Autorin: Christine Ziegler
13. November 2014
Das Wormser (Mozartsaal) in Worms:
1.250 Menschen, versammelt auf einer Fläche von 814 qm, geschätzte 500 Handpaare schwenken in der Luft, Blumen auf Hemden, Blumen in Händen, Blumen im Haar, wallende Kleider und Blusen, Fell an Westen, Fell an Hosen, billige Perücken, bunte Sonnenbrillen. Neun Männer in Glitzeranzügen, eine blonde Fönwelle in Glitzer, Plateau und Brusthaartoupét werden mit den Worten „Wunder gibt es immer wieder“ besungen. Mein erstes Mal Dieter Thomas Kuhn. Noch nie da gewesen, ich wurde überzeugt, dass ich „DAS mal miterleben muss“…Und nun stehe ich da. Inmitten dem ganzen Gewusel. Ich wusste, was mich erwartet, dennoch…
Ich selbst, von meinen Kolleginnen mit „Kuhn-look-alike-Fummel“ versorgt, kam mir vor wie ein explodierter Farbkasten. Punkt 20 Uhr. Wie üblich bei seinen Auftritten mit dem Intro von „Musik ist Trumpf“ aus der bekannten Kultshow mit Moderator Peter Frankenfeld, die einst Fernsehgeschichte geschrieben hat. Der Wahnsinn beginnt. Der Opener des Abends, „Sag mir quando, sag mir wann“ beginnt. Die Stimmung ist direkt da und schon besser als bei manchen anderen Konzerten bei den Zugaben. Bei mir ebenfalls – noch. Wie sich später herausstellen sollte, liegt das darin begründet, dass mein Chefredakteur Fan einer Handvoll Songs ist, die er immer wieder zu hören pflegt, untermalt von schwingenden Armen durch die Redaktion tänzelnd. Angefangen haben die Jungs auf der Bühne in ihren knalligen Outfits vor knapp 20 Jahren in einer Tübinger Kneipe, in Form einer italienischen Kombo – Thomas Kuhn (bürgerlicher Name) im Background. Allerdings nicht lange, denn die Formation brach nach nur zwei Auftritten auseinander. Der Grund: Anschuldigungen, Kuhn habe ein Verhältnis mit der Frau des Sängers gehabt. Fortan (seit 1994, um genau zu sein) traten sie mit Goldie am Mikrofon auf. Worüber sie sich direkt einig waren: es sollten Schlager sein. Die schnellen Nummern schneller gespielt, die langsamen langsamer, das Ganze ein wenig abgeändert und fertig war das Gartenhäuschen! Das war zwar verwunderlich, da sich die Band zuvor eher in den Sphären des Punk, Rock und Soul bewegte, wohingegen Kuhn mit Peter Maffay oder der ZDF Hitparade aufgewachsen war und darin Inspiration fand. Mindestens genauso verwunderlich ist, dass man auf einem Kuhn-Konzert jede Menge Leute trifft, die im Normalfall brüskiert die Frage verneinen würden, ob sie privat Schlager hören.
Ich schlug mich mittlerweile mehr schlecht als Recht durch die Lieder. Durchaus beeindruckt von Einlagen mit Pyrotechnik und glitzernden Diskokugeln ertappte ich mich dabei, auf die Uhr zu sehen. Oh neeeeeiiiin! Jetzt beschallen auch noch die Noten von „Hey Amigo Charly Brown“ den Raum. Das gefällt mir von Jürgen Drews nicht. Das kann offensichtlich ein DTK auch nicht ändern. Bei „Schön ist es auf der Welt zu sein“ wünschte ich mir an dieser Stelle doch lieber Roy Black mit seinen dunklen Haaren, rehbraunen Augen und seinem, liebevoll genannt ,„face-ass“ (=Grübchen im Kinn) auf die Bühne. Aber zum Abfeiern? Nach einem „Über den Wolken“ mit einem tobenden Publikum folgte mit einem Ramazotti für die komplette Mannschaft das Einläuten zur Halbzeit mit „Die kleine Kneipe“. Ramazotti? Ja, danke, ich nehm auch einen! Nach einer „herzzerreißenden“ Version (O-Ton Chef) von „Und es war Sommer“ machte sich Kuhn bei „Fremde oder Freunde“ auf einen Selfie-Attac-Weg mitten durchs Publikum. Auch meine liebe Kollegin Nani blieb nicht verschont und wurde mit einem feucht-heißen Kuss für ihre Fan-Treue belohnt. Reichlich herbei geklatschte Zugaben fehlten genauso wenig wie jede Menge willige Frauen, die standesgemäß bei „Ti amo“ die Bühne enterten. Zwar nicht ganz so crazy wie 1999 beim Abschlusskonzert (da kündigte DTK seinen Rücktritt an, um dies im Dezember 2004 wieder zu verwerfen und mit einer spektakulären Tour durch die großen Hallen Deutschlands zurückzukehren), als eine Frau auf die Bühne kam, sich ihres Kleides entledigte und splitterfasernackt vor ihm stand. Nach beschaulichen Minuten alleine am Flügel bei „Solang man Träume noch leben kann“ noch mehr Zugaben, nach der traditionellen Schlussnummer „Tränen lügen nicht“ noch ein anerkennendes „Worms wir lieben Eeeeeeeeeeuch“ und ab ging es zur anschließenden Aftershow-Party im L5 (ehemaliges „Violet“). Ich selbst habe die Aftershow-Party nicht mehr erlebt. Ein Vögelchen hat mir berichtet, dass es seit langem mal wieder so ein richtig schöner Abend gewesen sei. Und remember: In vino veritas und so 😉
Fazit: Super Party Abend, wenn man entweder:
? generell auf Schlager steht
? auf DTK steht
? auf Schlager in Verbindung mit DTK steht
? oder sich bis unter die Dachkante betrinkt, bis einer der drei Punkte eingetroffen ist.
Bei mir traf keiner der Punkte zu. Kollegen und Freunden hat es gefallen, soll in Zukunft auch ein von Freunden erzähltes Erlebnis bleiben. Bei mir bleibt es bei nicht mehr als einem „One-Night-Stand“. Ich mag Schlager nicht und ich mag Schunkeln nicht, das kann auch ein DTK nicht ändern – sympathisch hin oder her. Da müsste schon Steven Tyler unsere deutschen Schlager anstimmen, um mich zu überzeugen. Oder um es mit den Worten von Stefanie Kloß von Silbermond bei „The Voice of Germany“ zu sagen: „Sorry Thomas, Du hast mich einfach nicht abgeholt!“