Wie geht es weiter mit dem Nibelungenmuseum?

Es ist ein Dilemma. Eigentlich sind die Nibelungen das touristische Alleinstellungsmerkmal der Nibelungenstadt Worms und das Nibelungenmuseum der Ort, an dem diese ganzjährig erlebbar sein sollen. Während die Festspiele für den überregionalen Glamour verantwortlich sind. Während das mit den Glamour zumindest für eine kurze Zeit funktioniert, sucht man die Nibelungen in einer musealen Präsentation auch in den nächsten Monaten vergeblich…

Stellen Sie sich vor, Sie sitzen im Kino und schauen sich die aufwendige Nibelungen Verfilmung „Hagen – Im Tal der Nibelungen“ an. Das Gesehene begeistert Sie so sehr, dass sie mehr über die Nibelungen erfahren möchten. Und wo könnte das besser gehen, als in jener Stadt, die auch in dem Film mehrfach erwähnt wird und die sich selbst als Nibelungenstadt vermarktet, nämlich Worms? Dumm nur, dass der neugierige Tourist auf den Spuren der Nibelungen eher ein detektivisches Gespür an den Tag legen muss, um in der Nibelungenstadt mehr über dieses Thema zu erfahren. Zwei Brunnen, ein Denkmal, eine eigenwillige Lichtinstallation, ein derzeit ungepflegter Rosengarten, Straßennamen und ein paar Wandbilder – das wars. Informationen dazu, was die Nibelungen aka die Burgunder mit Worms zu tun haben, sucht man lieber im Internet, da sie in Worms ohnehin nicht zu finden sind. Glück für Worms, dass der potentielle Kassenschlager „Hagen“ sich bisher an den Kassen eher schlecht schlägt. So wollten am ersten Startwochenende (17. bis 20.10.24) gerade mal 7.000 Zuschauer sich im Tal der Nibelungen aufhalten. Das sind keine guten Zahlen und vielleicht ein Beleg dafür, dass das Interesse an den Nibelungen im Jahre 2024 eher überschaubar ist. Doch ähnlich wie das Interesse für den Film überschaubar ist, kann man auch im Worms des Jahres 2024 zu dem Schluss kommen, dass das städtische Interesse am Alleinstellungsmerkmal nicht mehr ganz so ausgeprägt ist. Ganz in der Tradition des Louis Armstrong Klassikers „We have all the time in the world“ hat sich zwar das Nibelungen-Dilemma bereits im Jahre 2020 angekündigt, doch statt nach Lösungen in Bezug auf das marode Nibelungenmuseum zu suchen, ließ die Stadt den Betrieb weiterlaufen und Jahre verstreichen, bis schließlich in diesem Frühjahr der große Knall kam.

Das Museum am Ende des Flurs

Es war die Frage, wie man das gewaltige Nibelungen-Erbe für Worms nachhaltig nutzen könnte, die dazu führte, dass im August 2001 das Nibelungenmuseum im Schatten der altehrwürdigen Stadtmauer eröffnete. Von Beginn an sorgten sowohl Konzeption als auch die Architektur für Kontroversen. Während die Architektur vielen zu futuristisch anmutete, galt der inhaltliche Ansatz des Museums schnell als zu verkopft. So erkannte das auch von Stadt und Hochschule gemeinsam erstellte Tourismuskonzept 4.0: „Zudem ist es in seiner derzeitigen Präsentationsform lediglich einem gebildeten Publikum zugänglich.“ Historisch durchaus interessant aufgearbeitet, wurde das Museum wiederum dem Mythos Nibelungen nur wenig gerecht. Da das Angebot eines ganzjährigen Museums auch als Ergänzung zu den Festspielen zu verstehen war, konnte man sich zudem über die Abwesenheit der Festspiele in dem Museum nur wundern. Stattdessen gab es zeitweilig Kostüme aus dem Fundus des Mannheimer Nationaltheaters.

Ein neuer Anfang?

Werbung für die eigene Stadt sieht anders aus. Dennoch beharrte die Stadt darauf, dass das Nibelungenmuseum unter den Wormser Museen das meistbesuchte war, wobei auch hier die Zahlen weit hinter den Erwartungen zurückblieben. Gerechnet hatte man jährlich mit rund 40.000, laut Angabe der Stadt waren es durchschnittlich aber nur 18.000 Besucher. Ein nicht unbeträchtlicher Teil war dabei den zahlreichen Schulen zu verdanken, die das Nibelungenmuseum besuchten. Da seit 2020 die technischen Probleme des Museums nicht besser wurden, folgte schließlich zum 1. April 2024 das Aus für das Museum. Frei nach dem Motto, in jedem Ende steckt ein neuer Anfang, wäre das nun die Chance, die Nibelungen in eine neue schillernde Zukunft im Schoße des Museums der Stadt Worms im Andreasstift zu führen. Das wird zwar letzten Endes passieren, aber anders als gedacht. Während sich die Nibelungenliedgesellschaft schnell mit dem Gedanken anfreundete, in der Andreaskirche das Alleinstellungsmerkmal stolz zu präsentieren, regte sich alsbald Widerstand von verschiedenen Seiten. Der Altertumsverein pochte auf sein Mitbestimmungsrecht bei der Gestaltung des Museums und der Kurator Dr. Olaf Mückain auf die Möglichkeit, weiterhin Sonderausstellungen im begehrten Innenraum der Andreaskirche durchführen zu können.

