Protestaktion des Jahres:

Der Kon-Dom

Am Morgen des 19. Mai 2014 lachten die Wormser in der Innenstadt und schon bald auch Tausende via Facebook über einen Scherz, der sich in der Nacht zuvor dank der Kletterkünste eines politischen Aktivisten hoch über der Stadt ereignete – an DEM Wormser Wahrzeichen.

Wer auch immer das war: Schämt euch! Zum Nachahmen ist es auch nicht empfohlen, nachts ein Gerüst am Wormser Dom hochzukraxeln und sich dabei so in Gefahr zu begeben, nur damit man eine „Protestaktion“ starten kann. Wobei die zugegebenermaßen ziemlich witzig war. Ausgerechnet an dem Wahrzeichen der Katholischen Kirche, das aufgrund von Restaurierungsarbeiten zu diesem Zeitpunkt verhüllt war und durchaus gewisse Ähnlichkeit mit einem männlichen Phallussymbol aufwies, dem man ein Kondom übergestreift hatte, ein Schild mit der aus der Anti-AIDS-Werbung bekannten Aufschrift „Machs mit!“ anzubringen, offenbarte mehr subtilen Humor, als man dies den Wormsern zugetraut hätte. Dass man, in Anbetracht von mehr als 3 Millionen neuen AIDS-Infizierten pro Jahr in Afrika, über so viel Borniertheit einer verstaubten Organisation sowieso nur noch lachen kann, macht die Sache nicht besser. Auch unter dem vermeintlichen Reformer Papst Franziskus bleibt die Katholische Kirche bei ihrer Forderung nach einem Kondom-Verbot und macht sich damit weiter schuldig am Tod vieler Millionen Menschen.


Durchbruch des Jahres:

Wormser Oktoberfest

Was in anderen Städten längst Usus ist, setzte sich in Worms erst 2014 so richtig durch. Vom 16. bis 19. Oktober feierten in Worms an verschiedenen Orten knapp 4.000 Menschen so richtig zünftig bayrisch Oktoberfest. Ja, seid’s ihr denn narrisch worn?

Das Münchner Oktoberfest ist ja nun wirklich keine Reise mehr wert. Wenn wir hier in Rheinhessen erst so richtig loslegen, machen die dort schon längst die Schotten dicht. Überhaupt kommt man nur in eines der Partyzelte, wenn man Boris Becker heißt oder sonst wie mit der Münchner Schickeria verbandelt ist. Von daher verwundert es nicht, dass in den letzten Jahren immer mehr Städte ihr eigenes Oktoberfest hochgezogen haben. Auch in Worms gab es in den letzten Jahren vereinzelt immer mal wieder Versuche, ein Oktoberfest aufzuziehen; freilich bisher im kleineren Rahmen oder so wie letztes Jahr im geschlossenen Rahmen im Brauhaus 12 Apostel. Im Jahr 2014 ließen es die Veranstalter Florian Metzmann und Meik Loewer jedoch richtig krachen. Auf dem Festplatz stand erstmals ein großes Partyzelt, das an vier Tagen zum Wormser Oktoberfest einlud. Alleine am Freitag und Samstag ließen sich 2000 Besucher nicht lange bitten und feierten, zum Leidwesen einiger Anwohner, bis nach Mitternacht bei Livemusik, Weißwurst und Brezeln die bayrische Lebensart. Da parallel dazu auch im Brauhaus 12 Apostel in der Alzeyer Straße Oktoberfest gefeiert wurde, haben also an diesen vier Tagen mehr als 4.000 Menschen in Worms das Fest der Bayern gefeiert. Da braucht man tatsächlich nicht mehr nach München zu fahren.


Reinfall des Jahres:

Jazz & Joy 2014 ging baden

Bis einen Tag vor Festivalbeginn war man intern noch guter Dinge. Zwar hatten die Wetterprognosen nicht unbedingt strahlenden Sonnenschein für das Wochenende versprochen. Aber vielleicht würde wenigstens der Regen vorbeziehen? Alles Hoffen und Bangen war umsonst. Ein verregnetes Wochenende bedeutete bei „Jazz & Joy 2014“ knapp 6.000 Besucher weniger als im Vorjahr.

