Gelesen von Dennis Dirigo

Eichfelder: „Mythos Nibelungen –

Siegfrieds Grab und Kriemhilds Rosengarten“

Seit diesem Sommer ist die Wormser Rheinpromenade nicht einfach nur um ein prachtvolles Rosenlabyrinth reicher, sondern bietet zugleich ein wenig Kriemhild zum Anfassen. Denn das Labyrinth ist nichts weniger als der langgehegte Traum des Wormser Künstlers und Nibelungenlied-Kenners Eichfelder, die Stadt bzw. die Menschen näher an den Mythos Nibelungen heranzuführen. Die Einweihung dieser Grünanlage zu Füßen des Hagendenkmals nutzte der historisch versierte Künstler, um auf das Buch zum Rosengarten hinzuweisen. Das hört auf den Namen „Mythos Nibelungen“ und ist ganz in diesem Sinne nicht nur eine Erklärung zu den historischen Wurzeln des Labyrinths. Zugleich nutzt Autor Eichfelder die Gelegenheit, um dem Leser einen Überblick über den derzeitigen Stand der Nibelungenforschung zu ermöglichen. Statt sich dabei in wissenschaftlich fundierten Aufsätzen zu verlieren, liefert der Wormser auf schlanken 140 Seiten, unterstützt von zahlreichen Abbildungen, eine kompakte Übersicht über historische und vermutete mythologische Zusammenhänge. Betitelt mit der Unterüberschrift „Siegfrieds Grab und Kriemhilds Rosengarten“ äußert sich der Autor auch über den konzeptionellen Ansatz seiner Grabdarstellung auf der Rückseite des Nibelungenmuseums. Neben den historischen Exkursionen zu den Vorbildern des Nibelungenliedes und der konzeptionellen Erörterung gewährt das Buch auch einen Einblick in die Versuche der Stadt Worms, aus der berühmten Drachentöter Sage touristisches und kulturelles Kapital zu schlagen. So klärt er neugierige Leserinnen und Leser über das erste Rosenfest auf, das 1904 in Anlehnung an das Rosengartenlied erstmals stattfand. Bereits kurz darauf gab es den ersten Rosengarten, der im Wormser Wäldchen am Fuße des „Äschebuckels“ angelegt wurde und dem Eichfelder ebenso ein paar Zeilen plus Bildmaterial widmet. Ein lesenswertes Buch und perfekter Begleiter zu den beiden Kunstinstallationen, das zudem kurzweilig über die Welt der Nibelungen informiert.

Autor: Eichfelder

Verlag: Worms Verlag

140 Seiten | 19,80 Euro

ISBN: 978-3-947884-62-9

Peter Bender: „Karl Tormann –

Ein Rheinischer Mann unserer Zeit“

Es ist schon ein besonderer Roman, den der Worms-Verlag in diesem Jahr herausbrachte, die autobiografisch gefärbte Geschichte von „Karl Tormann – Ein Rheinischer Mensch unserer Zeit“. Besonders, weil diese gleichermaßen faszinierend wie irritierend ist. Das Buch ist zugleich die einzige Publikation des Wormser Schriftstellers Peter Bender (1893 bis 1943). Im Mittelpunkt steht der titelgebende Karl Tormann, der tatsächlich ein wahrhaft er Tor ist. Eine andere Frau begehrend, beschließt der verheiratete Tormann, seinen geplanten Seitensprung durch seine ganz persönliche philosophische Betrachtung des Zusammenlebens von Mann und Frau zu rechtfertigen. Dies möchte er vor Publikum kundtun und könnte auch direkt von der Hippiebewegung stammen. Bender kündigt in einer Rede in einem Wirtshaus schließlich nichts weniger als eine erotische Revolution an. Allerdings spielt die Geschichte nicht in den freizügigen 60er Jahren, sondern in einer kleinen Stadt am Rhein in den 20er Jahren. Diese Stadt, von den Franzosen besetzt, reagiert dementsprechend nicht gerade begeistert auf die Pläne. Presse und Bürger echauffieren sich. Endgültig in Verruf gerät die neu gegründete Liebesgemeinschaft , als ein Mitglied dieser Gruppe des Inzests mit der Tochter überführt wird. Tormann, der zwischenzeitlich wieder in die Arme seiner Frau zurückgekehrt ist, zögert zunächst, erkennt aber für sich, dass seine erotische Revolution nur vollkommen mit dem Umsturz aller Anschauungen ist. Tormann wird angeklagt und verurteilt, dennoch zeigt er sich ungebrochen im Bestreben, der Welt die freie Liebe zu schenken. Der Autor Bender, der selbst im Jahre 1919 in Worms die Menschengemeinde gründete, zeigt sich dabei ebenso wortgewaltig wie wortgewandt. Dennoch muss man einräumen, dass der Roman keine leichte Kost ist. Wer sich an das 462 Seiten starke Buch wagt, wird indes mit einem faszinierend anderen Blick auf die Goldenen Zwanziger entschädigt, denn Benders Buch ist auch ein spannendes Zeitdokument für ein Volk, das im Anschluss an den verlorenen Weltkrieg nach Identität suchte.

Autor: Peter Bender

Worms-Verlag

462 Seiten (Hardcover) | 33,- Euro

ISBN: 978-3-947884-02-5