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Was von „Worms wow“ übriggeblieben ist

Ein Blick zurück auf „Worms wird wow“

Am Anfang standen große Worte, als im Februar 2022 Oberbürgermeister Adolf Kessel und Bürgermeisterin Stephanie Lohr gemeinsam mit weiteren Verantwortlichen enthusiastisch mitteilten, dass im Rahmen eines Förderprogramms „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ ca. 2,3 Millionen Euro vom Bund im Laufe der Förderzeit überwiesen wurden. Die Stadt musste wiederum etwas mehr als 300.000 Euro aus dem eigenen Haushalt beisteuern. Zusätzlich gab es einen Förderbescheid des Landes (Innenstadt Impulse) in Höhe von 450.000 Euro, der ebenfalls dazu genutzt wurde, um Worms wow zu machen. Nun läuft am 30. November 2025 das Programm leise, fast geräuschlos aus. Doch was ist geblieben? 

Pop Up Stores als Retter der Innenstadt?

Viel Hoffnung im Kampf gegen der Leerstand setzte man zu Beginn des Projektes in das Pop Up Store Konzept. Hierfür engagierten die Verantwortlichen die junge Mainzer Werbeagentur „hier und jetzt“, die nach eigener Aussage auf genau dieses Thema spezialisiert sei. Mit viel Geld aus dem Fördertopf, unbestätigte Quellen sprechen von rund 100.000 Euro, wurde demtsprechend das Sprungbrett Worms in Form eines Ladengeschäfts in der KW angemietet, umgebaut und nach mehreren Verzögerungen irgendwann eröffnet. Als erstes Problem zeigte sich schnell, dass es weniger Interessenten gab als erhofft. Zwar wiesen zuvor nicht wenige Kritiker, auch aus unseren Redaktions- reihen, auf dieses Problem hin, doch im Glauben, dass – irgendwo in Worms versteckt – in Garagen zahlreiche Start-ups genau auf diesen Moment warteten, zog „Worms wird wow“ das Vorhaben dennoch durch. Immerhin fanden sich am Ende ganze zwei Jungunternehmer, die das Sprungbrett wagten zu nutzen. Während Jason Heitmann mit seinem „Sneaker-Empire“ einen Reinigungs-, Pflege- und Indivi- dualisierungsservice für Sneakers anbot, lockte Bianca Erdmann mit raffinierten Schokoladenkreationen unter dem Label „Chocolate Magic Touch“. Beide sind zwischenzeitlich wieder ausgezogen. Nachfolger gab es bis zum Ende von „Worms wird wow“ keine. Immerhin blieb „SneakersEmpire“ der Innenstadt erhal- ten und ist heute in der Kaiser Passage zu fin- den. Den Laden in der KW holte wiederum die Vergangenheit ein und er gehört heute wieder zum Leerstand. Nimmt man die Reduzierung des Leerstands als Maßstab für das dreijährige Projekt, so hat „Worms wird wow“ das Problem nicht signifikant verändert. Mit dem „Café Jireh“ in der Hafergasse und „Morilla Sports“ in der Kämmererstraße wurden immerhin zwei Mieter gefunden, die aktuell noch vor Ort sind. Doch auch drei Jahre später ist das drängendste Problem der Innenstadt, der Leerstand, nicht ansatzweise gelöst. Das betrifft ebenso das digitale Leerstandsmanagement, dass den Leerstand transparenter machen sollte, in Gänze fertiggestellt. „Die Stadt plant, das digitale Leerstandsma- nagement weiter auszubauen und als zentrale Schnittstelle zwischen Eigentümern und potenziellen Mietern zu etablieren. Die Etablierung eines solcher Plattform umfasst einen Zeithorizont von etwa 1,5 bis 2 Jahren (bspw. in Hanau), erste sichtbare Ergebnisse sind also im 2. Quartal 2026 zu erwarten“, so der städtische Pressesprecher Carsten Schneider-Wiederkehr.