Foto: Andreas Stumpf

Foto: Andreas Stumpf

Vorschnell könnte man jetzt argumentieren, dass vielleicht auch das Programm nicht das Beste war, weil immer mehr Popmusik dominiert? Gegen diese These spricht, dass man bis Donnerstagabend im Vorverkauf so viele Tickets wie noch nie zuvor in der 24-jährigen Geschichte des Festivals abgesetzt hatte. Doch dann kam der Regen und der wollte auch so schnell nicht wieder weg. Jazz & Joy lebt auch von den so genannten Flaneuren, sprich: die Besucher, die wegen dem schönen Wetter und der Atmosphäre kommen, weniger weil sie eine bestimmte Band hören wollen. Und das sind in Worms so viele, dass es diesmal 6.000 weniger als im Vorjahr waren. Dabei war das Programm diesmal so „jung“ wie noch nie. Gregor Meyle, der kurz zuvor bei „Sing meinen Song“ zu spätem Ruhm gekommen war, konnte ebenso vor einem gut gefüllten Marktplatz spielen wie die Berliner Band MIA um ihre exzentrische Frontfrau Mieze Katz. Mit Laing, Tim Bendzko & Band (Sonderkonzert) oder Maxim konnte auch das restliche Line Up mit jugendlicher Frische glänzen. Selbst im Jazzbereich waren DePhazz oder Til Brönner, der krankheitsbedingt einen Tag vorher absagen mussten, einem jüngeren Publikum durchaus geläufig. Aber all das macht natürlich viel mehr Spaß bei Sonnenschein. Für 2015, zum 25-jährigen Jubiläum des Festivals, haben die Macher von „Jazz & Joy“ hoffentlich rechtzeitig einen Antrag auf gutes Wetter bei Petrus eingereicht.


Enttäuschung des Jahres:

Worms hatte keine Eisbahn

Sechs Jahre lang hatte man sich an den Luxus gewöhnt, dass man in den Wintermonaten trotzdem Schlittschuhlaufen konnte, obwohl es die einst in der Alzeyer Straße ansässige Eisbahn nur ganze vier Jahre in Worms ausgehalten hatte – von 1981 bis 1985. Im abgelaufenen Jahr tauchte jedoch ein altes Problem auf. Weil die Verwaltung anstehende Renovierungsarbeiten in der Tiefgarage Ludwigsplatz immer wieder aufgeschoben hatte, schlug nun der TÜV Alarm, dass die Decke einsturzgefährdet sei und somit keine Veranstaltungen mehr dort stattfinden dürften. Konkret hatte der Wochenmarkt auf dem Ludwigsplatz eine neue Heimat gefunden und sollte nun wieder auf den Marktplatz zurückziehen, wo aber bekanntlich auch die Eisbahn stand. Zusammenrücken und seine Container woanders abstellen, lehnte der bisherige Betreiber ab, weshalb sich das Dezernat Kosubek auf die Suche nach einem neuen Standort machte und im Festplatz fündig wurde. Dort sollte eine Winterlandschaft entstehen, ebenfalls mit Buden und genügend Parkplätzen. Da aber Großsponsor EWR aufgrund interner Differenzen mit Eisbahn-Betreiber Forlani einen Rückzieher in Sachen Unterstützung machte, sagte der alte Betreiber gleich ganz ab und baute zur Verwunderung vieler kurz danach seine Eisbahn vor dem Saalbau in Neustadt/Weinstraße auf. Damit man nicht auch im nächsten Jahr ohne Eisbahn da steht, wird nun hinter den Kulissen über einen geeigneten Standort gefeilscht. Die Lösung Festplatz war für das jugendliche Publikum einer Eisbahn schlichtweg weltfremd, von einer gewünschten Anbindung an die Einkaufsstadt Worms gleich ganz zu schweigen. Lutherplatz, Zusammenrücken auf dem Marktplatz oder doch wo ganz anders. Es bleibt spannend in Sachen Wintervergnügen in der Nibelungenstadt. Nur eines möchte man vermeiden: 2015 schon wieder ohne Eisbahn da zu stehen.

Da eine mobile Eisbahn mit Budenlandschaft erstmals 2008 Station auf dem Marktplatz machte und das Angebot gut angenommen wurde, mussten die Wormser in der jüngsten Vergangenheit nicht auf ihr Eissportvergnügen verzichten. 2014 war man nicht nur gezwungen, einen neuen Standort zu suchen, sondern kurz vor dem geplanten Aufbau galt es, die komplette Absage des alten Betreibers Patric Forlani zu verkraften.


Ereignis des Jahres:

WIR SIND WELTMEISTER!

Die schönsten Siege sind die unerwarteten. Denn wer hätte der deutschen Nationalmannschaft, zudem noch nach der schweren Verletzung des Topstars der Bundesliga, Marco Reus, kurz vor Turnierbeginn, tatsächlich zugetraut, ausgerechnet im Land des Rekordweltmeisters Brasilien den Titel abzustauben? Was bleibt aber am Jahresende von einer Weltmeisterschaft hängen, die ein Land für einige Wochen in einen wahren Freudentaumel stürzte?

