Das Nationaltheater Mannheim schreibt einen internationalen Wettbewerb für Musiktheaterkompositionen aus. Die Gewinnerin oder der Gewinner erhält einen Kompositionsauftrag für eine abendfüllende Kammeroper. Thema der Oper ist Albert Camus’ Roman »Der Fremde« (1942), der auf Deutsch oder Französisch vertont werden kann. Der Wettbewerb richtet sich an Teams und Einzelpersonen, die Komposition und Textbearbeitung verantworten.
Einsendeschluss ist der 1. November 2019, mögliche Sprachen für die Bewerbung sind Deutsch und Englisch.
Einsendung per Post an:
Nationaltheater Mannheim
Dramaturgie Oper
Mozartstr. 9
68161 Mannheim
Weitere Informationen:
https://www.nationaltheater-mannheim.de/de/oper/kompositionswettbewerb.php
Gesucht sind Konzeptionen, die sich mit Camus’ Roman auf narrative, philosophische, phantastische oder genreübergreifende Art nähern. Geschrieben als Darstellung des Absurden – ein Algerienfranzose erschießt einen ihm unbekannten Araber am Strand –, bekommt das Buch im Umfeld postkolonialer Debatten neue Bedeutungsschichten. Alle zeitgenössischen Musikstile von Avantgarde bis Pop sind für die Vertonung möglich und erwünscht.
Die Auswahl verläuft in zwei Runden.
In der ersten Runde werden Konzepte für die Kammeroper und dazu passende Arbeitsbeispiele verlangt. Aus den Einsendungen werden sechs Bewerberinnen und Bewerber ausgewählt, die für die zweite Runde einen zirka dreiminütigen »Moment« ihres Stückes komponieren. Diese sechs Stücke werden im Rahmen des Festivals »Mannheimer Sommer 2020« vor Jury und Publikum öffentlich präsentiert. Die Gewinnerin oder der Gewinner erhält den Kompositionsauftrag für eine Kammeroper. Zusätzlich ist ein Publikumspreis vorgesehen, der zu einem Kammermusikauftrag führt.
Zeitplan:
- November 2019: Einsendeschluss
- Januar 2019: Die sechs Semifinalistinnen und Semifinalisten werden benachrichtigt und bekommen einen Kompositionsauftrag für einen dreiminütigen »Musikalischen Moment« aus dem Stück. Dafür wird eine Aufwandsentschädigung gezahlt.
- April 2020: Abgabe der Noten für die »Momente« und der technischen Anforderungen für die Präsentation
- Juli 2020: Präsentation der Konzepte und Musik der sechs Finalistinnen und Finalisten vor Publikum und Jury, anschließend Juryentscheidung und Publikumspreis
Frühsommer 2022: Uraufführung der Kammeroper
Die Bewerbung muss folgende Unterlagen umfassen:
- Künstlerische Lebensläufe aller Beteiligten
- Mindestens drei, maximal sechs Arbeitsproben (CD, DVD, mp3, Papier / Datenträger werden auf Wunsch zurückgeschickt)
- Konzept für die Kammeroper inklusive Besetzung, unter Berücksichtigung der folgenden Vorgaben
Vorgaben: Das Stück sollte im Ergebnis mit den Mitteln der Studiobühne eines Stadttheaters aufführbar sein, was zu bestimmten Einschränkungen führt.
Sängerbesetzung: höchstens vier Sänger/innen, evtl. Sprecher/in, kein Chor
Das Ensemble sollte sich maximal aus folgenden Musikern zusammensetzen:
Streichquintett (2.1.1.1), Bläserquintett (Fl./Ob./Kl./Fg./Hr.) mit gängigen Wechselinstrumenten, Tasteninstrumente: ein Spieler, Percussion: zwei Spieler, ein praktikables Sonderinstrument nach Wahl
Im Bereich der Elektroakustik gibt es Einschränkungen: Tontechnische Anforderungen müssen von der Theatertechnik mit der vorhandenen Beschallungsanlage ausgeführt werden können. Zuspielungen müssen vom Kompositionsteam selbst hergestellt werden. Live-Elektronik ist nur möglich, wenn die zugehörige Technik und Arbeitsleistung vom Kompositionsteam selbst zur Verfügung gestellt wird. Elektronische und sonstige theateruntypische Instrumente müssen vom Kompositionsteam gestellt werden.
Die Romanvorlage:
Albert Camus’ Leben und Arbeit entspringt höchst spannungsvollen Verhältnissen: Als Algerienfranzose aus einfachen Verhältnissen gehörte sein Vater zum Proletariat der imperialen Siedlerschicht. Im vergeblichen Versuch, die Einheimischen für den Kommunismus zu gewinnen, lernte der junge Camus deren Lebensverhältnisse kennen und wurde so zu einem Kämpfer für die Rechte der orientalischen Bevölkerung.
Sein Roman »Der Fremde« beschreibt das ereignislose Leben des Algerienfranzosen Mersault, der an einem Tag am Strand mehr oder weniger grundlos einen Araber erschießt und dafür schließlich wegen Mordes zum Tode verurteilt wird, was er gleichgültig hinnimmt.
Camus’ Roman kann philosophisch, politisch und psychologisch gelesen werden: Er gilt allgemein als Beschreibung des Absurden als philosophisches Grundprinzip unseres Lebens, wurde und wird aber in der arabischen Welt ebenso als Darstellung der reuelosen Gewalt des Kolonialismus gelesen.
Aus dieser Fülle der Möglichkeiten kann das Libretto gestaltet werden, wofür bewusst keine näheren Vorgaben gemacht werden sollen, um die Möglichkeiten musiktheatralen Erzählens zwischen realistischer Narration und postdramatischem Bühnengeschehen nicht einzuschränken.
Musikalisch ist ein genuin musikdramatischer Zugang gewünscht; der szenische Gehalt sollte notwendiger Bestandteil der Musik sein. Stilistisch sind alle Zugänge bis hin zu postmodernen Hybriden zwischen Pop und Collage möglich.