23. August 2013
Kanal 70 in Worms:
Es war anfangs schon eine beklemmende Szenerie. Darf man tanzen, darf man lachen oder sich gehen lassen, wenn es doch eigentlich ein Konzert in Erinnerung an einen Wormser Musiker ist, der – viel zu früh – am 26. März 2013 mit gerade einmal 48 Jahren an den Folgen eines Hirntumors gestorben ist und der seinen einjährigen Sohn Paul und seine Ehefrau Claudia zurückgelassen hat?
Aber P. Zieh, wie er von den meisten genannt wurde, war nicht nur ein Familienvater, sondern hat ungemein viel für die Wormser Musikszene geleistet. Und er war beliebt, weil er jemand war, der Konflikte vermieden und viel Wert auf Freundschaften gelegt hat. Wie beliebt er war, zeigte sich an diesem Abend an einem vollbesetzten Kanal 70, besucht von alten Freunden, Familie, Arbeitskollegen und natürlich Musikerfreunden. Die meisten der Letztgenannten waren auf der Bühne zu finden: 2 PLUS, sein letztes Unplugged-Projekt, oder ein letzter Auftritt seiner READY TEDDYS. Alte Kollegen waren da, wie RALF GAUCKoder HEINZ BALZER, der es sich trotz eines Unfalls seines Gitarristen nicht nehmen ließ, zusammen mit GARY MAZAROPPI am Cajon alte Altrheinpower-Klassiker zu spielen. Und zwar „nur die, die P. Zieh auch gemocht hat“ (und ich weiß, dass Peter die Lieder von Heinz sehr gut gefallen haben, vor allem „Das Lustprinzip“). Als bei dem fantastischen Konzert seiner geliebten „BOPCAT CARLO AND THE KITTICATS“ nach dem zweiten Song ein merkwürdiges Pfeifen seine alten Bandkollegen Frank Nowack, Stephan Schmidt und Carlo Riva erst verwirrt, dann genervt hat, hätte ich am liebsten rein gerufen: „Das ist P. Zieh, der hat sich gerade zugeschaltet und will mitspielen…“ Aber ich hab‘s mich nicht getraut. Ebenfalls großartig im Anschluss STILL PATIENT? mit dem imposanten Frontmann Andy Koa (Peter hatte ein Faible für dramatische, pathetische Musik…). Das war das vom Sänger angekündigte „Kontrastprogramm“ des Abends mit feinstem Gothic-Rock, bei dem Sisters of Mercy ganz unverhohlen um die Ecke winkten. Ebenfalls großartig B.B. AND THE BILLYBOYS, die vorzügliche Rockalbillyband von Rolf Bachmann mit Robert Maaß am Kontrabass und Paul Klingler an den Drums, die leider vor einem stark geleerten Saal spielen mussten. Hans-Jörg Lawall (Stagetools) hat kostenlos die Technik gestellt und alle Bands abgemischt. Es war ein Abend der Gegensätze, von begeisternder Euphorie bis hin zu dem obligatorischen Kloß im Hals. Da half es manchmal, eines der vielen Plakate anzuschauen, auf denen einen P. Zieh zuzurufen schien: „Habt Spaß!“ Aber vor allem war es ein Abend, der ihm selbst viel Freude bereitet hat. Egal, von wo aus er zugesehen hat. Vermutlich mit einer Flasche Bier in der Hand und seinem Kumpel Thomas an der Seite. Goodbye P. Zieh…
PS: An diesem Abend wurden mehr als 2200 Euro (genaue Summe stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest) für das Sterbehospiz in Bensheim gesammelt, in dem Peter Klöckner-Zubrod würdevoll Abschied nehmen durfte. Es war einer seiner letzten Wünsche, dem Hospiz durch ein Benefizkonzert und einer Präsentation des Hauses vor dem Wormser Publikum die Wertschätzung und finanzielle Hilfe zukommen zu lassen, die es verdient hat.