s gibt unzählige Geschichten, wie im Dritten Reich Menschen aus Deutschland emigrierten. In „Lichtspiel“ von Daniel Kehlmann verhält es sich umgekehrt. Das Buch handelt von dem deutsch-österreichischen Filmregisseur Georg Wilhelm Pabst. Pabst arbeitete bereits 1939 in Los Angeles, wo er erfolglos versucht, beruflich Fuß zu fassen. Er möchte für wenige Tage nach Österreich zurückkehren, um nach seiner kranken Mutter zu sehen. Während seines Besuches bricht der Krieg aus und er kann das Land nicht mehr verlassen. Joseph Goebbels macht ihm ein Angebot, das er nicht ausschlagen kann: Er wird genötigt, regimefreundliche Filme zu produzieren. Zunächst sträubt er sich noch sehr dagegen, lässt sich dann jedoch von seinen künstlerischen Visionen mitreißen. Denn diese kann er endlich verwirklichen, da ihm vom Ministerium für Propaganda unerschöpfliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. In „Lichtspiel“ widmet sich Kehlmann erneut einem historischen Thema, wie er es bereits in „Tyll“ mit dem Dreißigjährigen Krieg tat oder in „Die Vermessung der Welt“ mit der Epoche der Aufklärung. Wie in seinen Vorgängern ist sein neuer Roman von historischen Figuren bevölkert, wie Josef Goebbels, Greta Garbo oder Leni Riefenstahl. Es handelt sich um eine Mischung aus historischen Fakten und Fantasie. Der Roman birgt skurril-komische Momente, die manchmal auch ins Grausame übergehen. Er ist spannend und zügig zu lesen und ohne Frage ein sehr gutes Werk, jedoch gleichzeitig traurig und beklemmend. Obwohl dieses Thema bereits reichlich in der Literatur behandelt worden ist, schafft Kehlmann etwas Neues – der Zweite Weltkrieg in einer kafkaesken Darstellung, mit Elementen eines Psychothrillers und einer schwarzen Komödie. Daniel Kehlmann gehört zu den bedeutendsten Gegenwartsautoren in Deutschland. „Die Vermessung der Welt“ war ein Bestseller und vor kurzem schrieb er das Drehbuch zur Kafka-Serie, die in der ARD-Mediathek zu sehen ist. „Lichtspiel“ ist sein neuestes Werk und erschien Ende 2023.
Rowohlt Buchverlag
26 Euro | 480 Seiten
ISBN: 978-3-498-00387-6
Rezension von: Clara Werger