Ein Vortrag des Globalisierungskritikers Peter Wahl am 9.2.2017
Nachdem im vergangenen Jahr auf Einladung des „Helferkreis Asyl“ und der „Wormser Initiative für Frieden“ der Waffenexportkritiker Jürgen Grässlin mit einem spannenden Vortag in Worms zu Gast war, gab es nun von dem Globalisierungsgegner Peter Wahl einen nicht minder spannenden Beitrag. Wahl referierte über die Zusammenhänge zwischen Globalisierung und Flüchtlingsströme am Beispiel Afrika.
Bereits der provokant formulierte Titel der Veranstaltung, „Unsere Wirtschaft macht arm, tötet, zerstört Umwelt und schafft Flüchtlinge“, ließ keinen Zweifel, dass der „Attac“ Mitbegründer Wahl kein Freund des derzeit vorherrschenden Neoliberalismus ist. Das Beispiel Afrika zeigt eindrucksvoll, wie verheerend sich westliche Wirtschaftspolitik auf die Entwicklung eines ganzen Kontinents auswirkt, mit der Folge, dass sich im Jahr 2015 – nur aus den Länder Somalia, Sudan, Südsudan und der Demokratischen Republik Kongo – mehr als drei Millionen Menschen zur Flucht entschlossen hatten. Warum das Problem hausgemacht ist, erklärte Wahl mit Blick auf die historische Dimension des Kolonialismus. Der führte dazu, dass die Infrastrukturen vieler Länder zerstört wurden, was sich bis heute auswirkt. Sklaverei, das Ziehen neuer Grenzen und eine ökonomische Ausrichtung an den Bedürfnissen der „Mutterländer“ waren unmittelbare Folgen. Die notwendige Industrialisierung und das Schaffen von Bildungsstrukturen blieben hingegen aus. Als die letzten Kolonialherren sich in den 60er Jahren zurückzogen, standen die zurückgelassenen Länder vor einem Trümmerhaufen. Im Grunde folgte bald darauf die nächste Form des Kolonialismus, in dem die Industrienationen begannen, Afrika ihre wirtschaftlichen Regeln aufzudrängen. Was folgte, waren „asymmetrische Handelsbeziehungen“.
Die schwachen Staaten können dem bis heute nichts entgegensetzen und lassen sich einseitige Handelsverträge diktieren. Besonders kritisch sieht Peter Wahl das Freihandelsabkommen EPA. Zwar sorgt das Abkommen dafür, dass die europäischen Märkte für die südlichen Länder geöffnet würden, andererseits sieht dieses auch den umgekehrten Weg vor. Der zuständige UN-Wirtschaftsexperte für Ostafrika, Andrew Mold, sieht dadurch die afrikanische Wirtschaft langfristig bedroht. „Die afrikanischen Länder können mit einer Wirtschaft wie der Deutschen nicht konkurrieren. Das führt dazu, dass durch den Freihandel und die EU-Importe bestehende Industrien gefährdet werden und zukünftige Industrien gar nicht erst entstehen, weil sie dem Wettbewerb mit der EU ausgesetzt sind.“ Laut Wahl zeigt sich die Einseitigkeit des Abkommens darin, dass die wertvollen Rohstoffe aus Afrika nach Europa abtransportiert werden, während Europa sich mit dem Bau von AKWs, Kohl, Pestiziden und Elektroschrott bedankt. Papst Franziskus fasste diese Umstände mit dem prägnanten Satz: „Diese Wirtschaft tötet“, zusammen, wie der Globalisierungsgegner zu zitieren wusste. Nicht minder problematisch sind für Afrika die EU Agrarsubventionen und der damit einhergehende Protektionismus. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel benannte er mit dem umfangreichen Export des sogenannten Hühnerkleins. Die Folge der europäischen Massentierhaltung ist, dass die Teile, die in Europa nicht verkauft werden, derzeit den afrikanischen Markt überschwemmen. Diese werden so billig verkauft, dass afrikanische Bauern nicht mithalten können. Gerne wird der geplante Protektionismus eines Donald Trump von denselben Politikern gerügt, die dies selbst tun.
Nicht gerade rosig sieht der Kritiker Wahl die Zukunft Afrikas, bezogen auf die Bevölkerungsentwicklung. Leben derzeit 973 Millionen Menschen in Afrika, werden es im Jahre 2050 voraussichtlich 2,1 Milliarden Menschen sein, die dort leben. Zusätzlich wird die Klimaerwärmung dafür sorgen, dass der Meeresspiegel ansteigt und damit verschiedene Küstenregionen bedroht sind. Nachhaltige Ideen, wie dem Kontinent angemessen geholfen werden kann, sind rar. Jüngstes Beispiel für die Unfähigkeit der EU die Flüchtlingsursachen zu bekämpfen, ist das Abkommen mit dem failed state Libyen, der zukünftig in ähnlicher Weise wie die Türkei potentielle Flüchtlinge abhalten soll, die gefährliche Reise nach Europa anzutreten. Derweil nutzt China Europas Ratlosigkeit und inszeniert sich als Retter, was im Grunde nicht so schwer ist, in Anbetracht des Leids, das viele Industrienationen über den Kontinent gebracht haben. Diese beiden letztgenannten Punkte fanden keinen Einzug mehr in den Vortrag, hatte Wahl doch ausreichend eigene Beispiele, um eindrucksvoll auf den Zusammenhang zwischen unserem vermeintlichen Reichtum und Afrikas Armut hinzuweisen.