Text: Bernd Werner

Toleranz – ein oft unklar verwendeter Begriff, aber eine eminent wichtige Lebenshaltung zwischen Ablehnung und Akzeptanz.

Der geistesgeschichtliche Begriff „Toleranz“ wird im Duden als „Duldsamkeit“ und „Entgegenkommen“ umschrieben. Diese Erklärungen sind recht unpräzise. Viel deutlicher erläutert der Frankfurter Philosophieprofessor Rainer Forst diesen Begriff. Er vertritt die Ansicht, dass folgende Komponenten die Haltung Toleranz kennzeichnen: zunächst und grundsätzlich die Ablehnung der Position des anderen; dann im Sinne eines gezielten Hinnehmens aufgrund einer übergeordneten Ansicht die Akzeptanz der Position des anderen; schließlich die inhaltliche Grenzziehung. Forst betont, dass diese drei Komponenten in einer Balance gehalten werden müssen.

Aus unserer Sicht: Fragt man nach der Herkunft des Begriffes Toleranz, so stößt man auf das lateinische Wort „tolerare“, das „ertragen, aushalten“ bedeutet. Im engeren Wortsinn verstanden bedeutet also das Wort Toleranz, dass wir nur das tolerieren können, was wir „ertragen“: D. h., dass wir im Grunde etwas zuerst für falsch halten müssen, um es überhaupt im engeren Wortsinn tolerieren zu können. So kann z. B. der Angehörige einer Religionsgemeinschaft, die einen absoluten Wahrheitsanspruch vertritt, den Angehörigen einer anderen Religionsgemeinschaft mit absolutem Wahrheitsanspruch tolerieren, – also etwa ein Jude einen Christen, ein Christ einen Moslem und ein Moslem einen Christen. Die Haltung der Toleranz setzt dabei immer einen festen eigenen Standpunkt voraus, – und darf nicht, was heute leider mitunter passiert, inhaltlich verflacht mit Gleichgültigkeit oder Beliebigkeit gleichgesetzt werden.

Schwierig wird es mit der gelebten Haltung der Toleranz, die aktiv gelebt werden muss, wenn wir sie im Alltag etwa gegenüber politisch Radikalen praktizieren sollen, – z. B. aktuell in Deutschland: Toleranz gegenüber Anhängern der Pegida-Bewegung oder AfD-Mitgliedern. Zwar gilt auch hier die Forderung, sich tolerant zu verhalten. Folglich müssen wir auch Pegida und AfD „ertragen“ – und zwar im Sinne der Meinungsfreiheit.

Aber Toleranz hat auch eine Grenze: nämlich die Intoleranz – und zwar in jeder Form und Spielart. Innerreligiös ist das der Fundamentalismus; politisch der Extremismus. Erläuterungsbeispiel: Wir Humanisten halten das Ziel, einen Rassisten zu Toleranz zu erziehen, nicht nur für unrealistisch. Wir wollen prinzipiell keinen Rassismus.
Die Grenze der Toleranz bzw. des Tolerierbaren müssen wir in unserer pluralen Gesellschaft, da die sich beständig verändert, auch immer wieder neu miteinander aushandeln. Ist Toleranz doch Grundlage gelebter Pluralität. Dies zu betonen ist deshalb eminent wichtig, weil der Kern der Toleranz sich letztlich aus dem Verlangen nach Freiheit und Gerechtigkeit legitimiert. Und beide Ziele sind für unsere Gesellschaft von großer Bedeutung. Dabei ist für uns Toleranz nicht der ideale Endzustand im zwischenmenschlichen Umgang. Toleranz ist für uns lediglich die Zwischenstufe zwischen strikter Ablehnung und vollständiger Akzeptanz. Allerdings bleibt die Erwartung nach Akzeptanz aller durch alle in einer pluralen Gesellschaft letztlich eine Utopie.

Grundsätzlich genügt für das Hervorheben der Bedeutung von Toleranz nicht der (sachlich durchaus richtige) Verweis auf unser Grundgesetz oder die Menschenrechte. Sehr wichtig ist auch die Rückwirkung toleranten Verhaltens auf den Tolerierenden: „Wer tolerant ist, verfügt über eine innere Freiheit, die ihn bereit und fähig macht, nicht länger ein Leben zu führen, das auf gewaltsamer Bekehrung oder aber Überwindung des Gegners angelegt ist, vielmehr auf ein Miteinander der Ebenbürtigkeit und Verständigung“ (Otfried Höffe). Tolerant zu handeln ist eben nicht nur eine politische Tugend in einer pluralen Gesellschaft und für eine plurale Gesellschaft, sondern zugleich auch eine Lebenshaltung.

Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll und bisweilen nötig, das Gesprächsgegenüber an entsprechender Stelle direkt zu fragen: Und was meinen Sie inhaltlich mit dem Begriff „Toleranz“.

Bernd Werner,
Für den Humanistischen Verband Deutschland (HVD), Landesverband RLP, Gruppe Worms

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