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„PASST ZUM TEXT, DER BILDER IM KOPF MACHT“

Ein Blick zurück auf die „Theaterbegegnungen“ im Kulturprogramm der Nibelungen-Festspiele

13. Juli 2025 | Heylshof Park in Worms: Für festspielbegeisterte Menschen, die mehr wissen wollen, gehören die Theaterbegegnungen am ersten Sonntag nach der Premiere längst zum festen Ritual. Und so versammelten sich auch in diesem Jahr bei schönstem Sommerwetter zahlreiche Neugierige im idyllischen Ambiente des Heylshofs.

Einmal mehr moderiert von dem Filmkritiker Rüdiger Suchsland ging die erste Frage dieses Vormittags an den Festspielintendanten und Filmproduzenten Nico Hofmann. Gefragt, wie er das Stück erlebte, erklärte Hofmann, dass er am Montag vor der Premiere zum ersten Mal das komplette Stück sah und die Reaktion war nicht gut. „Am Montag war ich verzweifelt, vor allem über den zweiten Teil“, gab Hofmann zu, lobte aber die Qualität des Textes von Roland Schimmelpfennig. Dennoch räumte er ein, dass es erhebliche Tempoprobleme gab und das Stück im zweiten Teil deutlich zu lang gewesen sei. Der Autor stellte wiederum schmunzelnd fest, dass Zeit die größte Herausforderung sei: „Es gibt ja hier das schreckliche Zeitlimit. Wir hätten auch bis 2 Uhr gespielt.“ Doch damit hätte man womöglich gegen das 11. Gebot verstoßen, denn das lautet „Du sollst nicht langweilen“, wie Thomas Laue augenzwinkernd erklärte. Und so kam zu erheblichen Kürzungen. Für die Regisseurin Mina Salehpour gab es aber nicht nur die Herausforderung, Schimmelpfennigs Text in den Griff zu bekommen, sondern auch so zu inszenieren, dass die 40. Reihe ebenfalls ein Erlebnis hat. Dass das gelang, war nicht nur den unübersehbaren Kiesbergen geschuldet, sondern einem neuen Tonsystem. Wie Salehpour ausführte, macht das neue Tonsystem auch in den hintersten Reihen ein dynamisches Sounderlebnis spürbar. Im Grunde ein 5.1 Tonsystem für Open Air Theater, das eine räumliche Zuordnung über die Akustik ermöglicht. Wie sie fand, eine optimale Technik: „Passt zum Text, der Bilder im Kopf macht“.

Carla Reemtsma im Gespräch mit Rüdiger Suchsland. Foto: Dennis Dirigo

Zudem erklärte die Regisseurin, wie es zu der Kieslandschaft kam: „Wir überlegten, was ist der Schatz der Erde? Als geborene Iranerin liegt Öl nahe, was wir hier aber nicht haben. Auch seltene Erden waren eine Überlegung. Da das Bühnenbild nicht weggeweht werden darf, kamen wir irgendwann auf Kieselsteine“. Diskutiert wurde anschließend darüber, ob die Nibelungen das deutsche „Game of Thrones“ seien, wie Suchsland die Sage beschrieb und wie sie auch von Hofmann gerne bezeichnet werden. Schimmelpfennig lehnte diesen Vergleich mit dem Verweis auf die sex- und gewaltverherrlichende Attitüde der erfolgreichen amerikanischen Serie rigoros ab und erklärte: „Die Endstufe ist Porno!“. Für den Autoren steht Gewalt zwar auch im Fokus der Nibelungen, aber in einem deutlich ernsthafteren Kontext. Dabei verwies er auf das Thema Gewalt gegen Frauen. Ebenso habe ihn der Naturaspekt gereizt, den er in Form des Drachen und des Lindenblatts verarbeitete. Den Blick auf die Natur richtete auch der nächste Talkgast, nämlich die Aktivistin Carla Reemtsma. Seit Januar 2019 ist sie Mitorganisatorin von Demonstrationen und anderen Aktionen der Fridays for Future-Bewegung. Wobei in dem Gespräch auffiel, dass Suchsland erhebliche Probleme hatte, einen Dialog zwischen Regisseurin Salehpour und Reemtsma in Gang zu bringen.

Fazit: Auch wenn der umweltökologische Schlenker im Kontext mit den Theaterbegegnungen etwas forciert wirkte, war die Veranstaltung wieder mal eine spannende Ergänzung zu dem Hauptstück. Schade war vor allem, dass es im Gegensatz zu früheren Jahren – abseits der Gespräche – keine weiteren Programmpunkte gab.