Aus deutscher Sicht sicherlich die Demontage von Ronaldos Portugiesen beim 4:0 zum Auftakt, eine Beinahe-Niederlage gegen Ghana, ein Arbeitssieg gegen Klinsis USA, ein hart erkämpfter Sieg in der Verlängerung gegen Algerien und ein taktisch klug herausgespieltes 1:0 gegen starke Franzosen. Vermutlich wird die Erinnerung bis hierhin mit den Jahren immer mehr verblassen. Vielleicht wird auch noch Peer Mertesackers Wutrede in Erinnerung bleiben, der nach dem 2:1-Krampfsieg gegen Algerien einen kritisch nachfragenden Reporter anschnauzte, dass es bei einem Achtelfinale einer Weltmeisterschaft keine Karnevalstruppe geben würde. Er sollte damit (fast) recht behalten, denn diese hatte man sich offensichtlich für ein Halbfinale aufgespart, das mit „denkwürdig“ nicht ausreichend umschrieben wäre. „Unvergesslich“ trifft es wohl eher, denn spätestens an dieser Stelle wird die Erinnerung nie mehr verblassen. Es folgte dieses auch heute noch vollkommen utopisch anmutende 7:1 gegen Gastgeber Brasilien. Je öfters man sich die Tore ansieht, die in ihrer Entstehung und Ausführung so leichtfüßig, so spielend einfach aussehen, als würde der FC Bayern ein Trainingsspiel gegen Blau-Weiß Hintertupfingen bestreiten, umso surrealer wirkt das Ganze. Vor der ganzen Welt wurden die großen Brasilianer nicht einfach nur geschlagen, sondern spielerisch geradezu vorgeführt. Und doch folgte in dieser Nacht ein Schulterschluss mit den Gastgebern, der daher resultierte, das viele der deutschen Spieler selbst 2006 im eigenen Land im Halbfinale gegen Italien ausscheiden mussten – freilich, ohne derart brachial aus dem eigenen Stadion geschossen worden zu sein. Die deutschen Spieler zeigten nach dem Spiel genauso viel Mitgefühl wie während dem Spiel. Schon in der Halbzeit hatte das Trainerteam die Losung ausgegeben, den Sieg nur noch runter zu spielen und keinesfalls ein Schlachtfest zu veranstalten, getreu dem Motto: zweistellig muss es werden. Und sind wir mal ehrlich: So desolat und konsterniert wie sich Dante & Co. auch in der zweiten Hälfte präsentierten, wäre durchaus mehr möglich gewesen. Dummerweise hatte der eingewechselte André Schürrle die Order in der Kabine nicht mitbekommen und tat folglich genau das, was er immer nach seiner Einwechslung getan hat: Gas geben, Druck machen, den Torabschluss suchen. Zwei Mal wurde Schürrle noch fündig, ein Tor gestattete man den Gastgebern. Jogis Jungs gewannen, aber sie zelebrierten den Sieg nicht, indem sie die Brasilianer lächerlich gemacht haben. Das brachte den Deutschen vor dem Finale Sympathien nicht nur aus dem Gastgeberland, sondern nahezu aus der ganzen Welt ein. Sogar in England gönnten mehr Leute Deutschland den Sieg, was aber in erster Linie an Gegner Argentinien gelegen haben dürfte. Die Südamerikaner um Superstar Messi, Erzfeind der Brasilianer, hatten sich wie so oft mit mäßigen Leistungen durchs Turnier gemogelt, um dann doch wieder im Endspiel zu landen. Dort sollten die Gauchos auch tatsächlich die beste Leistung des gesamten Turniers abrufen, aber scheiterten trotzdem an den Deutschen, obwohl sie mindestens gleichwertig waren. Erst ein Geniestreich von Mario Götze in der 113. Minute der Verlängerung entschied eine ungemein kampfbetonte und spannende Begegnung. Erneut hatte das Team gewonnen, das sich über den gesamten Turnierverlauf durch seinen besonderen Teamgeist ausgezeichnet hatte. Und obwohl das Teamgefühl überwiegt, hat die deutsche Weltmeister-Elf 2014 ihre ganz eigenen Helden hervor gebracht. Mit Manuel Neuer den besten Libero seit Franz Beckenbauer. Mit dem blutverschmierten, gerade an der Seitenlinie getackerten Bastian Schweinsteiger die Symbolfigur im Kampf gegen die tretenden Argentinier. Mit Torjäger Thomas Müller den wohl sympathischsten Bayern-Spieler aller Zeiten. Mit Mario Götzes 1:0 das geilste entscheidende deutsche WM-Endspieltor aller Zeiten. Nimmt man noch den im Finale bärenstarken Jérôme Boateng, Kapitän Philipp Lahm und den konstant starken (außer im Finale) Toni Kroos dazu, waren es vor allem Spieler des Rekordmeisters FC Bayern München, die den WM-Titel eingefahren haben. Umso tragischer, dass der Vater dieses Erfolges seinen Triumph nicht genießen konnte, kurz danach musste Uli Hoeneß wegen schwerer Steuerhinterziehung hinter Gitter. Natürlich muss man auch irgendwie diesen Joachim Löw mögen. Für all seine Verschrobenheit, seine Macken und sein oftmals merkwürdiges Handeln. Er ist halt ein Schwabe, inmitten all der Bayern.


