Als Martin Schulz am 04. März 2017 die Nibelungenstadt Worms besucht hat, galt er zu diesem Zeitpunkt noch als der neue Hoffnungsträger der SPD. „Martin, Martin-Rufe“ hallten durch den Raum, als der angehende neue Bundeskanzler eine Rede im vollbesetzten Mozartsaal hielt. Nur wenige Monate später war sein anfangs noch so heller Stern vollends verglüht.
„Wir unterstützen Gott-Kanzler Schulz“ stand auf einem der Plakate, die an diesem Nachmittag hoch gehalten wurden. Der Mann, der nicht nur Deutschland, sondern vor allem die SPD wieder nach vorne bringen sollte, hatte zu diesem Zeitpunkt in Umfragen bereits Merkels Werte erreicht und seine Partei in kürzester Zeit wieder in 30-Prozent-Gefilde geführt. Kurz danach wurde er auf dem Parteitag mit sagenhaften 100 Prozent Zustimmung zum neuen Kanzlerkandidaten gewählt. aus heutiger Sicht kann man festhalten, dass der anfängliche Boom von Martin Schulz auf zwei Gründe zurückzuführen war. Zum einen hatte der überraschende Coup der Parteispitze, der Verzicht von Sigmar Gabriel auf die Kanzlerkandidatur zugunsten von Schulz, eine Zeitlang so etwas wie Euphorie unter der Anhängerschaft ausgelöst. Vor allem aber war spürbar, dass sich auch viele noch unentschlossene Wähler „eigentlich“ nach einem Wechsel gesehnt hatten. Merkel hatte fertig, die Wähler waren bereit für eine sozialere Politik, aber die SPD hat es in der Folgezeit nicht verstanden, mit Inhalten nachzulegen. Als es darum ging, ein Wahlprogramm aufzustellen, das wieder ein sozialdemokratisches Profil trägt und Antworten auf die Sorgen und Ängste ihrer potentiellen Wähler beinhaltet, zeigte die Parteispitze die gleiche Betriebsblindheit wie seit etlichen Jahren. Spätestens nach dem TV-Duell mit der Kanzlerin Anfang September, als Millionen Fernsehzuschauer konsternieren mussten, dass die beiden großen Volksparteien erstaunlich oft einer Meinung sind, hatte der einstige Hoffnungsträger endgültig ausgedient. Am 24. September 2017 erreichte die SPD mit 20,5% ihr schlechtestes Wahlergebnis der Nachkriegszeit. Seit Gerhard Schröder 1998 erstmals zum Bundeskanzler gewählt wurde, haben die Sozialdemokraten mehr als zehn Millionen Wähler/innen verloren. Da die Große Koalition bei der Bundestagswahl insgesamt 13,8% Stimmenverluste einbüßte, waren die Gründe für das Scheitern schnell ausgemacht. Die Rolle als langjähriger Juniorpartner in der GroKo habe die SPD massiv Wählerstimmen gekostet und war deshalb am Wahlabend keine weitere Option für Schulz & Co. Zwischenzeitlich sind drei Monate vergangen, eine mögliche Jamaika-Koalition ist gescheitert und nun soll die Partei doch, mit Zustimmung der Basis, „ergebnisoffene Sondierungsgespräche“ mit der CDU/CSU führen. Übernehmen soll diesen Job der verglühte Hoffnungsträger Martin Schulz. Kurz vor Weihnachten erreichte „Mister 100 Prozent“ bei der Wahl zum Parteivorsitzenden der SPD noch 81% der Stimmen und verkündete die neue Ausrichtung „Vereinigte Staaten von Europa bis 2025“. Irgendwie wird man das Gefühl nicht los, dass die Partei bis zum heutigen Tag nicht verstanden hat, warum sie sich auf dem besten Weg befindet, in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden.