied Ralf Lottermann wollte im Novem- ber 2021 wissen, wie viel Geld des Innenstadtbudgets bereits ausgegeben wurde. Zu diesem Zeitpunkt waren die Arbeitskreise beendet und der Abschlussbericht in der Fertigstellung. Gingen bis dato zahlreiche Stadtratsmitglieder davon aus, dass die „Kaufhof-Gespräche“ über das Stadtmarketing organisiert wurden, zeigte sich in der Antwort, dass dies zwar einerseits der Fall war, was aber den Stadtsäckel dennoch ordentlich Geld kostete. So wurden für die Moderationsleistung stolze 7.500 Euro in Rechnung gestellt. Der Abschlussbericht kostete wiederum Bürger und Stadt satte 7.092 Euro, wovon für eine nette, aber an sich überflüssige Illustration alleine schon rund 4.700 Euro berechnet wurden. Viel Geld, mit dem man sicherlich bereits die eine oder andere Aktion in der Stadt hätte finanzieren können. Doch dabei bleibt es nicht, denn parallel zu den Arbeitskreisen engagierte man im Sommer 2021 eine junge Mainzer Agentur, „hier und jetzt“. Diese entwickelte ebenfalls ein Innenstadtkonzept, wenn auch etwas weniger umfangreich, und stellte zudem, nach Aussage der Stadt, gemeinsam mit der Wirtschaftsförderung der Stadt Worms die Anträge für die Fördermittel. Zum Stand November 2021 beliefen sich die Kosten hierfür auf rund 14.700 Euro.

AUF DER SUCHE NACH REFERENZEN

Verwundert über die Tatsache, dass parallel zu den Arbeitskreisen eine Agentur ebenfalls an einem Konzept arbeitete, stellte die Stadtratsfraktion FWG/Bürgerforum Worms diesbezüglich eine Anfrage. Zudem möchte man wissen, welche Referenzen die Agentur in Bezug auf Innenstadtentwicklung aufweisen kann (die Antworten lagen zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses noch nicht vor). Die Homepage der Agentur selbst gibt darüber nur wenig Aufschluss. Zwar hat man einige leerstehende Geschäfte in Mainz mit Pop Up Stores belebt und in Corona Zeiten einen günstigen Lieferservice für den Mainzer Einzelhandel organisiert, um, wie Geschäftsführer Marco Fried- man auf der Homepage der IHK Rheinhessen erklärt, „den Ladenschließungen etwas entgegenzusetzen“, doch damit erübrigen sich bereits die Referenzen auf der Internetpräsenz. Nun sind Pop Up Stores oder Bühnen im Jahre 2022 nicht gerade das neueste Ding, zumal in Worms der Pop Up Verein dies in den vergangenen Jahren bereits ehrenamtlich auf den Weg gebracht hatte. Dennoch setzt auch das Konzept der Agentur genau auf jenen Aspekt. In Anbetracht der Leerstände ist dies sicherlich ein Konzept für eine Zeit, die hoffentlich nur ein Übergang ist, bis womöglich Worms widererwartend neu erblüht.

VERSÄUMNISSE DER VERGANGENHEIT 

Pop Up Stores sind auch ein wesentlicher Baustein des Berichts „Wormser Innenstadt morgen, übermorgen“. Vorgesehen ist, mit Hilfe der Fördergelder (in diesem Jahr werden 814.000 Euro überwiesen) interessierte Händler/innen bei Kurzzeitmieten finanziell zu unterstützen. In Anbetracht der mittlerweile großen Zahl an Leerständen dürfte es jedoch eine Herausforderung sein, diese entsprechend zu füllen. Konkurrenz bekommt diese Idee zudem von den Elefantenhöfen und dem zukünftigen Matadero am Rhein, die ebenfalls auf ein Pop Up Store Konzept setzen. Langfristig empfiehlt der Bericht, den Branchenmix in der Innenstadt zu verbessern, indem die Stadt gezielt an potentielle Handelsgeschäfte oder Gastronomen herantritt. Auch das ist ebenfalls keine neue Idee, bei der man sich verwundert fragen kann, warum das in den vergangenen Jahren vor Corona nicht schon längst passiert ist? Überhaupt fasst der Maßnahmenkatalog vieles zusammen, was richtig ist und bereits in der Vergangenheit immer wieder angesprochen oder gefordert, aber dennoch nicht angegangen wurde. So regt der Bericht an, über Bebauungspläne den Branchenmix in der Innenstadt zu steuern. Damit soll verhindert wer- den, dass zu viele Geschäfte mit dem gleichen Angebot dicht nebeneinander angesiedelt werden. In früheren Jahren von unserem Magazin darauf angesprochen, wurde diese Idee von der Politik immer wieder als zu kompliziert in der Umsetzung verworfen. Ebenso alt ist die Erkenntnis, dass man die Immobilieneigentümer einbinden muss. Da dies in der Vergangenheit nur teilweise geklappt hat, erhofft man sich nun Besserung, in dem man eine neue Stelle schafft, die ebenfalls aus dem Fördertopf gespeist wird und an das Stadtmarketing angeschlossen werden soll.

VIEL ÜBERMORGEN, ABER WENIGE IDEEN FÜR MORGEN

Was in der Diskussion um die Wormser Innenstadt auffällt, ist, dass Politik und Verwaltung immer wieder dazu neigen, Konzept um Konzept anzuregen, die oftmals den Eindruck erwecken, nebeneinander statt miteinander zu existieren. Dies erkannte auch Tourismusdezernentin Petra Graen, die in einem Pressegespräch (https://wo-magazin.de/auf-dem-weg-zum-deutschen-top-tourismusziel/) ankündigte, dass man nun vor der Herausforderung stehe, die unterschiedlichen Konzepte zusammenzuführen. Es ist zu befürchten, dass hierzu erneut ein Arbeitskreis notwendig ist. Ins Leben gerufen wurde schon mal der Lenkungskreis Innenstadt, in dem auch Mitglieder des Stadtrates eingebunden sind. Benedict Schulz (CDU), Dirk Beyer (SPD) und Peter Englert (FWG/Bürgerforum Worms) sollen hierbei nicht nur frische Ideen einbringen, sondern zugleich auch über das Geld der Bürger/innen wachen. Spannend wird zudem sein, ob es den vielen Kreisen und Konzepten gelingt, nicht nur das „Worms von übermorgen“ zu skizzieren, sondern auch das „Worms von morgen“. Die Ambitionen sind groß, Sofortmaßnahmen, abseits von Pop Up Stores und verkaufsoffenen Sonntagen, allerdings rar. Ansätze sind vorhanden, doch die müssen endlich ausgebaut werden.

Text: Dennis Dirigo

Foto: Andreas Stumpf