Aufstieg des Jahres:

Das verrückte Jahr der Wormatia

Im Sommer 2014 war Wormatia Worms de facto sportlich abgestiegen und durfte als Sechzehnter nur aufgrund glücklicher Umstände in der Regionalliga Südwest verbleiben. Da Vorstand und sportliche Leistung danach offensichtlich die richtigen Schlüsse aus der verkorksten Saison gezogen haben, steht der Verein ein halbes Jahr später in der Winterpause überraschend auf Platz 5 und konnte so entspannt wie selten zuvor Weihnachten feiern.

Manchmal muss man aus der Not eine Tugend machen, wenn das Budget aufgrund gekürzter Sponsorenzahlungen kräftig zurückgeschraubt wurde. Deshalb musste Trainer Eller gut haushalten und sortierte aus dem Söldner-Kader der Vorsaison kräftig aus. 18 Zugänge wurden verpflichtet, nur sechs Spieler aus der Vorsaison gehörten weiter zum Kader. Der Verein setzte auf die Wormser Jungs im Kader wie Benni Himmel oder Eugen Gopko, aufgefüllt durch A-Jugendliche und gezielte Verstärkungen aus der Region, wie Benjamin Maas (Darmstadt) oder Kristian Maslanka (Frankfurt). Mit Florian Treske, der vom insolventen SSV Ulm kam, hat man den Kapitän, Führungsspieler und Torjäger (12 Treffer) des neuen Teams verpflichtet, das vor allem durch seinen Mannschaftsgeist besticht. Mit Genugtuung nehmen die Zuschauer den Einsatz und den Willen jedes Einzelnen zur Kenntnis. Schließlich konnte man in den bisherigen 20 Rundenspielen, ob Sieg oder Niederlage, zufrieden nach Hause gehen, sofern man den Wormatia-typischen Maßstab angelegt hat: „Haben die Jungs wenigstens Gas gegeben?“ Ja, das hatten sie. Klar hat es manchmal am Spielerischen gemangelt, weil die Substanz im Kader aufgrund einiger Verletzungen oder Sperren nicht mehr gereicht hat. Auch konnte man in den letzten Spielen vor der Winterpause die Gegner nicht mehr überraschen, weil man sich auf den Powerfußball der Wormser eingestellt hatte, der zudem kaum noch Power hatte, weil der Akku bei einigen Spielern ziemlich leer war. Aber hey, die Jungs hatten zuvor Großartiges geleistet und ihren Fans historische Siege gegen Eintracht Trier (2:1), FC Homburg (5:1), Waldhof Mannheim (3:2) oder den 1. FC Saarbrücken (1:0) beschert. Endlich zahlen sich die Früchte der guten Jugendarbeit aus und mit Sascha Eller hat man einen bodenständigen Trainer, der dem Team die entsprechende Erdung gibt. Der wird auch dafür sorgen, dass sich sein Team nicht auf den bisher erreichten Lorbeeren ausruht und am 28. Februar 2015, wenn es mit einem Heimspiel gegen Hessen Kassel weiter geht, voll auf der Höhe ist. Dieses Jahr soll dem jungen Team dienen, zusammen zu wachsen und möglichst aus den gemachten Fehlern zu lernen. Platz 5 zu halten, das wird schwer genug. Weiter nach oben braucht man gar nicht erst zu schielen. Das wäre auch des Guten zu viel. Wenn man sieht, mit welcher Infrastruktur und welchem Fanaufkommen Spitzenteams wie Kickers Offenbach oder der 1. FC Saarbrücken auftreten, dann ist man an der Alzeyer Straße noch ein gutes Stückchen davon entfernt. Aber eine zarte Pflanze kann man immerhin erkennen.