*makesusvisible

Mit Kultur wow werden

Doch nicht nur Leerstand sollte bekämpft werden, zeitgleich war ein Ziel des Projektes, die Innenstadt positiv zu beleben und das am besten mit Kultur. Und so entstanden unter anderem „Musik am Gammi“ und die „Wormser Weinmeile“, die vom Start weg im Jahr 2022 gut an- genommen wurden und dementsprechend auch in den kommenden Jahren fortgesetzt werden sollen. Fragwürdig hingegen erscheinen diverse Kunstinstallationen, die sehr teuer waren und vor allem darunter leiden, dass sie nicht gesehen werden. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Nun liegt bekanntlich Kunst im Auge des Betrachters und richtig ist, dass sich Kunst nicht immer in Zahlen messen lassen kann. Doch in was sie sich messen lassen muss, ist die Wahrnehmung. Denn was nützt die provokanteste Kunst, wenn sie niemand sieht? Als habe man nichts aus der unsichtbaren Schatzinstallation am Rhein gelernt, setzte man bei „Worms wird wow“ zunächst auf virtuelle Denkmäler, die unter dem Namen #makeusvisible historische Wormser Frauen sichtbar machen sollten. Insgesamt wurden in der Innenstadt fünf Schilder verteilt, auf denen ein QR Code zu finden ist. Einmal abgescannt, erwacht schließlich eine Figur zum virtuellen Leben. Das Problem ist wiederum, dass die meisten Passanten die Schilder übersehen oder erst gar nicht einordnen können. Wie viele überhaupt die Codes gescannt haben, dazu kann die Stadt keine Aussagen machen. Zwar hat man die Rechte zwi- schenzeitlich gekauft, da allerdings eine Nutzerauswertung extra Geld kostet, hat man darauf verzichtet. Als unsichtbar, aber dennoch teuer, zeigte sich auch das SchUM-Mobil. 40.000 Euro verschlang der Holzwagen, der bei Veranstaltungen auf das jüdische Erbe aufmerksam ma- chen sollte. Nach einer großen Präsentation im Dezember 2023 folgte erst mal nicht mehr viel. Im Gegenteil, vielmehr verschwand das Mobil aus der Öffentlichkeit und wurde nicht mehr gesehen. Zwischenzeitlich scheint es immerhin eine neue Heimat gefunden zu haben, nämlich im SchUM Lab am Neu- markt, das in diesem Monat eröffnet. Aus dem Blickfeld der Öf- fentlichkeit ist aktuell auch die KI gesteuerte Installation „Frida“ verschwunden. Wobei sich ohnehin erstmal die Frage stellt, ob das der Öffentlichkeit überhaupt aufgefallen ist, da die virtuelle Dame namens Frida lediglich in den Abendstunden zu sehen war. Da das Pro- jekt wiederum im Sommer gestartet wurde und zunächst im Co-Working-Space am Lutherplatz beheimatet war, dürften nur wenige Menschen einen Plausch mit Frida geführt haben. Wie viel das Projekt verschlungen hat, darüber möchte die Stadt zwar nicht reden, spricht aber immerhin von einem höheren fünfstelligen Betrag. Wie zu hören ist, sollen die Ausgaben so manch in- volviertem Akteur die Tränen in die Augen ge- trieben haben. Immerhin soll Frida ein Come- back erleben. „Der planmäßige Standort wird im neuen Foyer des Bürgerservices in der Folz- straße sein. Leider haben sich die Umbaumaßnahmen sehr verzögert, was wir bedauern, aber nicht beeinflussen konnten. Wir sind aber guter Dinge, dass Frida bald einziehen kann und dann auch ihre volle Wirkung entfaltet. Nutzerzahlen gibt es Stand jetzt noch nicht, diese sollen bis Ende 2026 vorliegen“, erklärt die Stadt. Vielleicht kann sich die Stadt dann zukünftig das Geld für das Empfangspersonal sparen. Immer- hin gelang mit der Installation „Street of Music“ den Verantwortlichen ein Projekt, das bei den Wormsern erstaunlich gut ankommt und das zu den gelungenen und vor allem bleibenden As- pekten von „Worms wird wow“ gehört.