Nach vielen Diskussionen wurden nun im Kulturausschuss die Pläne seitens der Stadtverwaltung vorgestellt und die enden damit, dass die Nibelungen irgendwann in naher Zukunft am Ende des Flurs in einer Sackgasse im Erdgeschoss des Andreasstifts zu finden sein werden. Im sogenannten Turmzimmer, einem Zimmer, das zuletzt bei der Sonderausstellung „Luther 1521“ genutzt und hierfür auch saniert wurde, sollen die Nibelungen auf rund 88 Quadratmetern für die nächsten Jahre eine Heimat finden. Angedacht ist auch, dass die Nibelungen im kleineren Nachbarzimmer, dem Tagungsraum des Altertumsvereins, vorübergehend präsentiert werden könnten. Vorübergehend heißt: bis 2030. Denn dann feiert das Museum seinen 100. Geburtstag und zum runden Geburtstag soll es eine neue Konzeption geben.

Gehören die Nibelungen zu Worms?

Ob die Nibelungen im stadtgeschichtlichen Museum irgendwann einen prominenteren Platz bekommen, das soll eine externe Agentur klären. Zentrale Feststellung ist hierbei: „Erst durch eine solche Konzepterstellung
mittels externen Büros wird aufgezeigt werden können, ob das Museum der Stadt Worms mit seiner Stadtgeschichte, archäologischen Sammlung und der Ausrichtung des Hauses der geeignete Ort ist, das Thema Nibelungen langfristig in diesem Haus zu verankern (…).“
Eine Ausgangsfrage, die durchaus verwundern kann, zumal bereits das Nibelungenmuseum den Zusammenhang zwischen Sage, Lied und Worms herstellte. Noch verwunderlicher wird diese Perspektive, wenn man bedenkt, dass im stadtgeschichtlichen Museum der ältesten Stadt Deutschlands immer wieder Kunstausstellungen („Tanz ins Zwanzigste“, „Norbert Bisky“ und aktuell „Leonhard Sandrock“), die wenig bis gar nichts mit der Stadtgeschichte zu tun haben, stattfinden. Stadtrat Dr. Jörg Koch merkte dann auch im Kulturausschuss kritisch an, dass Worms auch in den vergangenen 150 Jahren über wichtige Themen verfüge, die es wert seien, dargestellt zu werden. Ein solches Thema ist die Bauernschlacht in Pfeddersheim, die 1525 stattfand und der im nächsten Jahr eine Sonderausstellung gewidmet wird.

Das liebe Geld…

Ob bis dahin die Nibelungen endlich wieder museal entdeckt werden können, hängt natürlich nicht nur von den Fragen der Konzeption ab, sondern auch vom lieben Geld. Denn eine vernünftige Präsentation kostet. So kalkuliert die Stadt, dass alleine die Inszenierung im Turmzimmer zwischen 150.000 und 170.000 Euro kosten wird. Die Aufbereitung des Altertumsvereinszimmers ist in diesem Vergleich mit gerademal 6.000 kalkulierten Euros wahrlich ein Schnäppchen. Hinzu gesellt sich noch eine anvisierte wissenschaftliche Beratung plus Medienkampagne für rund 25.000 Euro. Da die Stadt Worms aber bekanntlich große finanzielle Sorgen hat, ist es ohnehin fraglich, ob die Nibelungen aus ihrem derzeitigen Dornröschenschlaf im kommenden Jahr erweckt werden können. So merkte auch die Verwaltungsleiterin Ulrike Breitwieser im Kulturausschuss an, dass das Geld für die Nibelungen derzeit noch nicht im Haushalt festgelegt sei. Ob die finanzielle Situation überhaupt einen Spielraum für die Nibelungen erlaubt, das wird in den nächsten Wochen zu entscheiden sein, wenn Stadtrat und Verwaltung versuchen, einen genehmigungsfähigen Haushalt zu erstellen.

Text: Dennis Dirigo

Lesen Sie in der nächsten Ausgabe in „Das Nibelungen-Dilemma, Teil 2“ eine Betrachtung der Nibelungen-Festspiele unter dem Gesichtspunkt des touristischen Nutzens.