Es ist ein fast neunmonatiger Weg vom Rebschnitt bis zum fertigen Wein im Glas. Ein Weg, der immer wieder von der Laune der Natur abhängig ist und sich jedes Jahr wiederholt. Um zu erfahren, was es bedeutet, bei Wind und Wetter im Weinberg zu stehen, machte ich mich auf den Weg nach Abenheim.
Rahmen der Veranstaltungsreihe „Das Jahr im Weinberg“, organisiert von der IG Abenheimer Winzer, bot sich die Gelegenheit, mit Hand an die Rieslingreben in unmittelbarer Nähe zur Klausenberg Kapelle zu le- gen. Das Wetter zeigte sich von seiner besten Winterseite. Die Temperaturen bei knackigen Minus 11 Grad, das weiße Kleid vergangener Tage noch frisch, ging es auf den Klausenberg. Dort liegt eine Weinanbaufläche des Winzers und promovierten Landwirts DR. ANDREAS SCHREIBER. 900 Quadratmeter groß, wird dort ausschließlich Riesling angebaut. Doch wo im Herbst mal die Früchte hängen werden, die später in flüssiger Form in einem Glas enden, befinden sich im Moment lediglich knochige Äste. Am Ende soll der Ertrag bei rund 3.000 Litern liegen.
Schreiber erklärt, dass diese Fläche einen besonderen Qualitätsriesling hervor bringen soll, weshalb er unter der maximal Ernte pro Hektar bleiben wird. Denn, so lernen die Gäste an diesem sonnigen Wintertag über Abenheim, auch der maximale Ertrag ist vom Gesetzgeber vorgeschrieben. Pro Hektar sind das 10.500 Liter. Das soll unter anderem einen Qualitätsverlust vorbeugen. Wer im Garten arbeitet weiß schließlich, dass mehr Früchte auf den Pflanzen auch einen größeren Kraftaufwand für selbige bedeuten. Um sozusagen die Weichen für ein gesundes und übersichtliches Wachsen der Reben zu stellen, steht am Anfang der Rebschnitt. Ein zeitaufwändiger Prozess, bei dem jede einzelne Rebe begutachtet und von Hand geschnitten werden muss. Die Herangehensweise ist abhängig von dem Wein, der später produziert wird. Im Falle der Ortslage über Abenheim erklärt der Winzer, dass aufgrund des höheren Anspruchs lediglich ein Trieb pro Pflanze stehen bleibt. Die Kunst ist hierbei, zu erkennen, welche der Vorjahrestriebe am Vielversprechendsten für die neue Lese im Herbst ist. Zudem muss diese gekürzt werden.
Ich lerne, während bei Gutsweinen es auch mal 14 Augen sein dürfen, bekommt dieser Trieb lediglich 9 Triebe gewährt. Erledigt wird die Arbeit mit einer Rebschnitt-Schere, die sich im ersten Moment optisch nicht von einer Gartenschere unterscheidet. Wenn da nicht noch die zweite Variante wäre, die mit einem Akku verbunden ist und dementsprechend elektrisch funktioniert. Zuerst darf ich allerdings mit der manuellen Schere schneiden. Da das Holz einer Rebe recht robust ist, ist das zunächst gar nicht so einfach, wie es im Vorfeld bei dem geübten Winzer aussah. Entscheidend ist der Winkel. Das gilt auch für die Akku Schere, doch die birgt eine zusätzliche Gefahr. Statt viel Kraft für den Schnitt aufzuwenden, lässt sich die Rebe mit der Profi- schere butterweich schneiden. Das gefährliche daran, durch die sensible Bedienung wird die Schere schon durch leichtes Antippen ausgelöst, sodass bei Unachtsamkeit auch schon mal ein Finger in Mitleidenschaft gezogen werden könnte. Auch wenn die Temperaturen mehr als frostig sind, heißt das, Handschuhe ausziehen, damit man ein Gefühl für die Schere hat. Der Vorteil ist die Geschwindigkeit, schließlich ist der Rebschnitt die zeitintensivste Arbeit im Weinberg.
12 Hektar Anbaufläche, verteilt an verschiedenen Standorten in Rheinhessen, bedeuten für ANDREAS SCHREIBER und drei weiteren Helfern rund vier Wochen Handarbeit. Für Winzer CHRISTOPH LÖSCH, der an diesem Vormittag ebenfalls vor Ort ist, ist es eine meditative Tätigkeit, wie er erzählt. Während die Winzer täglich rund acht Stunden im Wingert verbringen, geht es für mich nach vier Stunden in der ungeschützten Natur wieder zurück in das vorgewärmte Arbeitszimmer. Am 17. Februar geht es schließlich weiter mit dem „Jahr im Weinberg“. Dann heißt es „Biegen und Ausheben“ mit dem Weingut CLERES.
Weitere Termine „Das Jahr im Weinberg“ finden Sie hier: https://wo-magazin.de/das-jahr-im-weinberg-ein-projekt-der-ig-abenheimer-winzer/
Text: Dennis Dirigo, Fotos: Andreas Stumpf