Foto: Dennis Dirigo

Mit Optimismus in die Wormser Zukunft

Grundsätzlich stellt sich am Ende des Projek- tes die Frage, welche Erkenntnisse die Stadt aus drei Jahren „Worms wird wow“ gewonnen hat? Die Antwort fällt eher nüchtern und schwam- mig aus: „Die Stadt hat positive Impulse für die Innenstadtentwicklung    und das Leerstandsmanagement gewonnen. Aber ein dreijähriges Förderprogramm kann den Wandel in der Innenstadt alleine nicht bewältigen. Wir teilen hier unsere Nöte mit nahezu allen Innenstädten in Deutschland.“ Hatte man drei Jahre zuvor noch die Vision einer prosperierenden Innenstadt, hielt nun die Realität Einzug in das „Wow“-Projekt. Dennoch ist die Stadt der Meinung, dass sich der Einsatz von Geld und Manpower gelohnt habe. „Besonders das digitale Leerstandsma- nagement zeigt Potenzial, aber es muss weiter ausgebaut und kontinuierlich gepflegt werden. Die Marketingkampagne war erfolgreich in der Steigerung des Stadtimages und die erarbeite- ten Konzepte haben und werden das Stadtbild positiv verändern. Die Umsetzung einiger Maßnahmen erfolgt aber erst im kommenden Jahr, wie bspw. Projekte in der KW, Lückenschluss Adenauerring, Sanierung der Grünanlage 118er Denkmal, etc.“, so das Fazit der Stadt. Positiv bewertet die Stadt auch die Kampagne des Trie- rer Unternehmens „Markenmut“, das eine überregionale Werbekampagne etablieren sollte und dem Worms unter anderem die netten Lie- gestühle zu verdanken hat. „Die Marketingkampagne hat das Stadtbild positiv verändert, vor allem durch die Betonung der lokalen Identität. Die Reichweiten in den Sozialen Medien waren sehr gut. Die Kampagne und der Titel wurden außerhalb von Worms deutlich positiver bewertet als innerhalb von Worms. Aber die Kernbotschaft ist dennoch angekommen: In der Wormser Innenstadt tut sich was, die Wormser suchen nach Lösungen, probieren neues aus und überraschen auch“, zeigt sich die Stadt zufrieden und hat sich auch gleich Gedanken über die Zeit danach gemacht. „Zukünftig will die Stadt digitale Kommunikationskanäle und lokale Veranstaltungen verstärken, um die Marke „Worms“ weiter zu stärken. Die Kampagne Wormsliebe trägt dazu bei, ist aber ausdrücklich keine Innenstadtkampagne, sondern umfasst die ganze Stadt“, so Schneider-Wiederkehr. Nach „hier und jetzt“ und „Markenmut“ engagierte man mit dem Planungsbüro „Stadtkinder“ eine weitere Agentur. Die beschäftigte sich mit dem Thema „Generationsübergreifende Innenstadtentwicklung“.  Das daraus entwickelte Konzept wurde im Februar dieses Jahres vorgestellt (siehe WO! 02/25). Umgesetzt wurde davon bisher nichts. So wurde ein geplanter Ballonwettbe- werb kurzfristig aufgrund von Protesten abgesagt. Dem geplanten Baumstamm-Mikado am Lut- herplatz erteilte wiederum das Grünflächenamt eine Absage. Dennoch zeigt sich die Stadt optimistisch und erklärt: „Hier werden bereits in wenigen Wochen erste Ergebnisse sichtbar sein. Neue Spielgeräte sind bestellt und sollen noch in diesem Jahr aufgebaut werden. Erste Aktionen wie der Sandkasten an der Vinothek wurden bereits erfolgreich durchgeführt und auch beim Mantelsonntag wird es ein Angebot geben. Das Projektteam möchte die Nibelungen für Groß und Klein in der Innenstadt erlebbar machen, dazu läuft aktuell eine Ausschreibung.“ Mehr möchte die Stadt zur gegebenen Zeit im Innenstadtausschuss erklären. Für die meisten Wormser dürfte am Ende der Projekt- zeit wohl eher „Worms wird wow“ als zynisches Zitat, mit dem man alles Negative kommentieren kann, übrigbleiben. Hätte die Stadt zeitig ein Phrasenschwein bei jeder Nutzung des Wortes etabliert und mit entsprechendem Gegenwert füllen lassen, so wäre heute vielleicht ansatzwei- se der Schuldenberg ein wenig abgeschmolzen. So werden aber vor allem die „Worms Signatur“ und das „Hagen Mural“, das nach dem Brand allerdings nicht mehr durch „Worms wird wow“ finanziert wurde, im Gedächtnis bleiben.

Text: Dennis Dirigo, Fotos: Andreas Stumpf

Anmerkung der Redaktion: Wer eine komplette Übersicht über die Maßnahmen der vergangenen Jahre Worms wird wow möchte, wird hier fündig: https://worms-wow.de/

 

Lesen Sie auch den Kommentar von Frank Fischer (Herausgeber WO!)https://wo-magazin.de/ist-worms-jetzt-wow/