Ins Jüdische Museum der Stadt Worms sind just zwei kostbare, beidseitig beschriebene Pergamentblätter eingezogen. Die Schriften, die das Stadtarchiv dank einer Schenkung erhielt, werden in die Zeit um 1300 datiert und bilden hebräische Fragmente des Kommentars zu den Propheten des großen jüdischen Gelehrten Raschi (ca. 1040 – 1105) ab.
Die Schenkgeberin, Pfarrerin Dr. Inken Rühle aus Tübingen, hat die beiden Blätter aus dem Nachlass ihres 2016 verstorbeben Mannes, Dr. Reinhold Mayer, dem Raschi-Haus geschenkt. Mayer, der in Tübingen als Judaist und evangelischer Theologe wirkte, Träger des Leo-Baeck-Preises sowie Akademischer Direktor am Institutum Judaicum der Universität Tübingen war, hatte die beiden Stücke in einem Schweizer Antiquariat angekauft. Ein 1968 erstelltes Gutachten des evangelischen Theologen Michael Krupp analysierte die beiden Stücke, die von einem Bucheinband stammen, genauer.
Der Bibeltext ist in schönen Quadratbuchstaben ausgeführt. Der bis heute, für jede jüdische Beschäftigung mit der Heiligen Schrift, maßgebliche Kommentar des überaus bedeutenden, mit Worms vielfältig verbundenen Gelehrten Raschi steht daneben. Laut dem Gutachten Krupps gehören die Fragmente „zu den älteren bekannten Raschi-Handschriften“. Die Seiten werden gerade im Stadtarchiv digitalisiert, eine Online-Stellung wird vorbereitet. Im Frühjahr sollen im Jüdischen Museum für einige Zeit die Originale zu sehen sein. Für wissenschaftliche Forschungen stehen die Stücke auch zur Verfügung.
Für Archive und Museen ist diese Schenkung ein Grund für große Dankbarkeit. Vergleichbare originale Quellen liegen bislang weder in den Wormser Museen noch in den Archivbeständen vor. Zudem sind die Kommentare Raschis bis heute für die Arbeit mit der hebräischen Bibel grundlegend – ein jetzt gleichsam materiell greifbarer Aspekt der in die Gegenwart nachwirkenden Bedeutung der SchUM-Städte für die jüdische Welt.
Eine Seite des Fragments.
Quelle: Stadt Worms / Stadtarchiv Worms (Abt. 203 Nr. 358).