01.Juli 2017 – Commerzbank-Arena in Frankfurt:

Im Rahmen ihrer „A Head Full of Dreams“-Tour schauten Coldplay gleich zwei Mal in der Frankfurter Commerzbank-Arena vorbei und begeisterten insgesamt 90.000 Fans mit einer Mischung aus Berührendem, echtem Stadion-Pop und ganz viel Kitsch.

Während die selbst ernannten Vorbilder der Band, U2, immerhin sieben Jahre und vier Vorgängeralben benötigten, um mit „The Joshua Tree“ in den ganz großen Stadien anzukommen, haben Coldplay diese – nach zwei richtig guten Debütalben – spätestens mit ihrem dritten Werk „X&Y“ erobert und seitdem auch nicht mehr verlassen. Jedoch gelang U2 etwas, wovon Bands wie AC/DC, Rammstein oder auch Coldplay nur träumen können, in dem sie in den 90er Jahren eine künstlerische Wandlung vollzogen, die zwar jede Menge alte Fans kostete, aber dafür viele neue Fans brachte. Die einzige Wandlung von Coldplay bestand in den 17 Jahren ihrer Bandgeschichte darin, dass der Sanftmut und die Zerbrechlichkeit der früheren Songs einem Radio und vor allem Stadion tauglichen Mainstream-Pop gewichen ist, der die Fans der ersten Stunde verkrault hat, aber die Band auf den Titel der BRAVO und somit in den Fokus junger Leute brachte. Entsprechend gemischt war das Publikum auch in Frankfurt, wo eine große Leinwand, diverse kreisrunde Monitore sowie insgesamt drei Bühnen auf ihren Einsatz warteten. In Sachen Fannähe macht keiner der Band was vor, die vom ersten Song an ihrem Ruf als skandalfreie Truppe, die man einfach mögen muss, gerecht wurde. Einen über den Laufsteg tänzelnden Chris Martin und jede Menge Konfetti gab es schon beim Opener „A Head Full of Dreams“, der entsprechend enthusiastisch vom Publikum gefeiert wurde, auch wenn der Song…naja…ziemlich belanglos ist. Das wurde besonders deutlich, als danach mit „Yellow“ eine Nummer folgte, mit der die Band bereits auf ihrer ersten Platte unsterblich wurde. Am Ende von „Every Teardrop Is A Waterfall“ ging sogar ein kleines Feuerwerk hoch und während man sich schon darüber beklagen wollte, dass es in der ersten Viertelstunde ziemlich viel (unnötiges) Brimborium zu sehen gab, setzte sich Frontmann Chris Martin ans Klavier, um mit „The Scientist“ eine Ballade aus dem zweiten, richtig guten Coldplay-Album „A Rush of Blood to The Head“ anzustimmen, die auch hartgesottene Kritikerherzen zum Schmelzen brachte. Direkt hinterher mit „God Put A Smile upon Her Face“ eine flotte Nummer aus der gleichen CD, die zwar schon ähnlich fragwürdige Titel trug, aber eben noch nicht vollends im Kitsch versunken war. Den gab es anschließend zuhauf mit „Paradise“ aus der CD „Mylo Xyloto“ (2011), mit der die Band endgültig Richtung Kommerz abgebogen war. Das wurde auch mit jeder Menge Lichteffekten und den zu Leuchten umfunktionierten Armbändern des Publikums nicht erträglicher, weil es nun mal mit einem der einfallslosesten Refrains der Popgeschichte aufwartet. Klar, stadionkompatibel ist das ohne Zweifel, aber eben weit davon entfernt, was die Musik der vier Briten einst ausgemacht hat. Als die Band nach diesen sechs Songs zum Auftakt die kleinere Bühne in der Stadionmitte enterte, folgte ein etwas ruhigerer Block, bestehend aus vier neueren Stücken, wie „Always in My Head“, das unsägliche „Princess of China“ (im Original mit Rihanna) oder das auch in der Livefassung nicht sonderlich aufregende „Magic“, einzig das sanfte „Everglow“ aus ihrem aktuellen Album – untermalt von einem grandiosen Lichtermeer – konnte vollends überzeugen. „Clocks“, jetzt wieder von der Hauptbühne aus, riss die Massen anschließend wieder aus ihrer Lethargie. „Midnight“ (aus „Ghost Stories“) mit Übergang zu „Charlie Brown“ entwickelte sich, dank Laserunterstützung, flackernden Lichtern und den springenden Besuchern (mitsamt ihren blinkenden Armbändern), zu einem Höhepunkt der Show. Aber so wie das im Formatradio, wo Coldplay mittlerweile zuhause sind, nicht anders ist, folgt selten ein gutes Lied auf das vorherige, denn das anbiedernde „Hymn for The Weekend“ wird qualitativ auch nicht besser, wenn man im Minutentakt Konfetti von der Bühne regnen lässt. Und als man gerade meckern wollte, dass die Show von Coldplay eher an eine bunte Disney-Parade als an ein Konzert erinnert, schickte die Band nach knapp 80 Minuten ein wieder einmal grandioses „Fix You“ auf die Bretter, dessen Intro nach wie vor jedes Nackenhaar in Wallung bringt, gefolgt von DEM Stadionhit der Band schlechthin, „Viva la Vida“. Als die Fünfzigtausend gerade voller Inbrunst für den lautstärksten Moment des Konzertes sorgten, jagte die Band noch den aktuellen Singlehit „Adventure of A Lifetime“ hinterher, der jedoch – dank seiner extrem nervigen Hookline – seinen beiden Vorgängern nicht im Geringsten das Wasser reichen konnte. Auch wenn die Massen längst vollkommen aus dem Häuschen waren, zeigen solche Moment die Ambivalenz einer Band wie Coldplay, die anno 2017 nun mal flackernde Lichter und vom Himmel regnende bunte Luftballons braucht, damit nicht auffällt, wie blutarm so manche glattgebügelte und fürs Stadion überfrachtete Nummer der Neuzeit ist. Die große Stärke der Band wurde beim ersten Zugabenblock deutlich, als man auf eine kleine, am hinteren Stadionende versteckte Bühne wechselte, um mit „Trouble“ und „Don’t Panic“ zwei Perlen aus ihrer Debütplatte, gefolgt von „Us against The World“, zu spielen und damit nebenbei unter Beweis zu stellen, dass starke Songs keine übertriebene Inszenierung benötigen. Im zweiten Zugabenblock ging es wieder zurück zur Hauptbühne, wo auch das unvermeidbare „A Sky Full of Stars“ (natürlich mit einem Himmel voller Sterne!) sowie das sehr schöne „Up & Up“ aus dem aktuellen Album zu Gesangsehren kamen, bevor ein Abend endete, der ein restlos begeistertes Publikum zurückließ. Warum Coldplay die größten Stadien der Welt mühelos ausverkaufen (in Frankfurt sogar zwei Mal), wird bei einem Besuch ihrer Liveshows deutlich, die eindeutig neue Standards setzen, was Stadionkonzerte angeht. Und all die Lichter – wie schön!

Fazit: Nach wie vor gelingt es Coldplay, bei ihren Konzerten ganz besondere Momente zu schaffen, die sich jedoch hauptsächlich bei den älteren Stücken einstellten. Dagegen wird die Mehrzahl der in der jüngsten Vergangenheit entstandenen Songs einfach nicht besser, auch wenn noch so viele bunte Lichter das Publikum einlullen.