Um Missverständnissen vorzubeugen: Nazis sind Bürger, bei denen gedanklich mächtig etwas schief läuft. Geboren in einem demokratischen Land, profitieren auch sie vom liberalen Geist unseres Staates, denn unsere Meinungsfreiheit gibt ihnen immer wieder die Möglichkeit, ihre hässlichen Gesinnungen unters Volk zu tragen. Als Ausdrucksmittel wählen diese verirrten Geister gerne das Mittel einer Demonstration oder wie jüngst in Worms eines Trauermarschs.
Initiator dieses „Schauermarschs“ durch Worms war die rechtsextreme Kleinpartei „Der dritte Weg“. Man wollte an den Abwurf amerikanischer Bomben über Dresden erinnern. Jener Nacht gegen Ende des Zweiten Weltkriegs, in der Tausende Menschen ihr Leben verloren. In der etwas absonderlichen Lesart dieser rechten Gruppierung bezeichnen sie dieses Ereignis als „Mahnmal für eine offensichtliche Geschichtslüge“. Es ist aus der Sicht des einfach demokratisch denkenden Bürgers nur schwer nachvollziehbar, dass eine derart offensichtliche Verdrehung von historischen Tatsachen nicht ausreicht, einen solchen Marsch zu unterbinden. Laut Oberbürgermeister hätte die Stadt rechtlich alles prüfen lassen, ob ein Verbot möglich sei. Eine Tatsache, die eine starke Demokratie sicherlich aushalten muss. Auf klares Unverständnis stieß jedoch die Tatsache, dass die Demo erst einen Tag vorher bekannt gegeben wurde, so dass adäquate Gegenmaßnahmen aus der Sicht von Bündnissen wie „Schöner Leben – Nazis stoppen“ erschwert wurden. Die Interventionistischen Linken Rhein-Neckar, schrieb in einer Stellungnahme, die WO! vorliegt: „Für die Interventionistischen Linke, (…) ist die Zulassung eines solchen Nazispektakels ein Skandal. Mit dem Verzicht nicht nur auf ein Verbot, sondern auch jedwede spürbaren Auflagen hat die Stadt Worms jedoch klar versagt und die Stadt als Bühne dargeboten für eine gefährliche Hetze.“ Weiter schreibt er: „Auch hielten Stadt und Polizei bewusst Informationen über Termin und Route des Marsches zurück.“ Auf Nachfrage von WO! bezüglich dieser Vorwürfe erklärte Markus Winter, Pressesprecher der Polizeidienststelle Worms: „Bei derartigen Versammlungslagen betreibt die Polizei nur in besonderen Ausnahmefällen eigeninitiativ Pressearbeit. Ein solcher Ausnahmefall war hier nicht gegeben, weshalb auf eine Berichterstattung im Vorfeld verzichtet wurde.“ Die gleiche Anfrage stellten wir auch der Pressestelle der Stadt Worms, leider antwortete diese nicht.
Man kann sicherlich darüber streiten, ob das ewige Spiel von Naziaufmarsch und Gegenblockaden der richtige Umgang mit solchen Menschen ist. Nicht streitbar ist jedoch der Umstand, dass Protest in irgendeiner Form notwendig ist. Vielleicht hofften Kissel und Co. schlicht und ergreifend auf Nichtbeachtung eines solchen Aufmarschs, denn wahrscheinlich ist für eine Nazipartei nichts demütigender als Nichtbeachtung. Aber auch das müsste bewusst passieren, sozusagen „Wir machen Gebrauch von unserem demokratischen Recht auf Verzicht“. Das Konzept der Nichtinformation funktionierte dennoch nicht, so dass sich trotzdem etliche Gegner einfanden, um die Veranstaltung nachhaltig zu stören. Wie man übrigens kreativ rechte Propaganda stören kann, demonstrierten im vergangenen Jahr rund 120 Schauspieler des Staatstheaters Mainz. Die versammelten sich spontan in den Fluren ihres Schauspielhauses und probten in einem gemeinsamen Chor Beethovens „Ode an die Freude“. Dies hatte zur Folge, dass eine Kundgebung der rechtspopulistischen Partei AfD massiv gestört wurde, so dass die Redner ihre Ansprachen unterbrechen mussten. Eine etwas eigenwillige Rolle spielte auch dort die Polizei. Die erstattete anschließend Anzeige gegen den Intendanten und bezog sich auf das Versammlungsgesetz. Intendant MARKUS MÜLLER, der die Idee hatte, zeigt sich von dieser Entscheidung allerdings unbeeindruckt: „Wenn man dafür eine Anzeige bekommt, dann ist das so“. Und in Worms? Da fand Pfarrer Max von der Martinskirche eine passende Antwort und beschloss, jene 130 verirrten Seelen einfach heim zu läuten. Im Übrigen mit Erfolg.