Liebe Leser,
Jahresrückblicke sind ja meist das Schlimmste, was die Medienwelt gerade noch so im Jahres- endzeitstress hinbekommt. Hatten Sie mal vor Weihnachten oder zwischen den Jahren den Fernseher laufen? Ein nichtssagender Rückblick nach dem anderen von „Stern TV“, über diverse Talkshows, hin zu irgendwelchen Lifestyle Magazinen. Jeder will nochmal schnell seinen Senf zum alten Jahr loswerden und die Redaktionen haben halt auch einfach keine Ideen mehr.
Ich habe ein Gedächtnis wie ein Sieb und musste erstmal den gesamten Kalender durchforsten, um herauszufinden, was ich letztes Jahr überhaupt gemacht habe. In absoluten Zahlen hatte ich 2023 genau 67 Auftritte als Schauspieler, DJ oder Moderator, 52 Sitzungen bezüglich Stadtrat oder Vereinsleben, habe 20 Artikel, inklusive Kolumnen, für das WO! Magazin geschrieben und konnte 20 Tage Urlaub feiern. Mensch, da war was los oder? Aber auch hier ist es doch so, dass man sich nur an besondere Dinge oder Vorkommnisse erinnert. An besonders geile Partys, Vorstellungen, bei denen irgendwas Ungewöhnliches passiert ist und natürlich an Auftritte mit der Band, die irgendwie besonders viel Glückshormone ausgeschüttet haben. Letzen Endes behalten wir das extrem Gute und das extrem Schlechte im Kopf, das Schlechte aber auch nur, wenn es uns wirklich irgendwie nachträglich erschüttert hat.
Dauernd höre ich auch im Zusammenhang mit der politischen und gesellschaftlichen Entwicklung in Deutschland, das „früher“ alles besser gewesen sei. Zum einen höre ich bei diesen Aussagen immer ein wenig Angst vor Veränderungen und der Zukunft heraus, zum anderen weist diese allgemeine Theorie gewaltige Lücken auf. 2022 war ja demnach besser als 2023. 1996 besser als 2001. Die 1980er generell cooler als die 1990er und absolutes Glück war schon fast 1972. Allerdings nicht so gut wie 1971. Wenn wir diese Kette mal zurückführen, kommen wir irgendwo bei Adam und Eva im absoluten Paradies an und es wurde fortlaufend schlechter und das alles wegen eines Apfels und einer sprechenden Schlange. Also mal ehrlich, was ein Quatsch! Wir Menschen sind eben sehr gute Verdränger. Fortschritt und Wohlstand nehmen wir gerne einfach so hin und keiner von uns erinnert sich an Dinge, die anfangs noch nicht so funktioniert haben. Wenn ich einen geilen Gig habe, weiß ich drei Wochen später nicht mehr, dass der Soundcheck mega stressig war und ich eigentlich eine absurd miese Laune an diesem Tag hatte. Aus diesem Grund fällt es ja auch oft so schwer, sich selbst zu reflektieren und Dinge zukünftig besser zu machen.
Aber jetzt mal kurz zu Worms. An was erinnern Sie sich denn aus dem Jahr 2023? Vielleicht an das Projekt „Worms wird wow“, das sich mit den grünen Zimmern, den Liegestühlen und der Worms Schrift einiges an Häme in den sozialen Netzwerken gefallen lassen muss, aber trotzdem aktiv bleibt? Oder erinnern Sie sich an das ehemals geplante Gewerbegebiet Mittelhahntal, was dank einer Mischung aus Bürgerprotesten, schlechter Kommunikation und Klimagutachten schneller zusammengeklappt ist, als dass der OB das Wort „Gewerbesteuer“ sagen kann? Vielleicht aber auch an den jüngsten Brand am Dom-Hotel, dessen Ursache bis heute nicht feststeht und den Bewohnern der Innenstadt eine mehr als schlaflose Nacht bereitet hat. Eventuell hat Ihnen auch die Stadtpolitik Kopfzerbrechen bereitet. Schließlich werden einige Dinge, wie die Erhöhung der Grund- und der Hundesteuer, in diesem Jahr deutlich zu spüren sein. Außerdem sind bei der angespannten Haushaltslage der Stadt wenig kreative Sprünge zu er- warten.
Wenn Sie jetzt hier Anfang Januar über das alte Jahr grübeln und sich viele Dinge für das neue Jahr 2024 vorgenommen haben, dann machen Sie einfach folgendes:
Umgeben Sie sich mit Menschen die sie mögen, verbringen eine super Zeit und stellen verblü?t fest:
„MENSCH, HEUTE IST ALLES BESSER.“
Ich wünsche ein frohes neues Jahr! Bis nächsten Monat
Ihr Jim Walker Jr.