Es ist schon ein Segen für eine Stadt, wenn diese in irgendeiner Form ein Alleinstellungsmerkmal hat. Im Falle von Worms sind das gleich mehrere. Älteste Stadt Deutschlands, Toskana von Deutschland, Lutherstadt und natürlich die Nibelungensage – das ist reichlich Fundament, auf dem man bauen kann. Seit 2002 tut die Stadt dies redlich mit den Nibelungen.
Im Schatten des Doms finden dort einmal jährlich 14 Tage lang die Nibelungen Festspiele statt. Nachdem 13 Jahre der legendäre Fernsehregisseur Dieter Wedel die Geschicke der Burgunder lenkte, ist es nun an dem legendären Fernsehproduzenten NICO HOFMANN gelegen, die Weichen für die kommenden Jahre zu stellen. Aus diesem Grund hat sich der Erfolgsproduzent gleich mal ein namhaftes Team zusammengestellt, das er bei der aktuellen Pressekonferenz vorstellte, denn, wie er im Gespräch mit WO! verriet, übernahm er diesen Job auch nur nach getaner Gewaltenteilung – im Gegensatz zu Nibelungenpatriarch Wedel, der fast alles in Personalunion bewältigte. Natürlich war Hofmann klar, dass er kein leichtes Erbe übernehmen wird, denn Wedel sorgte stets für ein paar bekannte Namen und hatte ein gewisses Gespür, seine Stücke entsprechend marktschreierisch zu vermarkten. Das ist etwas, von dem sich Hofmann klar abgrenzen möchte, auch wenn der Titel des aktuellen Stückes „Gemetzel“ erst einmal das Gegenteil behauptet. Der renommierte Autor ALBERT OSTERMAIER, der das Stück verfasste, erklärte dann auch bei der Pressekonferenz, dass der Titel sehr bewusst gewählt worden wäre. Ein Gemetzel im klassischen Sinne gäbe es jedoch nicht, vielmehr beziehe sich der Titel auf das Gemetzel in den Köpfen der Protagonisten.
„Man weiß, dass man in einem Beziehungsstreit einen bestimmten Satz nicht
sagen darf und wenn man ihn dennoch sagt, führt er zur Katastrophe“,
erklärte der hochgewachsene Autor den Titel. Ebenso bewusst entschied er sich dafür, die Geschichte aus der Perspektive des jungen Ortlieb (Sohn von Kriemhild und Etzel) zu erzählen, denn Kinder hätten ein Gespür für Gewalt, wie er weiter erklärte. Auch sieht der politische interessierte Autor, dass Kinder zumeist die ersten Opfer in einem Krieg sind. Entgegen der großen Namen der Vergangenheit entschied sich das Team HOFMANN, SCHADT und OSTERMAIER bewusst auch dafür, die Rollen mit renommierten Theaterdarstellern zu besetzen. Qualität ist das Wort, das an diesem Tag öfters erwähnt wurde, denn der Star ist schließlich das Stück, und von dem schwärmen alle gleichermaßen begeistert. Einzige Ausreißerin aus dieser Reihe begehrter Theaterschauspielern ist die geborene Ukrainerin ALINA LEVSHIN, die keine besonders große Bühnenerfahrung hat und zunächst auch etwas überrascht war über die Wahl, sie als Ortlieb zu besetzen. Bekannt wurde die zierliche Darstellerin mit der weniger zierlichen Darstellung des Neonazimädchens Marisa in dem Film „Kriegerin“. Auch eine Wiederholungstäterin gibt es im Ensemble zu vermelden. Mit JUDITH ROSMAIR kehrt eine Darstellerin aus dem ersten Jahr der Festspiele wieder zurück. Damals spielte sie auf einem etwas zu kühlen Eispferd die Brünhild, in diesem Jahr taucht sie in der Rolle der Kriemhild auf und freut sich natürlich in diesem Zusammenhang sehr, wieder in das beschauliche Worms zurückzukehren.
Neue Wege geht das Team in kreativer Hinsicht und auch da merkt man Hofmanns exzellente Verbindungen in die internationale Film- und Theaterszene. Mit der Verpflichtung des mehrfach preisgekrönten ALEKSANDAR DENIC ist ihm ein ganz besonderer Coup gelungen, nämlich einen der namhaftesten europäischen Bühnenbildner nach Worms zu holen. Denic zeigte sich bei der Konferenz vor allem von der beeindruckenden Erhabenheit des Doms begeistert. Seinen Studenten empfehle er immer wieder, sich diesen einmal näher anzuschauen. Erste Bilder weisen auch auf ein beeindruckendes Bühnenbild hin. Ähnlich international ist das Engagement des amerikanischen Choreografen TED STOFFER, der betonte, dass es allerdings mehr eine Performance sei als ein klassischer Tanz, was es auf der Bühne zu sehen geben wird. Spannendes gab es auch vom Rahmenprogramm zu vermelden von Autor Albert Ostermaier, der dieses betreut. Natürlich gehe es dabei sehr viel um Sprache und da sich Ostermaier selbst zur Poetry- Slam-Szene hingezogen fühlt, wird es auch erstmals während der Festspielzeit einen Poetry-Slam-Workshop geben. Einen kleinen Vorgeschmack darauf gab der bekannte Slammer KEN YAMAMOTO mit seinem Text „Götterdämmerung“, den er mit den vielsagenden Worten schloss:
„Geschichte schreibt man nicht, Geschichte wird kalkuliert, Zukunft wird gedichtet!“
Fehlen die ganz großen Namen auf der Bühne vor dem Dom, so findet man diese dann zumindest im Rahmenprogramm. Unter anderem werden dort HANNELORE ELSNER, MARCEL REIF und ALEXANDRA KAMP zu sehen und zu hören sein.
Insgesamt weckte die Pressekonferenz Neugier auf mehr, insofern kann der Sommer und mit ihm auch die Nibelungen getrost kommen. Ach so, und manch liebgewonnenes wie Deutschlands schönstes Theaterfoyer, der Heylshof, bleibt natürlich weiterhin erhalten. Bleibt zu hoffen, dass nicht irgendeinem buddelfreudigen Menschen einfällt, aus dem schmucken Park eine Baustelle zu machen. Schließlich ist in diesen Tagen in Worms alles möglich!