Corona-Backfischfest 2021: Ein Fazit
28. August bis 12. September 2021 | Kisselswiese in Worms:
Das Backfischfest 2021 war eines, wie keines zuvor. Nachdem im vergangenen Jahr das beliebte Wein- und Volksfest ausfiel und durch eine private Veranstaltung ersetzt wurde, kehrte es in diesem Jahr in einer stark veränderten Form zurück. Bei einem Abschlussgespräch am 10.09. mit der Presse zeigte man sich mit dem Ablauf zufrieden und titelte in der abschließenden Pressemitteilung: „Backfischfest auch unter Corona-Bedingungen ein Erfolg“. Dennoch gab es bei dem Gespräch nicht nur glückliche Gesichter.
Weniger Besucher erlaubt, als eigentlich zugelassen waren
Man musste an diesem Freitagmittag kein besonderer Menschenkenner sein, um festzustellen, dass auf Seiten der veranstaltenden Protagonisten der Vorsitzende des Wormser Schaustellervereins e.V., René Bauer, nicht ganz so zufrieden schaute. Dementsprechend resümierte er zunächst etwas karg: „Mit Ticketsystem, Abstand und Maske konnten wir dieses Jahr nicht den großen Umsatz erwarten.“ Er ergänzte aber, dass die Schausteller dankbar seien, die Möglichkeit bekommen zu haben, wieder ein wenig Normalität leben zu dürfen. In Gesprächen mit Schaustellern zeigte sich, dass diese sich vor allem über die Koordination des Ticketsystems wunderten. Klar war, dass die Besucherzahl der Corona-Bekämpfungsverordnung angepasst werden musste. Um den Besucherstrom zu lenken, entschied sich die Stadt für ein Buchungssystem, das kurz zuvor bei dem beliebten Volksfest „Hamburger Dom“ angewandt wurde. Versprochen wurde den Jahrmarktsfamilien durch die Stadt, dass sich zeitgleich 5.000 Menschen auf dem Platz aufhalten dürften. Vergeben in einem Ein-Stunden-Takt hatten die Besucher/innen drei Stunden Zeit, sich auf der Kisselswiese zu amüsieren. Obwohl rechnerisch so eine Zahl von mindestens 15.000 Besuchern am Tag möglich gewesen wäre, sorgte die Vorsicht der Stadt Worms dafür, dass der Platz lediglich in den Abendstunden gut gefüllt war. Auf Nachfrage von WO! konnte Angela Zezyk, Bereichsleiterin Sicherheit und Ordnung, nur ungefähre Zahlen nennen. So seien ca. 2.000 Anmeldungen pro Zeitfenster möglich gewesen. Auf dem 15.000 Quadratmeter großen Gelände musste man so definitiv keine Sorge haben, in einen Aerosol-Konflikt mit weiteren Festbesuchern zu geraten. Letztlich besuchten bis drei Tage vor Ende des Festes 55.000 Menschen selbiges (in normalen Zeiten sind es rund 400.000 in neun Tagen). Das entspricht einer Tagesquote von gerademal 4.230 Menschen. Deutlich weniger, als nach der Landesverordnung möglich gewesen wäre. Ein Blick unter der Woche in das Buchungssystem zeigte zudem, dass das Fest unter diesen Bedingungen nicht gerade ein Selbstläufer war. Eng wurde es lediglich vor einzelnen Imbissbuden oder vor dem Weindorf. Dort war der Einlass auf 500 Menschen begrenzt, wodurch insbesondere am ersten Wochenende lange Warteschlangen entstanden. Um dies besser steuern zu können, führte man wenige Tage später auch dort ein Zeitfenster von drei Stunden ein. Wie Kai Hornuf, Geschäftsführer Stadtmarketing Worms, bei dem Gespräch erklärte, sei diese Regelung ohne nennenswerte Probleme angenommen worden. Zu den strahlenden Gesichtern des Weindorfs gehörten auch die Wormser Fischerwääder. Diese waren erstmals vor Ort auf der Kisselswiese mit einer eigenen Bude. Zugleich war dies eine willkommene Gelegenheit, die Vereinskassen wieder aufzubessern. Während Schausteller/ innen ihr Personal bezahlen mussten, hatte der Verein den Vorteil, dass diese auf ehrenamtliche Kräfte zurückgreifen konnten. Gemein hatten alle in diesem Jahr, dass die Stadt keine Standgebühren verlangte.
