26. bis 28. mai 2017 / das Wormser „Wäldchen“:
Das Mittelalter war wahrlich keine schöne Zeit. Krankheiten rafften die Menschen dahin, der Adel unterjochte die Armen und beutete diese aus. Dennoch zeigen sich die Menschen auch 700 Jahre nach dem Ende der Ritterzeit noch von selbiger fasziniert.
So auch in Worms, wo das Spectaculum bei bestem Wetter abermals mehr als 22.000 Besucher plus 1.000 Aktive anlockte. Wahrscheinlich ist es genau dieser archaische Gestus zwischen Blut und Dreck, Glauben und Aberglauben, Magd oder Prinzessin, der Menschen ausgerechnet in unserem hoch technisierten Zeitalter derart fasziniert. Getrieben von der Sehnsucht, aus dem Alltag auszubrechen und seiner Fantasie einfach freien Lauf zu lassen. Natürlich hat ein Mittelaltermarkt mit dem echten Mittelalter so viel zu tun wie die erfolgreiche Mittelalterrock-Band In Extremo mit Minnegesang. Vielmehr ähnelt das Spectaculum der Vorstellung dessen, wie wir uns die Welt vor einem halben Jahrtausend wünschen würden. Längst sind die Grenzen zwischen Fantasie und Authentizität fließend. Im Wäldchen fühlten sich an diesem Wochenende Urukhais, Ents und Elfen genauso wohl wie zünftige Rittersleut. Wer dennoch echte Mittelalterluft schnuppern wollte, hätte sich wohl in eine Rüstung zwängen müssen, um bei senkender Sonne am zuschauergerechten Schlachtengetümmel teilzunehmen. Denn wahrscheinlich ging es den realen Vorbildern in dieser einst so harschen Zeit nicht anders und sie schwitzten einfach nur erbärmlich unter ihren Rüstungen. Abseits von Schlachten und der Händlermeile konnte man natürlich durchaus noch ein wenig mehr von dieser Zeit entdecken, wenn z.B. Dr. Bombastus alias Lutz Jahr seinem Bruder Leonardao alias Christian Frank Bechinger in einer großartigen Performance den Weinstein aus dem Hirn vertrieb. Weinstein im Kopf sei eine schwerwiegende Folge von übermäßigem Weingenuss, wie der Wissende Dr. Bombastus dem amüsierten Publikum verriet. In verschiedenen Workshops konnte man sich in unterschiedliche Tanzriten einweihen lassen oder man lauschte einfach den Geschichtenerzählern, die Spannendes und Obskures zu berichten wussten. Natürlich durften auch zünftige Feuershows nicht fehlen, wobei das freitägliche Feuergewitter beim Publikum aufgrund des ständigen Wechsels zwischen Bühne und Manege ein wenig Verwunderung hervorrief. Begeisterung erzeugte dagegen das Feuerspektakel von „Feuerplanet“ am Samstagabend. Zwischendurch sorgten diverse Bands für musikalische Zerstreuung. Die Band „Satyrias“ begeisterte auf der kleinen Bühne mit ihrer erfrischenden Mischung mittelalterlicher Instrumente und Rhythmen, gepaart mit einem mächtig mitreißenden Rock-Sound. Die Kunst hierbei war, dass diese Mischung niemals plakativ oder aufdringlich erschien, wie man dies bei vielen Mittelalter-Rock-Bands erleben kann. Die Gruppe „Rununculus“ holte ihr letztjährig ausgefallenes Konzert nach, damals mussten sie vor einer Unwetterwarnung kapitulieren, und das „Duo Wormez“ sorgte für authentische Klänge. Die Botschaft des Wochenendes verbreitete sonntags allerdings die Band „Feuerschwanz“: „Sex ist Muss!“ Eine Erkenntnis, die es Gott sei Dank schon bei den alten Rittersleut gab, schließlich könnten wir ohne diese heutzutage kein Spectaculum feiern. Da durfte natürlich am Ende auch „Ringelpietz mit Anfassen“ nicht fehlen.
FAZIT: Wieder einmal lockte der bewähre Mix aus historischem Anspruch und Freizeitpark-Idylle Tausende ins Wäldchen und bescherte überall zufriedene Gesichter. Lediglich ein Aspekt sorgte bei vielen Sonntagsbesuchern für Verwunderung: Warum gibt es eigentlich an diesem verkürzten dritten Tag keine Tageskarten? Eine Frage, die auch die Kartenlegerin am Platze nicht beantworten konnte.