Am 15. Januar feierte Michael Kissel seinen 60. Geburtstag und sorgte zu später Stunde für eine kleine Sensation. Mit einer kubanischen Zigarre in der linken und einem Glas Cuba Libre (mit zwei Eiswürfeln) in der rechten Hand kündigte der Oberbürgermeister unserem Klatschkolumnisten Bert Bims gegenüber an, dass er noch in diesem Jahr von seinem Amt als Oberbürgermeister zurücktreten werde. Kissel zieht es in die große Politik.
„Schauen Sie, Herr Bims, als ich bei meiner geliebten Stadt Worms als Stadtassistentenanwärter angefangen habe, hätte ich nie gedacht, dass ich einmal Leiter des Umweltamtes werde. Jetzt bin ich sogar OB. Früher hatte ich aber noch Kontakt zum kleinen Mann, als ich an der Tür geklingelt und die Abgaswerte gemessen habe. Heute sorge ich selbst für den größten Müll“, so entfuhr es dem Oberbürgermeister entwaffnend ehrlich zu später Stunde. Wenn Kissel auf seine Zeit als OB seit 2003 zurückblickt, findet er nur noch wenig Ziele für die Zukunft: „Ich habe „Das Wormser“ für fast den doppelten Preis bauen lassen. Selbst das Haus am Dom, das keiner will, wird gebaut. Was könnte ich also noch mehr verbocken? Unter meiner Ägide ist die Verschuldung der Stadt sprunghaft angestiegen, aber ist es wirklich noch ein Ziel, in Sachen Verschuldung die Milliardengrenze zu sprengen?“ Diese Worte soll Kissel weit nach Mitternacht gedankenverloren vor sich hin gebrummelt haben. Was besonders an ihm zehrt, ist die Tatsache, dass es mehr Gegner für das „Haus am Dom“ bzw. seinen geplanten Standort gibt, als Wormser Bürger, die den Oberbürgermeister Kissel gewählt haben. Das kann schon deprimieren. Als Kissel nun beim Neujahrsempfang der SPD Neuhausen wieder auf seinen Parteikollegen Kurt Beck traf, geriet der Wormser OB ins Schwärmen. Schließlich durfte Beck sogar zeitweise ganz alleine in Rheinland-Pfalz regieren und hierbei seine Schäfchen – und die seiner Freunde – so richtig ins Trockene bringen. Der musste nicht erst, so wie Kissel in Worms, die CDU belabern. Das ging ratzfatz, da hatte der Kurt am Nürburgring mal eben eine halbe Milliarde (!) verbrannt, weil der Elektromeister gemeint hat, er hätte Ahnung von der Wirtschaft. Da kann ein Wormser OB schon mal neidisch werden, der sich schon für 50 Millionen Euro Baukosten für ein KUTAZ rechtfertigen muss. Neidisch blickt der machtversessene Kissel deshalb immer wieder nach Mainz und sieht offensichtlich dort seine Zukunft.
Unser WO! Magazin, das in den Jahren seit Kissels Amtsantritt im Jahr 2003 stets im Verdacht stand, Haus- und Hofberichterstatter des OBs zu sein und von unseren Lesern ein ums andere Mal bezichtigt wurde, viel zu wohlwollend über Kissels Politik zu berichten, müssen umschwenken. Jetzt, wo feststeht, dass wir wohl noch in diesem Jahr OB-Neuwahlen erleben werden, können wir endlich raus damit: Auch wir fanden Kissels Politik kritikwürdig, aber wir sind halt auch nur von der Elite gekaufte Journalisten, die den OB – freilich nicht ohne entsprechende Entlohnung – auch dann noch gestützt haben, als andere schon längst seinen Rücktritt gefordert haben. Dafür möchten wir uns bei unseren Leserinnen und Lesern entschuldigen. Beim nächsten OB wird alles anders.