13. Juni 2015
Stiftspark in Bad Hersfeld:
Als Regieassistent war Joern Hinkel für Dieter Wedel viele Jahre lang eine große Stütze, kümmerte sich um die kleinen und großen Probleme, die mit einer Freiluftinszenierung einhergehen, war Co-Partner beim Schreiben der Bücher und beglückte Worms mit einem überaus gelungenen Imagefilm. Zeit also, dass der gelernte Opernregisseur Hinkel sein Können mit einer eigenen Freiluftinszenierung zeigen konnte.
Die Gelegenheit ergab sich nun im Rahmen der Bad Hersfelder Festspiele, deren Intendanz Dieter Wedel nach seinem Abschied aus Worms übernahm. Als Vorlage für sein Festspieldebüt entschied sich Joern Hinkel für eine Adaption des berühmten Shakespeare- Stücks „Ein Sommernachtstraum“. Zwar fand Hinkels Inszenierung nicht auf der großen Bühne der Stiftsruine statt, sondern auf der Wiese der selbigen, aber das war eher ein Glücksfall als ein Hindernis. Und als wäre es ein Omen für die folgenden zwei Stunden gewesen, wurde die Eröffnung des Stückes von den flirrenden Streicherklängen Max Richters Neuinterpretation von Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ begleitet. Ähnlich wie sich Richter auf eine gänzlich eigenwillige, aber dennoch respektvolle Art diesem musikalischen Meisterwerk näherte, entschied sich auch Hinkel, eigene Wege zu gehen. Der Kern der Geschichte blieb freilich der Gleiche. Im Schatten einer Hochzeit kommt es zu allerlei Liebesirrungen, die ihren Höhepunkt in einem magischen Zauberwald finden. Durch das Eingreifen des Waldgeistes Puck (listig Anna Graenzer), angestiftet von Feenkönig Oberon (Christian Schmidt), nimmt das Chaos seinen Lauf. Plötzlich liebt die Feenkönigin Titania (Geraldine Diallo) Zettel (André Eisermann), den Puck durch einen Zaubertrank in einen Esel verwandelt hat, während Lysander (Raul Semmler), der eigentlich Hermia (Lena Kluger) liebt, plötzlich Helena (Ute Reiber) begehrt, die wiederum Demetrius (Peter Englert) liebt. Selbstverständlich wird am Ende alles gut ausgehen und jeder bekommt den Partner, den er verdient. Bis es jedoch soweit war, erwarteten den Zuschauer vergnügliche Irrungen und Wirrungen, bei der Hinkel dem Stoff so manchen Lacher abgewann, den es so bei Shakespeare nicht gab.
Die Kunst bei seiner Regie war es, seine Figuren – trotz des frivolen Geistes der Geschichte – niemals der schnellen Pointe preiszugeben. Mit viel Einfühlungsvermögen schuf er auf der sonnendurchfluteten Wiese eine ganz besondere Atmosphäre, die den Zuschauer zwei Stunden in seinen Bann zog. Dass dabei der Großteil der Geschichte bei Nacht spielte, fiel nicht weiter ins Gewicht. Mit einem außerordentlichen Gespür für Tempo trieb Hinkel seine Geschichte voran und verlor trotz viel Bewegung niemals die Übersicht über das Treiben im Garten der Sinne. Und immer dann, wenn man glaubte, der Regisseur verzettelt sich nun doch in seinen eigenen Träumereien, gelang es ihm mit leichter Hand, die Geschichte wieder auf den Punkt zu bringen. Dass Hinkels Inszenierung auf ganzer Linie als gelungen zu bezeichnen ist, verdankte er freilich auch einem herausragend spielenden Ensemble. Besondere Erwähnung verdient der Wormser André Eisermann in der Rolle des tollpatschigen Möchtegernschauspielers Niklas Zettel, der wenig Talent hat, aber dafür ein umso größeres Ego. Nachdem Eisermann bei den Nibelungen Festspielen zumeist etwas undankbarere Parts hatte, war es eine Wonne, ihn diesmal in bester Spiellaune zu erleben. Ohne aufdringlich zu sein, avancierte er zum Publikumsliebling, was sich am Ende auch in den üppigen Beifallsbekundungen niederschlug. Auch der zweite Wormser Peter Englert nutzte seine Chance und spielte den Langweiler Demetrius wie eine Mischung aus aalglattem Bürokraten und diszipliniertem Arschloch. Mit seiner Darstellung empfahl er sich durchaus für Höheres. Kraftvoll und dynamisch, aber auch lustvoll das Spiel von Christian Schmidt, der in der Doppelrolle als Theseus und Oberon zu überzeugen wusste. Ähnliches gilt auch für Geraldine Diallo. Als zukünftige Braut Theseus‘ und Feenkönigin Titania versprühte sie eine herbe Erotik, welche durch die eigenwillige Kostümierung und Bemalung noch unterstrichen wurde. Letztlich bewies Hinkels Aufführung, dass für einen gelungenen Theaterabend Fantasie und Ideenreichtum wichtiger sind als aufwendige Ausstattung, Blutfontänen oder Momente, die nur auf Effekthascherei abzielen. Man darf gespannt sein, was sich Regisseur Joern Hinkel für das nächste Jahr einfallen lässt. Sein Debüt in Bad Hersfeld war in jedem Fall mehr als gelungen.
Fazit: Es dürfte kaum eine Theatergruppe geben, die sich nicht schon einmal an dieser Komödie ausprobierte. Umso größer gebührt das Lob für Joern Hinkels äußerst unterhaltsame Neuinterpretation des Shakespeare’schen Lustspiels. Daumen hoch für das gesamte Team!
Die „Sommernachts-Träumereien“ werden noch vom 10. bis 12. Juli 2015 aufgeführt. Weitere Infos unter: www.bad-hersfelder-festspiele.de