Kritik zu „Peter Maffay & Band“ auf Farewell-Tour
15. Juli 2024 | Cannstädter Wasen in Stuttgart: Peter Maffay sagt der großen Bühne „adieu“ und hat seine letzte Tour „We love Rock’n‘Roll – Farewell“ genannt. Die beiden ausverkauften Konzerte auf den Cannstädter Wasen in Stuttgart lockten insgesamt 32.000 Besucher an. Geboten wurde ihnen ein musikalischer Querschnitt der 55 Jahre andauernden Karriere des Mannes, der 1970 mit „Du“ seinen ersten Nummer-1-Hit verbuchen konnte. Dass bei den letzten drei Songs ein starker Platzregen einsetzte, tat der Begeisterung des Publikums keinen Abbruch – im Gegenteil.
Bob Marley hat einmal gesagt: „Wenn es regnet, werden die einen Menschen nass, andere tanzen im Regen“. Der Großteil der Sechzehntausend in Stuttgart entschied sich für Letzteres und machte den Abend zu etwas Besonderem. Ausgerechnet zu „Sonne in der Nacht“ setzte ein heftiger Platzregen ein und sorgte für ein häufig zu beobachtendes Phänomen bei Konzerten, denn jetzt schien der Stimmungspegel noch einmal zu steigen. Und wenn sich dann auch noch der Künstler mit dem Publikum solidarisiert und sich auf die Lautsprecherboxen in den strömen- den Regen stellt, dann möchte man dem Ende August 75-Jährigen mahnend zurufen, dass er auch nicht mehr der Jüngste ist. Wenn man allerdings gesehen hat, wie der immer noch durch und durch drahtige Frontmann zuvor drei Stunden lang über die Bühne gewetzt ist, stellt sich eher die Frage, warum dies seine letzte große Tour sein soll?
Das erste von zwei Stuttgarter Konzerten der „Farewell-Tour“ geriet – wie auch andernorts – zu einem Triumphzug, der im Laufe des Abends einige denkwürdige Momente bereithielt. Schon der Start verlief spektakulär. Zu „Schatten in die Haut tätowiert“, Ma?ays Bikerhymne aus den 80ern, drehte er auf einer Harley Davidson eine Runde auf dem weitläufigen Gelände der Cannstädter Wasen, um dann direkt auf die Bühne zu brettern und scherzhaft zu bekennen, dass das die bisher längste Anreise war. Dann folgten Hit auf Hit. Rock pur mit „Carambolage“, die unvermeidliche Schlager- Schmonzette „Du“, kernigen Rock’n’Roll mit „Samstagabend in unserer Straße“, erste Tränchen im Publikum bei „Weil es dich gibt“, absolute Textsicherheit zeigte das Publikum bei „Und es war Sommer“ und ahmte auch die „Piu-Piu-Piu“ des prägnanten Gitarrenri?s nahezu perfekt nach.
Vor der 80er Jahre Antikriegshymne „Eiszeit“ vertrat Maffay die These, dass „mehr Waffen nicht zu Frieden führen“ und plädierte für die Aufnahme von Friedensverhandlungen, so schwer es nach den erfolgten Gräueltaten auch falle. Der folgende Song „Liebe wird verboten“ greift auf die düsteren Vorahnungen von Aldous Huxleys Roman „Schöne neue Welt“ zurück. Zwar vor 45 Jahren entstanden, ist der Text dennoch aktueller denn je. Modisch im Schottenrock angetreten, betrat anschließend mit dem Mannheimer Comedian BÜLENT CEYLAN der erste Gaststar die Bühne und hatte seinen eigenen Song „Anders gleich“ mitgebracht, den er im Duett mit Maffay sang. Textlich klar gegen Rassismus positioniert, hat das Stück musikalisch allerdings nur abgeschmackten Hardrock zu bieten. Immerhin konnte Bülent aber mit Maffay-Imitationen für ein paar Lacher sorgen.
Am zweiten Abend in Stuttgart war Hartmut Engler von PUR zu Gast und sang mit Maffay den Song „Tiefer“. In den anderen Städten hatten zuvor u.a. Rea Garvey, Tim Bendzko, Joy Delanane (Berlin), Wolfgang Niedecken (Köln) und Johannes Oerding als Gäste für regionale Highlights gesorgt. In der Mitte des Konzertes durfte Maffays mittlerweile 20-jähriger Sohn Yaris, ansonsten einer von vier Backgrundsängern, seinen Song „Abenteuer“ vortragen und Werbung für seine erste eigene Tour im Herbst machen. Der auf den Plakaten angekündigte zweite Gaststar ANASTACIA stieg zu „Der Mensch, auf den du wartest“ am Ende des Songs ein und versemmelte gleich mal ihren deutschen Text. Das klappte bei „Just you“ zwar deutlich besser, auch wenn Maffays Nr.1-Hit „So bist du“ in der englischen Version an Intensität verliert. Dafür sorgten die eigenen Nummern von ANASTACIA, „Left outside alone“ und „I’m outta love“, für Bewegung im Publikum.
Im Duett mit Maffays langjähriger Backgroundsängerin LINDA TEODOSIU setzte der Weltstar mit „You shook me all night long“ noch einen obendrauf. Wie passend, denn AC/ DC haben einen Tag nach Ma?ays Doppelkon- zert an gleicher Stelle gespielt. So neigte sich ein kurzweiliger Abend dem Ende entgegen, der nur einen Makel hatte: So mancher Fan hätte sich für die Abschiedstour eher „Maffay pur“ gewünscht. Nach so vielen fremden Stücken lag nun der Fokus wieder auf seinen eigenen Songs und das Konzert steuerte zum Finale hin auf seinen musikalischen Höhepunkt zu. Gänsehaut pur und ein riesiges Lichtermeer gab es bei Maffays Tabaluga-Hymne vom Erwachsensein „Nessaja“, während „Über 7 Brücken“ erneut einen tausendfachen Chor mobilisierte. Derweil offenbarte eine berauschende 12-Minuten-Verson von „Sonne in der Nacht“, welche famosen Musiker Maffay um sich geschart hat. Da war auch der nun einsetzende Starkregen egal und das Publikum erklatschte sich noch zwei Zugaben.
Im letzten Song „Mein Wort“ sang Maffay vielsagend: „Auch wenn der letzte Vorhang fällt, ich geh noch nicht fort ich geb euch mein Wort.“ Heißt im Klartext: Musik wird er zwar weiter machen, aber das Abschiedskonzert seiner letzten großen Tour fand am 20. Juli in der Leipziger Red Bull Arena vor 38.000 Zuschauern statt.
FAZIT: Nach diesem grandiosen Abend ist es schwer vorstellbar, dass der Mann, der mit zwanzig Nummer-eins-Alben einen Weltrekord hält und auch mit 74 immer noch topfit wirkt, von der Bühne verschwinden wird. Gleichwohl sei ihm mehr Zeit mit seiner Frau Hendrikje und seiner fünfjährigen Tochter Anouk gegönnt. Eine Comeback-Tour gibt es dann zum Achtzigsten…
Text: Frank Fischer, Fotos: Stefan Schweizer, Michael Metz