Seit 2008 feiert die EKD zuerst verhalten, mittlerweile mit zunehmender Intensität, bis zum Oktober 2017 den größten und einflussreichsten Rassisten deutscher Sprache vor den Nationalsozialisten. Man feiert ihn als mutigen Mann, als prinzipienfest und als Motor der Reformation. Unhinterfragt. Aber ist das alles gerechtfertigt? Es muss erlaubt sein, Zweifel anzumelden. Die Rede ist von Martin Luther.

Fest steht, er hat ein damals knapp 1400 Jahre altes religiöses Konvolut zusammen mit einer Gruppe Gleichgesinnter aus griechischen und hebräischen Quellen, die zum größten Teil Abschriften verlorengegangener Originale waren, ins Deutsche übersetzt. Ob es sich bei diesem Konvolut um göttliche Inspirationen oder um von Menschen erfundene Geschichten handelt, ist Ansichtssache und für die Beurteilung der Tatsachen ohne jede Bedeutung. Es sollte allerdings angemerkt werden, dass es sich bei dieser Übersetzung weder um die erste ihrer Art, noch um eine Übersetzung im wörtlichen Sinne handelte, sondern vielmehr um eine Übertragung, die vor allem das wiedergibt, was die Übersetzer für den Sinn und Geist dieser Werke hielten und die durch den neuen Buchdruck in vielen tausend Kopien unter die Leute gebracht werden konnte. Und er hat seinem Bischof 95 Thesen zum Ablasshandel überreichen lassen und nicht etwa an eine Kirchentür genagelt.

VIEL WICHTIGER IST DIE FRAGE, WER DIESER MARTIN LUTHER DENN EIGENTLICH WAR?
War er mutig? Nein, das war er gegen alle Behauptungen nicht. Er hatte Angst vor Gewittern und hat als 22-jähriger in einem solchen ein Gelübde abgelegt, er werde Mönch, wenn ihm die Hl. Anna, die für solche Situationen offensichtlich zuständig war, helfe, dieses Gewitter zu überleben. Er hat dieses Gelübde gehalten, obwohl schon damals die katholische Kirche Gelübde in solchen Stresssituationen als nicht bindend ansah. Außerdem glaubte er an Teufel, Dämonen und die Hölle, vor denen er sich über alle Maßen fürchtete, aber auch an Engel und andere unsichtbare Geister. Als seine größte Heldentat wird sein angeblich mutiges Auftreten vor Kaiser Karl V auf dem Wormser Reichstag angesehen. Abgesehen davon, dass der Satz: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders“, so oder so ähnlich nie gefallen ist, war Luther kein Dummkopf. Er wusste, dass er den Morgen nach dem Reichstag auf sich alleine gestellt nicht erleben würde und ließ sich auf dieses Abenteuer nur ein, weil er sich der Unterstützung des mächtigen Kurfürsten von Sachsen sicher war. Dass dieser ihn „überfallen“ und entführen lassen würde, war eine abgekartete Sache.

Und hier kommen wir zum eigentlichen Kern des Erfolgs der Luther‘schen Reformation: Reformatoren gab es viele, aber Luther war der einzige, der sich bereitwillig vor den Karren des Adels spannen ließ, dessen Lehre hervorragend zum Herrschaftsanspruch der Fürsten passte. Und die Fürsten ihrerseits brauchten ihn gegen die Herrschaftsansprüche des Papstes und er verband sich mit ihnen in einer derartigen Kumpanei, dass er 1539 in einem Beichtrat sogar den Bigamiewunsch des mächtigen hessischen Landgrafen Georg billigte und seinen Freund und Mitstreiter Philipp Melanchthon überredete, dessen illegale Zweitehe zu stiften und ihn neben Christine von Sachsen auch noch mit Margarethe von der Saale zu verheiraten. Prinzipientreue sieht anders aus. Dass es mit der nicht weit her war, beweist auch sein Verhalten im Bauernkrieg. Zeigte er anfangs durchaus noch Sympathien mit den Anliegen der Bauern, so genügte ein kleiner Wink des Kurfürsten, eine Hetzschrift zu verfassen, die tausende von ihnen das Leben kostete. Luther selbst prahlte mit seiner Ruhmestat und schob die Verantwortung auf seinen Gott.

Was ihn aber vor allem für jegliche Vorbildfunktion untauglich macht, ist sein offen zur Schau getragener und nie verheimlichter Rassismus. Luther kannte fast keine Juden, in seiner heimatlichen Umgebung gab es schon seit über 100 Jahren so gut wie keine mehr. Sein Kontakt mit Juden bestand im Umgang mit jüdischen Konvertiten und einem unbefriedigend verlaufenen Gespräch mit drei jüdischen Rabbinern. Das hielt ihn nicht davon ab, in acht unsäglichen Hetzschriften ein vernichtendes Urteil über alle Juden zu sprechen und seiner Obrigkeit Ratschläge für den Umgang mit den Juden und deren Vertreibung zu geben, die 400 Jahre später von den Nationalsozialisten als Blaupause genutzt und vervollständigt werden konnten, so dass man mit dem Philosophen Karl Jaspers durchaus sagen kann: „Was Hitler getan, hat Luther geraten, mit Ausnahme der direkten Tötung durch Gaskammern“. Diese unerträglichen Hetztiraden offenbaren Charaktereigenschaften, die ihn als Vorbild disqualifizieren, die in seinen Hassreden über Papstanhänger, Muslime, Behinderte und andere Menschen ebenso zutage traten und die auch seine reformatorischen Mitbrüder Zwingli, Oekolampad, Calvin und Bullinger nicht verschonten.
Vom „zweitgrößten Deutschen“ nach Konrad Adenauer (ZDF 2003) kann keine Rede sein.

Karl-Heinz Büchner,
Für den Humanistischen Verband Deutschland (HVD), Landesverband RLP, Gruppe Worms

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