Das Verfassungsreferendum in der Türkei vom 16.04.2017 hat den von vielen erwarteten Ausgang genommen. Der derzeitige Präsident der Türkei, Recep Tayyip Erdogan, war in den letzten Monaten bereit, mit seinen unsäglichen Nazi-Bezügen zugunsten der Werbung für das innenpolitische Ziel Verfassungs-Referendum außenpolitisch zahlreiche Brücken in andere Länder nachhaltig zu beschädigen bzw. einzureißen. In politischer Hinsicht wäre zu Erdogans Verhalten vieles anzumerken. Hier nur so viel: Nationalismus in Zeiten der Globalisierung ist im Grunde Provinzialismus.
Aus humanistischer Sicht war nun aber die Art und Weise, wie vielerorts in Deutschland die Frage, ob man türkische Minister hier Wahlkampf zugunsten des türkischen Referendums machen lassen soll, diskutiert wurde, aufschlussreich. Es konnte ja in den letzten Wochen jede/r Deutsch-Türke/in, deren Community in Deutschland sich durch das türkische Verfassungsreferendum sehr zerstritten hat und in dieser Hinsicht gespalten ist, sich seine persönliche Meinung, sein „Ja“ oder „Nein“ zum türkischen Verfassungs-Referendum selbst bilden. Das war aus demokratischer und humanistischer Sicht prinzipiell ja schon gut. Aber grundsätzlich betrachtet ging es in Deutschland um viel mehr als nur um den Umgang mit der Türkei, zugleich „Natopartner“ und „Flüchtlingspolitik-Partner“. Es ging grundsätzlich betrachtet um den Umgang mit Andersdenkenden. Es ging im Grunde um gelebte Meinungsvielfalt.
Schon Rosa Luxemburg (1871 – 1919) bemerkte dazu:
„Meinungsfreiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden.“
Und Voltaire (1694-1778) soll nach seiner Biographin, Evelyn Beatrice Hall, hierzu passend – grundsätzlicher und deshalb für uns heute bedeutender – formuliert haben:
„Ich missbillige Ihre Meinung, aber ich gäbe mein Leben dafür, dass Sie sie sagen dürfen.“
Das Handeln nach diesen beiden Maximen kann – gerade auch im Alltag – anstrengend sein bzw. werden; zweifelsohne. Das hat nicht zuletzt die Diskussion um das Referendum gezeigt. Das Handeln nach diesen Maximen ist aber wichtig weil demokratiefördernd. Es war zwar politisch vollkommen richtig gewesen, dass die deutsche Bundesregierung gegenüber den Anwürfen Erdogans schließlich eine Grenze gezogen hat. Aber gleichzeitig galt und gilt weiterhin auch die zuversichtliche Einschätzung unseres früheren Bundespräsidenten Gauck: Unsere mittlerweile gefestigte Demokratie hält so eine Auseinandersetzung aus. Hinzuzufügen wäre: So eine Auseinandersetzung sollte unsere Demokratie nicht nur aushalten, sondern wir sollten vielmehr eine solche Auseinandersetzung bewusst führen und dadurch bewusst vorleben. Und insofern waren Veranstaltungen, auf denen die Pro- und Contra-Argumente für und gegen das türkische Referendum vorgetragen werden, zu begrüßen. Aber anschließend müssen Meinungen und Argumente immer auch dem „Feuer einer Diskussion“ ausgesetzt werden können.
Nur haben viele Bürger – in- und außerhalb der türkischen Community in Deutschland – bei diesem Thema oftmals gar nicht mehr zugehört bzw. nicht mehr zuhören zu wollen. Das ist für die liberale Demokratie in Deutschland eine viel wichtigere Aufgabe als der Umgang mit dem Ergebnis des türkischen Verfassungsreferendums.
Bernd Werner
für den Humanistischen Verband Rheinland-Pfalz, Gruppe Worms
Terminhinweis: Wer sich für eine Diskussion humanistischer, politischer oder entsprechender Themen interessiert, ist an jedem letzten Sonntag des Monats zu unserem Humanisten-Frühstück ab 9.30 Uhr in Worms, Speyerer Str. 87 herzlich eingeladen.
Unsere Homepage: http://www.hvd-rlp.de
Im Juni werden wir uns am Sonntag, dem 25.06.2017, zu unserem Sommerfest um 11 Uhr treffen.