Geimpft, genesen oder getestet
Einlass gab es nur, wer eines der drei G‘s vorweisen konnte. War das der Fall, galt es einen kleinen Sicherheitsparcours zu bewältigen, der unter der Woche deutlich durchlässiger war. Zunächst kontrollierte ein Securitymitarbeiter, ob man überhaupt ordentlich angemeldet war, schließlich schaute einer über das Impfzertifikat. Danach wurde von einer weiteren Person nur die elektronische Anmeldung gescannt. Um einen Einlass mit Test zu erleichtern, hatte die Stadt dafür gesorgt, dass es ein Testzentrum vor Ort gab. Dies wurde ebenfalls von einem Schausteller betrieben. Auf die Frage unseres WO! Mitarbeiters, wie hoch der Anteil an getesteten Gästen war, reagierte man mit Unkenntnis. Zezyk erklärte, dass es ihrem Wissen nach an einem Wochenende nicht mehr als 900 gewesen seien. Wenig später erfuhr der Redakteur, dass es 900 pro Tag waren. Insgesamt ließen sich 9.000 Menschen testen, wovon sicherlich nicht alle im Anschluss das Fest besuchten. Laut Testzentrumbetreiber konnte man so zuvor ein paar wenige positiv getestete Menschen rausfinden. Die wurden umgehend dem Gesundheitsamt gemeldet. Erstaunlich ist letztlich, dass, obwohl alle Zahlen elektronisch erfasst waren, die Stadt wenig Kenntnis bzw. Interesse an diesen Zahlen hatte.
Backfischfest mit Maske/ SPD Kundgebung ohne Maske!
Oberbürgermeister Adolf Kessel betonte bei dem Gespräch, dass die Sicherheit und die Gesundheit der Besucher/Besucherinnen im Angesicht der anhaltenden Corona-Krise das Handeln bestimmt hat. Größere Menschenansammlungen, wie beim traditionellen Festumzug, im Wonnegauer Weinkeller, dem Feuerwerk oder der Eröffnung auf dem Markplatz, waren aus Sicht der Stadt nicht verantwortbar. Um zudem dem Fest einen entschlossenen Anstrich im Kampf gegen Corona zu verpassen, verordnete die Stadt auf Geheiß des Landes eine umfassende Maskenpflicht – sowohl auf dem Platz, als auch in den Fahrgeschäften. Diese Maßnahme fällt dann wohl unter das Ressort Symbolpolitik, zumal alle Besucher geimpft, genesen oder getestet waren. Denn anders ist es nicht zu erklären, dass dieselbe Landesregierung auf diese Regeln am letzten Backfischfestsamstag pfiff und selbst eine Veranstaltung mit sehr vielen Menschen auf dem Marktplatz durchführte. Dabei verzichtete man generös auf jedwede Corona-Bekämpfungsmaßnahme. Kurzum, während Backfischfestbesucher sich auf einem sehr großen Platz mit Maske bewegen mussten, jubelten auf dem Markplatz eng nebeneinander stehend die Menschen dem SPD-Spitzenkandidaten Olaf Scholz zu. Für die Schausteller war dies ein Schlag ins Gesicht. Verwunderlich ist in diesem Zusammenhang sicherlich auch die übertriebene Präsenz von Sicherheitskräften. Bei einem Fest, bei dem ohnehin nur verhältnismäßig wenige Gäste zugelassen sind, mutete es befremdlich an, dass sich bereits in den frühen Stunden des Festes 28 engagierte Securitykräfte auf den Platz tummelten, hinzu kamen etliche Mitarbeiter des Vollzugsdienstes der Stadt, eine Zahl wollte oder konnte Zezyk nicht nennen, sowie Polizeibeamte. Letztere gehörten dann auch zu den glücklicheren Gesichtern, denn bis auf ein Wochenende, so betonte die Polizei, sei es ein sehr friedliches Fest gewesen. In Anbetracht der Auflagen ist das nicht verwunderlich.
Fazit: Es war sicherlich eine mutige Entscheidung, in diesen Tagen ein Backfischfest durchzuführen. Nicht wenige malten zuvor bereits das apokalyptische Bild eines Hot Spots auf der Kisselswiese. Dieser ist dank der 3-G-Regelung ausgeblieben. Gerade vor dem Hintergrund dieser drei G’s schienen allerdings die Folgeentscheidungen der Stadt viel mehr dem Symbolcharakter geschuldet zu sein. Das ist schade, da diese Entscheidungen zu Lasten der Stimmung und der Wirtschaftlichkeit gingen und Menschen davon abhielten, das Fest überhaupt zu besuchen. Andere, die kommen wollten, stießen auf ein ausgebuchtes Ticketsystem. Bleibt zu hoffen, dass die städtischen Verantwortlichen beim bevorstehenden Weihnachtsmarkt in Sachen Mut noch ein Schrittchen weitergehen und dass es im nächsten Jahr wieder ein weitestgehend normales Backfischfest gibt.