Worms unterzeichnet Edinburgh Erklärung zum Artenschutz
Es gibt Menschen, für die sind Insekten oder eine ungepflegte Wiese lästige Dinge, die nur nerven oder am besten asphaltiert gehören, um daraus einen wunderschönen Parkplatz zu zaubern. Klar ist aber auch, dass die biologische Vielfalt die Grundlage unseres Lebens ist. Und die ist bedroht. Auch die Stadt Worms hat das erkannt und nun die „Edinburgh Erklärung“ unterschrieben.
Laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) stammen 82 Prozent der Kalorien und 60 Prozent des Proteins, das wir konsumieren, von verschiedensten Pflanzen. Fast 75 Prozent der Kulturpflanzen sind abhängig von Bestäubern, meist Bienen, die den Ertrag und die Qualität garantieren. Darüber hinaus spielt biologische Vielfalt eine wichtige Rolle für die Gesundheit der Menschen. Biologische Vielfalt und funktionierende Ökosysteme versorgen Menschen mit frischem Wasser, mindern die Folgen von Überflutungen und Krankheiten und liefern die Grundlage für die Entwicklung von Medikamenten. Das alles ist allerdings bedroht. Ungefähr eine Million Arten stehen kurz vor dem Aussterben und viele mehr sind ernsthaft bedroht. Um die Interessen von Städten, Landkreisen und Gemeinden in die internationale Biodiversitätspolitik zu tragen, haben verschiedene Städte- und Regionalnetzwerke, wie der Europäische Ausschuss der Regionen und das globale Netzwerk ICLEI (Local Governments for Sustainability), 2019 den sogenannten Edinburgh-Prozess ins Leben gerufen. Im August 2020 wurde die Edinburgh-Erklärung veröffentlicht, die seitdem von mehr als 150 Städten und anderen subnationalen Regierungen weltweit unterzeichnet wurde. Nun auch von Worms.
Ein „Ja“ für biologische Vielfalt
Diese Erklärung erkennt die angespannte Lage biologischer Vielfalt an und benennt in zehn Punkten (S. 4 der Erklärung) geeignete Maßnahmen, wie Biodiversitätspolitik und biologische Vielfalt lokal gefördert werden können. Zu den Punkten gehört unter anderem die „Anerkennung des Wertes der Natürlichen Lebensgrundlagen und Einbeziehung des Naturkapitals in die subnationalen, städtischen und lokalen Planungs-, Management- und Governance-Instrumente“. Ein Punkt, der in der Praxis auch mal an seine Grenzen stößt und die Frage nach unseren Prioritäten aufwirft . Stadtratsmitglied LUDGER SAUERBORN (AfD), der früher Mitglied der Wormser Grünen war, stellte in der Bauausschusssitzung, in der die Zustimmung zur Erklärung erfolgte, die Frage, wie es denn zusammenpasse, einerseits das Gewerbegebiet Mittelhahntal zu beschließen, andererseits ein Artenschutzabkommen zu unterzeichnen. Tatsächlich dürfte das geplante Gebiet noch für Aufregung sorgen. Zwar erklären unterschiedliche Wormser Politiker von SPD und CDU, dass man mit der Erschließung der landwirtschaftlichen Fläche zwischen Renolit und Autobahnzubringer ein nachhaltiges Vorzeigeprojekt schaffen wolle, dennoch ist klar, dass einmal mehr natürlicher Boden versiegelt wird und somit ein weiterer sensibler Eingriff in das Ökosystem vorgenommen wird. Ähnliches gilt auch für die Erweiterung des Logistikers TST. Auch hierfür muss Ackerboden versiegelt werden.
Naturschutz vs. Wachstum
Es ist das Dilemma unserer Zeit: Naturschutz versus Wachstum. Hierzu passt dann auch Punkt 5 der Erklärung. Dort geht es um die „Integration und durchgängige Berücksichtigung der biologischen Vielfalt in allen öffentlichen, privaten und wirtschaftlichen Sektoren, um eine größere ökologische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit zu erreichen“. Um dies zu erreichen, hat der Stadtrat unlängst beschlossen, dass Unternehmen verpflichtet werden, auf zukünftigen Dachflächen Photovoltaik zu installieren oder eine Dachbegrünung vorzunehmen. Doch auch hier stößt die Theorie in der Praxis auf Widerstand, wie abermals das Beispiel der Lagerhalle TST zeigt. Dennoch muss man auch sagen, dass die Stadt in den letzten Jahren einiges für den Naturschutz getan hat. So hat man Blühwiesen, Blühstreifen und blühende Wegränder in der Feldflur angelegt, die vielen Insekten und Wildtieren einen wichtigen Lebensraum bieten. Ob das reicht, ist allerdings eine andere Frage.