Nibelungen-Festspiele 2023 enttäuschten aus künstlerischer Sicht
Die Botschaft der Regisseurin Pinar Karabulut im Rahmen eines Interviews während der Pressekonferenz zu „Brynhild“ war klar: „Ich will die Erwartungen der Zuschauer unterlaufen“. Am Ende war ihr das gelungen, allerdings nicht so, wie es sich das Team der Nibelungen-Festspiele erhofft hatte.
Im jährlichen Bemühen, sich immer wieder neu zu erfinden, stellten sich die Festspiele mit der Inszenierung von „Brynhild“ der Herausforderung, wokes, modernes Theater, in dem es möglichst divers zugehen sollte, präsentieren zu wollen. Regisseurin PINAR KARABULUT war insofern die perfekte Wahl, ist es doch eines ihrer primären Anliegen, Erwartungen des Publikums nicht gerecht werden zu wollen. Dumm nur, dass die kunterbunte Welt der Karabulut so gar nicht zu der von MARIA MILISAVLJEVI? verfassten Vorlage passen wollte. Während die Autorin offensichtlich ein Liebesdrama mit vielen Sinnfragen und einem apokalyptischen Ende erzählen wollte, inszenierte die Regisseurin eine schrille Nummernrevue, wodurch zahlreiche gute Ansätze ins Nirgendwo führten.
Publikum wie Presse zeigten sich überwiegend überfordert mit Karabuluts schierer Lust am bunten Ritt durch die Popkultur. Ein bisschen „Mad Max“? Kein Problem! Garniert mit „Matrix“? Soll uns recht sein. Lass uns aus den Burgundern „Walking Dead“ mäßige Zombies machen! Das klingt super! Zwischendurch sorgte eine Band für brachial staubigen Wüstenrock, während Brynhild (Lena Urzendowsky) auch mal eine herzzerreißende Ballade über ihre unglückliche Liebe zu Siegfried äh Sigurd schmettern durfte. Dieses Unglück endete schließlich im Freitod Brynhilds, wobei das so auch nicht stimmte. Da es nicht sein kann, dass eine Frau sich aufgrund einer tragischen Liebe das Leben nimmt, durfte Brynhild schließlich wieder auferstehen, um mit fester Stimme dem Publikum zu erklären: „ICH WILL EUCH EINE WELT ZEIGEN, IN DER ALLES MÖGLICH IST!“ Das Publikum wollte zu diesem Zeitpunkt allerdings wohl eher seine altbekannte Welt wieder zurück.
Immerhin konnte das Stück wenigstens zu Beginn mit einem international bekannten Gesicht aufwarten, sodass auch die mediale Aufmerksamkeit stimmte. So gab der Bodybuilder und Schauspieler RALF MOELLER in dem Stück sein Theaterdebüt, wenn auch nur in einem Videoeinspieler zu Beginn. Darin spielte er Fafnir, der von Seyfried schon nach wenigen Minuten erschlagen wurde, sozusagen der Tod des alten weißen Mannes. Mit seinem hünenhaften Auftreten und seiner charmanten Art verpasste Moeller auch der Premiere auf dem roten Teppich ein wenig Glamour. Den Mario-Adorf-Preis am Ende der Festspiele durfte indes die junge Schauspielerin LENA URZENDOWSKY mit nach Hause nehmen, was wiederum niemanden überraschte. Mit insgesamt mehr als 21.000 Besuchern und einer Auslastung von 90% waren am Ende auch die Nibelungen-Festspiele zufrieden mit der Saison.
Text: Dennis Dirigo Fotos: Andreas Stumpf