Es ist ein E-Mail mit Brisanz, die gestern Abend im Postfach verschiedener Reaktionen landete. Ein Anonymous, der angibt Mitarbeiter der Stadtverwaltung zu sein, spricht sich im Namen mehrerer Mitarbeiter offen gegen ein Vorhaben des Oberbürgermeisters aus. Konkret geht es um die Anmietung des Verwaltungstraktes des ehemaligen Kaufhof.

Dass Oberbürgermeister Adolf Kessel den Plan verfolgt, für Teile der Stadtverwaltung, maßgeblich die Bauverwaltung, den Verwaltungstrakt anzumieten, ist kein Geheimnis. Bereits kurz nach Bekanntwerden des Kaufhof-Aus dachte Kessel auch unserem Magazin gegenüber laut über diese Option nach. Danach wurde es erstmal still. Eine Arbeitsgruppe wurde ins Leben gerufen, die gemeinsam mit den Immobilieneignern, dem Unternehmen ehret + klein, auf die Suche nach einem Gesamtkonzept gehen sollte. Für das Hauptgebäude wurden Ideen wie der „Dritte Raum“ in die Runde geworfen und wieder aus finanziellen Gründen verworfen. Ein Abschlussbericht der Arbeitsgruppe, der mit spruchreifen Ergebnissen aufwartet, liegt bis heute nicht vor. Stattdessen gibt es lediglich das Vorhaben von ehret + klein, die riesige Immobilie für die vielbemühte Mischnutzung zu vermieten. Kunden zu finden dürfte in Anbetracht der aktuellen Situation jedoch nicht so einfach sein. Insofern ist es für das Starnberger Unternehmen geradezu ein Glücksfall sein, dass Oberbürgermeister Kessel nun die Pläne, den rund 4.500 Quadratmeter  großen Verwaltungstrakt anzumieten, in die Tat umsetzen möchte.

In der vergangenen Stadtratssitzung am 10. Februar wurde das Vorhaben überraschend einen Tag vorher auf die Tagesordnung für den nicht öffentlichen Teil genommen. Überraschend? Nicht ganz, denn zur Verwunderung einiger Stadträte kommunizierte die Wormser Zeitung dieses nicht öffentliche Vorhaben bereits wenige Stunden zuvor. In der gemeinsamen Sitzung einigte man sich auf eine Sondersitzung am 3. März. Kurz darauf äußerte Stadtrat Mathias Englert (FWG/Bürgerforum Worms) in einer Presseerklärung seinen Unmut über das Vorgehen, Insbesondere auch über den Antrag der Verwaltung: „Die Vorlage besteht neben dem Deckblatt auch nur aus einer weiteren Seite. Es gibt keine Pläne oder weitere Details. Das kann man machen, wenn es um Kleinigkeiten geht, aber nicht bei einem so zentralen Objekt in der Innenstadt“ Englert weiter: „So etwas habe ich in 17 Jahren im Stadtrat nicht erlebt. Da soll man mal schnell nach mehr als 3 Stunden Video-Stadtratssitzung zustimmen. Und da wundert sich der OB, wenn das Verhältnis zwischen Stadtrat und Verwaltung(sspitze) so schlecht ist?“ Englert räumt zwar ein, dass die FWG-Bürgerforum erkenne, dass es zu wenig Flächen für die Verwaltung gibt. Die Anmietung dieser Immobilie sei aber städtebaulich ein großer Rückschritt und für die Entwicklung der Stadt eine verpasste Chance, die einem Skandal gleicht.

Als sei die Mail des anonymen Verfassers eine Antwort auf diesen Vorwurf, erklärt dieser: „Auch als Teil der Verwaltung kann ich nicht länger schweigen und mit ansehen, wie diese Stadt zu Grunde gerichtet wird.“ Konkret richtet sich seine Kritik gegen das Vorgehen. Der Verfasser erklärt, dass es intern nie eine genaue Bedarfsanalyse für Räumlichkeiten gab.  Auch über andere Optionen, Möglichkeiten und Szenarien wurde nicht gesprochen. Tatsächlich kann dieser Aspekt verwundern, da es zurzeit mehrere Gedankenspiele gibt, wie man neuen Raum für die Verwaltung schaffen könnte. Im Gespräch sind hierbei das Hochstiftgebäude sowie das Salamandergelände, die beide in städtischer Hand sind. Abschließende Machbarkeitsstudien stehen noch aus. Warum also die Eile?

Oberbürgermeister Kessel argumentiert, dass man in naher Zukunft das Rathaus sanieren müsse und die Anmietung in der Innenstadt eine schnelle Lösung ermögliche. Die schnelle Lösung hat allerdings ihren Preis und Folgen für die Innenstadtentwicklung. Es ist zu befürchten, dass, wenn erst mal Geld wieder fließt, die Immobilienbesitzer es mit der weiteren Entwicklung des leerstehenden Gebäudes nicht besonders eilig haben werden. Eine Dekorierung der Schaufenster dürfte langfristig ebenso wenig eine Lösung sein. Der E-Mail des unbekannten Verfasser lag auch die Vorlage für das Vorhaben bei, dass genaueren Einblick in die Planungen der Stadt gewährt.  So sieht der Vertrag, der bereits am 1. November beginnen soll, eine jährliche Kaltmiete von stolzen 430.783 Euro vor. Inklusive Nebenkosten bedeutet das für den Steuerzahler eine Jahresmiete von rund 670.000 Euro. Zusätzlich soll sich die Stadt zu einer Mindestmietdauer von 15 Jahren verpflichten. 15 Jahre, in denen sich letztlich an dieser Stelle städtebaulich nichts mehr tun wird. Vorgesehen ist auch eine vertragsübliche Anpassung der Miete an den Mietindex.

Insgesamt würde man also mindestens 10 Millionen Euro für die Miete investieren. Eine stolze Summe, mit der man sogar bauen könnte. Das plante man auch ursprünglich an der Stelle des ehemaligen Gesundheitsamtes. Vorangetrieben von der SPD scheiterte das Vorhaben Rathaus II an der Kostendiskussion. Im Gespräch waren damals rund 10 Millionen Euro. Der E-Mail Verfasser kritisiert dementsprechend, dass über bessere Konditionen niemals gesprochen wurde, sondern durch eine schlichte Abmachung erzielt wurde. Positiv ist zumindest, dass das Mietobjekt durch den Vermieter saniert werden soll. Aber was bedeutet die Anmietung für aktuell bestehende Mietverhältnisse in dem Gebäude? Derzeit befinden sich einige Mietwohnungen sowie verschiedene Geschäfte dort. Zwar können diese Verträge nicht bis zum geplanten Mietbeginn gekündigt werden, heißt es in der Vorlage, dennoch möchte man sich aufgrund des Flächenbedarfs diese Option offen halten. Was für den Flächenbedarf gut ist, wäre indes für die ohnehin gebeutelte Fußgängerzone ein weiterer Schlag, auch wenn der Antrag versucht, diesen Aspekt zu berücksichtigen: „Die Ansiedlung von Abteilungen mit Publikumsverkehr wäre zudem dem Beleben der Innenstadt zuträglich.“ Realistisch betrachtet ist es jedoch eher zu bezweifeln, dass eine Verwaltung als Innenstadtmotor das richtige Instrument im Kampf gegen die langsame Sterben selbiger ist. Innovative Innenstadtentwicklung geht sicherlich anders.

Text: Dennis Dirigo

Foto Symbolbild Hauptgebäude