Wie so viele Veranstaltungen musste auch die Kulturnacht in den beiden vergangenen Jahren dem Diktat der Pandemie weichen. Zuletzt gab es in einem etwas kleineren Rahmen die Kulturnächte, die aber kein adäquater Ersatz für das eigentliche Fest waren. Umso größer war die Freude, endlich wieder an 30 Orten in der Wormser Innenstadt Kultur erleben zu dürfen.

Nachdem es am Vortag noch wie aus Kübeln gegossen hatte, öffnete sich der Himmel schon am Morgen des 25. Juni und bescherte bei warmen Temperaturen eine entspannte Wormser Kulturnacht. Für einen Abend verwandelte sich die Innenstadt in eine Flaniermeile für Kulturbegeisterte und erinnerte mitunter an das Flair großer Kulturstädte. Städtische Kulturinstitutionen und viele private Anbieter öffneten ihre Pforten und luden die Besucher an 30 Veranstaltungsorten bis in den späten Abend hinein zum Mitmachen, Staunen und Genießen ein. Natürlich war es nahezu unmöglich, an diesem Abend alle Veranstaltungen zu besuchen. Zu groß waren die Auswahl und bisweilen die Entfernungen, um das Engagement aller beteiligten Künstler/innen, der Gastronomen und der freiwilligen Helfer entsprechend zu würdigen. Bürgermeisterin Stephanie Lohr brachte zudem die Bedeutung der Kulturnacht bei ihrer Eröffnungsrede in der Dreifaltigkeitskirche auf den Punkt und erklärte, dass der wahre Wormser Schatz das vielseitige künstlerische Engagement zahlloser Wormser und Wormserinnen sei. So wurde ein Großteil der Veranstaltungen tatsächlich von Menschen bestritten, die in Worms oder in der nächsten Umgebung leben. Auf die Ansprache folgte sogleich der Beleg. Speziell für die Kulturnacht zusammengestellt, demonstrierten junge Musiker/innen der LUCIE-KÖLSCH-MUSIKSCHULE unter dem Dirigat von Wolfgang Neidhöfer ihr Talent. Zuvor wies der Leiter der Musikschule darauf hin, dass einige Musiker des kleinen Orchesters in den zurückliegenden Wochen Preise in ihren jeweiligen Altersklassen gewonnen hatten. Warum? Davon konnte man sich bei den folgenden drei anspruchsvollen Stücken einen Eindruck verschaffen. Auch wenn ab und an die Dynamik der originalen Stücke ein wenig der Harmonie der jungen Musiker weichen musste, war es beeindruckend, wie diese Mozart, Hayden und zum Abschluss die komplexe Filmmusikkomposition zu „Drachenzähmen leicht gemacht“ meisterten. Live gespielte Musik war an diesem Abend der Kulturnacht der unbestreitbare Schwerpunkt. Bei angenehmen sommerlichen Temperaturen lauschten zahllose Menschen vor der Vinothek dem bunten Hitmix der bekannten Coverband BLOSSOM AKUSTIK DUO. Die bekamen zudem Verstärkung durch eine echte „Voice of Germany“ Teilnehmerin. JAY GOMES, die im vergangenen Jahr der Liebe wegen in die Nibelungenstadt gezogen ist, veredelte mit ihrem kräftigen Organ Klassiker von Amy Winehouse bis Pink Floyd. Entsprechend der aus- gelassenen Stimmung beteiligten sich zahllose Kehlen regelmäßig an den Stücken.

Ein ähnliches Bild zeigte sich in Ralfs Tanzgalerie. Dort spielten und sangen sich JEN UND TOM bis kurz nach Mitternacht durch ein Potpourri bekannter Klassiker. Abseits gängiger Hits beeindruckte der Deutsch-Türke SAHIN COBBILIR auf der Bühne am Obermarkt mit türkischer Folklore und im Anschluss trommelte sich KAMAHELO weltmusikalisch durch den Abend. Leider mit deutlich weniger Publikum ausgestattet, spielten auf der Bühne Am Römischen Kaiser ALTRHEINPOWER ein kraftvolles Best-of-Konzert, bei dem natürlich das kultige „Salatöl“ nicht fehlen durfte. Der überwiegend geringe Publikumszuspruch könnte dabei mit dem Umstand in Verbindung stehen, dass es dort kein gastronomisches Angebot gab. Schließlich lebt eine Kulturnacht auch von dem Engagement der umliegenden Geschäfte. Wenn diese in der Nähe einer Open Air Bühne keine gastronomischen Stände betreiben, hält dies auf Dauer auch die Besucher fern. Über mangelnden Publikumszuspruch konnten wiederum die Elefantenhöfe nicht klagen. Unter dem Namen BEATS & BBQ sorgte das DJ Kollektiv Easy Peasy für knackige Sounds, während DAN NOVAK im „Kulturelefant“ des Kulturvereins Collagen ausstellte. Bereits früh an diesem Abend konnten die Elefantenhöfe ein volles Haus vermelden. Beats bekam man zwar auch im Lincoln Theater zu hören, die waren aber deutlich weniger tanzbar, entführten die Zuhörer dafür in fantastische Klangwelten. Im Rahmen des Belarussischen Kulturwochenendes pendelte die musikalische Welt der Musikerin MUSTELIDE zwischen Avantgarde, Psychedelic und Dream Pop. Sicherlich keine leichte Kost für einen entspannten Sommerabend, aber dennoch faszinierend. In der Alten Pferdemetzgerei gab es parallel eine kleine Theateraufführung der Gruppe THEATER IM MUSEUMSHOF. Dort spielte man Auszüge aus Ödön von Horvárths Buch „Glaube Liebe Hoffnung“. Erzählt wird darin eine Geschichte einfacher Menschen, die in Zeiten der Wirtschaftskrise zu Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft zu überleben versuchen. Im ehemali- gen Domkreuzgang und später in der Magnuskirche gab es ein außergewöhnliches Saxophon-Erlebnis mit dem SAXOPHONQUARTETT SAXOTONALE zu hören, das Stücke von Bach, Piernè und de Falla sowie jazzverwandte Klänge aus dem 20. Jahrhundert darbot. Zu fortgeschrittener Stunde lud Stadtvorleser KARL-HEINZ DEICHELMANN zu einer schaurigen Lesestunde in das Heylshof Museum und wurde entsprechend musikalisch begleitet von Paul Streich am Piano, wohlige Schauer inklusive. Und so endete kurz vor Mitternacht die 13. Wormser Kulturnacht, die wieder einmal unter Beweis gestellt hat, wie man mit einfachen Mitteln eine Innenstadt beleben kann.

Fazit: Rund 2.100 Menschen lösten laut Information der veranstaltenden Kultur- und Veranstaltungsgesellschaft an diesem Abend ein Eintrittsbändchen. Tatsächlich dürften weitaus mehr Menschen die Veranstaltungen der Kulturnacht besucht haben. Da zahlreiche kostenlose Programmpunkte unter freiem Himmel stattfanden, entwickelten sich diese zu einem echten Hot Spot – auch für Besucher ohne Bändchen. Die Gastronomen, egal ob teilnehmend oder nicht, zeigten sich entsprechend zufrieden mit der Resonanz. Kurzum, ein rundum gelungenes Comeback der Wormser Kulturnacht.

Text: Dennis Dirigo, Frank Fischer, Fotos: Andreas Stumpf