Bei den Koalitionsverhandlungen der Ampelregierung saß ein Wormser mit am Tisch
Nachdem Deutschland am 26. September 2021 gewählt hatte, kristallisierte sich – trotz der Unterschiedlichkeit der beteiligten Parteien – schon bald eine mögliche Ampel-Koalition heraus. Die nicht einfache Aufgabe, liberale und sozialdemokratische Interessen zusammenzuführen, übernahm ein Wormser, dessen Wechsel von der SPD zur FDP noch gar nicht so lange her ist. Die Rede ist von dem Unternehmer Harald Christ.
Als die Parteispitzen der Ampelkoalitionäre zusammensaßen, um ein Koalitionspapier zusammenzuschweißen, das festlegt, wie Deutschland in den nächsten vier Jahren zu regieren ist, da war HARALD CHRIST an vorderster Front dabei. Christ ist in Worms kein Unbekannter, schließlich bringt sich der Politiker, der in Worms geboren ist und dort eine Lehre bei den Stadtwerken absolviert hat, immer wieder durch soziale Engagements in der Region in das gesellschaftliche Leben ein. Ob bei der Wormatia oder bei den Nibelungen-Festspielen, wo er den alljährlich verliehenen Mario- Adorf-Preis stiftet – Christ hat seine Heimat nie vergessen, obwohl er die meiste Zeit in Berlin verbringt. Dort wurde er in seiner neuen Funktion als FDP-Schatzmeister gebraucht, die Christ seit September 2020 begleitet. Gemeinsam mit den Parteispitzen der SPD und der Grünen war es nun auch an ihm gelegen, ein Koalitionspapier auszuhandeln, das die Zustimmung aller drei Parteien fand. Vermutlich war Christ auch deswegen prädestiniert dafür, weil er bis Dezember 2019 immerhin 31 Jahre lang Mitglied in der SPD war. Der Unternehmer begründete seinen Parteiaustritt seinerzeit mit einem Linksruck in der Partei, die seine Wirtschafts- und Mittelstandsposition nicht mehr repräsentiere. Dabei galt Christ lange Zeit als jemand, dem in der SPD eine große Karriere bevorstand. Als 2009 Frank-Walter Steinmeier als Kanzlerkandidat der SPD antrat, wollte er mit dessen Nominierung als Kandidat für das Amt des Wirtschaftsministers beim Mittelstand punkten. Der Rest der Geschichte ist bekannt. Steinmeier verlor die Wahl gegen Merkel, und neuer Minister für Wirtschaft und Technologie wurde Rainer Brüderle (FDP). Dabei wurde Christ des Öfteren für höhere Posten innerhalb der SPD gehandelt. So war er im Gespräch als Kandidat zum Ersten Bürgermeister für die Hansestadt Hamburg (2006) und als Kandidat des Finanzsenators in Berlin (2011). Im April 2010 wurde er zum Landeskassierer der Berliner SPD gewählt und gehörte damit dem geschäftsführenden Landesvorstand bis zum Sommer 2012 an. Im Rahmen des Berliner SPD-Landesparteitages im Juni 2012 stellte er sein Amt zur Verfügung und zog sich aus der Politik zurück, um sich auf neue berufliche Aufgaben vorzubereiten.
DER UNTERNEHMER CHRIST
Denn „eigentlich“ ist Christ in erster Linie Unternehmer, der sich auch politisch einbringt. Christ, der nach seiner Lehre bei den Wormser Stadtwerken bis 1998 zum Vertriebsdirektor der BHW Bausparkasse aufstieg, war anschließend von 1999 bis 2002 als Direktor für die Deutsche Bank 24 tätig. Zwischen 2002 und 2007 war er Geschäftsführer und Gesellschafter der Hamburger Kapitalanlagegesellschaft HCI Capital und führte das Unternehmen 2005 an die Börse. Nach dem Vertragsende im Herbst 2007 wechselte er als Generalbevollmächtigter zur Berliner Weberbank, wo er als Leiter des Geschäftsbereiches Private Banking zugleich Mitglied des Bereichsvorstandes der Westdeutsche Landesbank AG (WestLB) war. Aufgrund seiner zunehmenden politischen Aktivitäten ruhten danach seine unternehmerischen Tätigkeiten. Das war die Zeit, als Christ des Öfteren für politische Posten gehandelt wurde. Nachdem er im Sommer 2012 eine politische Pause angekündigt hatte, wurde Christ im März 2013 zum Vorstandsvorsitzenden der Postbank Finanzberatung AG berufen. Im Mai 2016 wurde Christ neuer Vorstandsvorsitzender der ERGO Beratung und Vertrieb AG, wo er mit Wirkung zum 31. Dezember 2017 ausschied, um sich künftig wieder mehr unternehmerisch und politisch zu engagieren.
DER POLITIKER CHRIST KEHRT ZURÜCK
Tatsächlich trat Christ im Juli 2018 wieder politisch in Erscheinung, als ihn der SPD-Parteivorstand zum Mittelstandsbeauftragen ernannte. Doch schon im Dezember 2019 trat Christ von diesem Posten zurück, um gleichzeitig aus der Partei auszutreten. Drei Monate später schloss sich Christ der FDP an und wurde auf Vorschlag von Parteichef Christian Lindner im September 2020 auf einem außerordentlichen FDP-Bundesparteitag als Nachfolger von Hermann Otto Solms zum Bundesschatzmeister der Liberalen gewählt. Wenn man so will, hat Christ bei der FDP schneller Karriere gemacht, als in all den Jahren zuvor bei der SPD. Von daher hätte man sich schon gewünscht, dass man Christ auch bei der Vergabe der Ministerposten berücksichtigt hätte, schließlich gilt der Unternehmer als ausgewiesener Wirtschaftsexperte, dessen Expertise immer wieder von Fernsehsendern oder Wirtschaftszeitungen eingeholt wird. Wie Christ unserem Magazin gegenüber erklärte, sei dies aber gar nicht sein Ziel gewesen: „Aktuell stehe ich für keine politischen Ämter – es sei denn, es ist ehrenamtlich wie beim Bundesschatzmeister – zur Verfügung.“ Da aber Christ, der im Februar 50 Jahre alt wird, immer noch im besten Politikeralter ist, wird es vielleicht in vier Jahren so weit sein. Verdient hätte Deutschland einen solchen Minister allemal.