Deutschland, das ist das Land der Dichter und Denker und, ja, auch der Bürokratie. Es braucht nicht viel, um sich wie ein Protagonist aus der Welt des Autors Franz Kafka zu fühlen. Der in Worms lebende Christian Fein erlebte vor dem Hintergrund der Corona-Krise ein kleines Lehrstück in Sachen Gesetze und Bürokratie.
Eigentlich sollte für den jungen Mann am 1. Juli ein neuer Lebensabschnitt beginnen. Bis zu diesem Zeitpunkt arbeitete er als Berater für Software-Dienstleistungen und machte sich einen Namen als Gründer des Vereins „Keiner bleibt allein e.V.“ Bereits im vergangenen Jahr fasste er den Entschluss, seinem Leben einen neuen Anstrich zu verpassen. Der richtige Moment schien gekommen, als Sabine Heß, ehemalige Geschäftsführerin vom BB on the Rockzz. beschloss, die Kneipe unter der Brunhildenbrücke nicht mehr weiter führen zu wollen. Als Stammgast der Kneipe BB on the Rockzz stand für ihn fest, das BB muss gerettet werden. Zugleich war es ein willkommener Anlass, sich einer neuen Herausforderung zu stellen nach so vielen Jahren in der IT-Branche. Am Anfang nahm alles seinen routinierten Lauf. Mit dem Verpächter Immobilien Bastian, der Brauerei Karlsberg und der Vorgängerin Sabine Heß wurde im Februar die Übernahme der Konzession und der Schankwirtschaft BB on the Rockzz mündlich besprochen. Am 12.03. erfolgte die Vertragsunterzeichnung. Kurz darauf am 17.03. sprach man gemeinsam im Gewerbeamt der Stadtverwaltung vor. Dort wurde ihm signalisiert, dass das alles kein Problem sei, dass lediglich die Unterlagen rechtzeitig eingehen müssten. Wer eine Gastronomie mit Alkoholausschank eröffnen möchte, muss sagenhafte 15 Dokumente beschaffen, die er dem Antrag beifügen muss. Zusätzlich wird auch die persönliche Zuverlässigkeit geprüft . Anvisiert hatte Christian Fein zu diesem Zeitpunkt den 1. Juli als Eröffnungstermin. Kurz darauf erfolgte der angeordnete Lockdown, auch die Stadtverwaltung wurde dabei erstmal runtergefahren. Dem jungen Mann kommen erstmals Zweifel, ob der Termin zu halten ist.
Im Juni, als sich die Lage wieder beruhigte, beantragte Fein die benötigten Unterlagen. An eine Eröffnung war da bereits nicht mehr zu denken. Das gab ihm wiederum Zeit, die Kneipe Corona konform zu gestalten, sodass Abstandsregelungen problemlos eingehalten werden können. Nachdem es im Juli immer noch kein Lebenszeichen von der Stadtverwaltung gab, meldete sich Christian Fein bei selbiger. Dort zeigte man sich darüber verwundert, warum er noch keinen Antrag für die Konzession abgegeben hätte. Es stellte sich heraus, dass Behörde und Kunde bei dem Termin im März offenbar aneinander vorbeigeredet haben. Christian hätte diese deutlich früher beantragen müssen, da diese gemeinsam mit der Gewerbeanmeldung eingereicht werden müsse. Am 22. Juli gab er schließlich den geforderten Antrag plus Anzahlungsgebühr ab. Kurz und knapp wurde er darüber informiert, dass dieser trotzdem nicht bearbeitet werden kann, da noch sechs Anträge vor ihm offen seien. Zusätzlich erhielt er die Information, dass es einen weiteren Vororttermin gibt, bei welchem das Gewerbeamt die Lokalität auf Corona Konformität abnimmt. Bereits zwei Tage später schlug das Gewerbeamt vor Ort auf. Dort teilte man dem verdutzten Junggastronomen mit, dass er einen neu gezeichneten Grundriss der Lokalität vorlegen muss, obwohl es keine baulichen Veränderungen gab und der alte Grundriss vorlag.
Mit laufenden Ausgaben, aber keinen Einnahmen im Rücken, wandte sich Christian Fein an verschiedene Lokalpolitiker, aber auch an unser Magazin. Gespräche zwischen Politik und Verwaltung brachten jedoch auch nicht die gewünschte Lösung. Eine vorläufige Konzession wurde abgelehnt. Schließlich teilte man ihm noch mit, dass er das falsche Führungszeugnis abgegeben hätte. Statt des einfachen, würde er ein erweitertes benötigen. Das brauche aber acht Wochen, bekam er gesagt, womit sich die Eröffnung auf Mitte Oktober verschieben würde. Ein Moment, in dem ihm klar wurde, dass es so nicht mehr weitergeht, da ihm sonst die Privatinsolvenz droht, bevor er überhaupt nur einen Euro eingenommen hat. Am Ende dieser Leidensgeschichte kommt es unvermittelt dann doch noch zu einem Happy End. Christian begibt sich auf die Suche nach Kandidaten, die das BB übernehmen würden, da er zwischenzeitlich beschlossen hatte, sein Gastronomieabenteuer wieder zu beenden. Parallel ruft er beim Bundesjustizministerium an, wo u.a. das erweiterte Führungszeugnis geordert wird. Dort bekommt er die Auskunft, dass dieses durch die Stadt Worms niemals angefragt wurde. Nach Rücksprache mit der Stadt zeigte man sich schließlich einvernehmlich und erteilte eine vorübergehende Betriebserlaubnis. Auch Nachfolger hat er gefunden: Moritz und Dariah kennen ebenfalls das BB on the Rockzz seit langem als Gäste. Ab 1. September werden sie als Gastgeber der Kiezkneipe wieder Leben einhauchen. Christian Fein wiederum wird in seinen alten Job zurückkehren und seinen Lebensmittelpunkt nach Mannheim verlegen. Und die Stadtverwaltung? Die wird weiterhin das tun, was sie tun muss; Menschen mit behördlichen Anordnungen, Anforderungen und Anträgen an den Rand des Nervenzusammenbruchs bringen.