Weil die Russen BMW fahren, weil chinesische Babys Alete-Nahrung essen, weil die Amis mit Adidas-Latschen durch die Gegend laufen und weil man selbst in England am liebsten „German Beer“ trinkt. Wir können uns für unsere immer noch sehr gefragten Produkte „Made in Germany“ nach wie vor auf die Schultern klopfen. Man sollte dann aber auch nicht abwinken, wenn der ärmere Teil Europas um Almosen bittet. Wer am meisten vom Export profitiert, kann dann schlecht mit den Schultern zucken. Unseren Mallorca-Urlaub können wir uns schließlich nur leisten, weil die Spanier auch Schokolade von Nestle futtern. Sicherlich wird nun wieder das Argument auftauchen, dass man doch erst im eigenen Land für einen gewissen Standard sorgen sollte, bevor man in andere Teile Europas Hilfszahlungen entsendet. Auch wenn das eine typische Stammtischparole ist, muss sie ja deswegen nicht zwingend falsch sein. Jeder Sechste in Deutschland gilt als armutsgefährdet, viele Hartz IV Empfänger werden gegängelt, auch in Deutschland bilden sich in vielen Städten immer mehr „Problemgebiete“ heraus, in denen übermäßig viele Leute aus der so genannten Unterschicht leben. Praktischerweise pflanzt man in genau diese Gebiete dann auch noch ein paar Flüchtlingsheime, damit sich die Asylanten und die Arbeitslosen beim Kampf um den letzten Krümel gleich unmittelbar die Birne einschlagen können. Derweil wundert sich die Politik darüber, dass immer mehr Leute schlichtweg Angst davor haben, noch tiefer abzurutschen. Warum baut man wohl kein neues Flüchtlingsheim in Berlin-Grunewald oder in München-Schwabing? Die High-Society möchte schließlich unter sich bleiben. Der bekannte bayrische Liedermacher Konstantin Wecker schrieb dazu kürzlich bei Facebook: „Zur Demokratie braucht es Selbstbewusstsein und das wird seit Jahren den Bürgern bewusst genommen. Und wer ohne Selbstbewusstsein ist, will sich eben hinter einem „Deutschen Volk“ oder Islamismus oder Schlägertrupps oder einer Führerfigur verstecken, einreihen, ent-individualisieren, um in einer Ideologie das verlorene Selbst wiederzufinden.“ Wen wundert es, dass bei diesem fruchtbaren Boden für wachsenden Hass gegenüber Ausländern und Minderheiten immer mehr Demokratiefeinde Hochkonjunktur haben? Egal ob sie nun in Worms als NPD, bundesweit als AfD oder im Osten als Pegida-Bewegung daherkommen. Wenn dann noch ein paar radikale Idioten als Salafisten durch die Großstädte rennen, sorgt das natürlich erst recht dafür, die ohnehin schon vorhandenen Vorurteile hochzuschaukeln. Dabei machen diese Radikalen nur einen schwindend geringen Prozentsatz aus, viele Moslems leben und denken genauso fortschrittlich wie wir. Aber das Vorurteil „Alle Moslems sind Hinterwäldler“ ist eben genauso beständig wie die Mär von der drohenden Islamisierung, sind doch aktuell gerade einmal 5% der in Deutschland lebenden Menschen Muslime – quasi jeder Zwanzigste (seriösen Schätzungen zufolge liegen wir im Jahr 2050 bei 7%).
Wahrscheinlich wäre es vielen Deutschen schlichtweg egal, wie viele Muslime hier leben, wenn sie das Gefühl hätten, dass sie selbst gerecht behandelt werden. Die Folge der neoliberalen Politik der letzten Jahre hat jedoch eine wachsende Hoffnungslosigkeit vor allem junger Leute zu Tage gefördert, die wenig Perspektiven sehen. Müssen wir also, wie von vielen Deutschen gefordert, erst denjenigen aus dem eigenen Land eine Zukunft bieten, die tagtäglich vom System gedemütigt werden, bevor wir über den Tellerrand hinausschauen? Deutschland erwirtschaftet mittlerweile sogar eine „schwarze Null“, da müsste man doch nur ein paar unnötige Ausgaben streichen (z.B. in der Rüstungsindustrie) sowie ein paar zusätzliche Einnahmen generieren (z.B. durch eine Millionärssteuer) und schon hätte Deutschland genug Geld, um für soziale Gerechtigkeit zu sorgen. Wer Milliarden für die Rettung von Großkapitalisten ausgibt, dessen verdammte Pflicht ist es – alleine schon im Namen der Humanität – Flüchtlingen, Armen, Ausgegrenzten, Behinderten, Verletzten, alten Menschen, Hungernden und natürlich auch jungen Leuten eine Perspektive zu bieten. Erst wenn das gewährleistet ist, sollten wir uns darum kümmern, ob die Schiiten, die Aleviten oder doch eher die Sunniten sich im Nahen Osten gerade die Köpfe einschlagen wollen. An Kriegen verdienen wir sowieso schon längst über unsere Rüstungsindustrie, aber müssen wir deswegen unsere Bundeswehr entsenden und uns dort als Heilsbringer der Demokratie aufspielen, bis in ein paar Jahren die Guten (die wir mit Waffen ausgestattet haben) plötzlich die Bösen, während die Bösen dann die Guten sind (die wir dann mit Waffen ausstatten)? Müssen wir uns unbedingt an Kriegen beteiligen, die nur den Sinn verfolgen, an die Rohstoffe anderer Länder zu gelangen, auch wenn man dafür wortwörtlich über Leichen gehen muss? Für 2015 kann man sich nur wünschen, dass die von der Politik gelegte braune Saat wieder in ihren Löchern verschwindet. Auch wenn die Politik, die weiterhin bei den Kleinen spart und den Großkapitalisten in die Karten spielt, weiterhin alles dafür tut, dass der wütende Mob sich auch im neuen Jahr gegenseitig an die Gurgel will.