Für viele Wormser ist das Backfischfest der Höhepunkt der Wormser Freiluftsaison. Auch in diesem Jahr strömten die Besucher in Massen auf den Festplatz und bescherten den Schaustellern und Gastronomen prächtige Umsätze. Groß wie lange nicht mehr war ebenso der Zuspruch bei dem traditionellen Festumzug am ersten Backfischfest-Wochenende.
In Strömen wollten die Menschen auch in den immer wieder sehr beliebten Wonnegauer Weinkeller. Das taten diese so schnell an den Wochenendtagen, dass das Zelt am zweiten Wochenende bereits kurz nach 21 Uhr geschlossen wurde, da man die maximale Aufnahmekapazität erreicht hatte. Ein Umstand, den viele Backfischfest-Besucher empört quittierten. Besonders eindrücklich zeigte sich das in den sozialen Netzwerken, allen voran Facebook. Schnell vermischten sich emotional aufgeladene Kommentare und falsche Meldungen zu einem undurchdringlichen Gemisch. Beim Pressegespräch am letzten Backfischfest-Sonntag war für unseren OB die Sache glasklar, denn die Kommentatoren hätten deutlich übertrieben. Etwas sensibler beobachtete Dr. Andreas Schreiber (Vorsitzender Wonnegauer Weinkeller e.V.) die Situation und stellte fest, dass die Stimmung sehr aufgeheizt war. Doch was war geschehen?
No Go Areas in Worms
Nachdem im Dezember des vergangenen Jahres der Terrorist Anis Amri einen LKW in eine Menschenmenge auf einem Berliner Weihnachtsmarkt fuhr, war allen Menschen klar, dass der Terror nun endgültig auch in Deutschland angekommen war. Die Folge war, dass emsig neue Sicherheitskonzepte geschrieben wurden. Auf dem Wormser Weihnachtsmarkt machte sich das schon einen Tag später bemerkbar. Die Zugänge zum Markt waren mit größeren Fahrzeugen versperrt und durch die Stadt patrouillierten Polizisten mit Maschinengewehren. Ein ungewöhnlicher Anblick, der in Frankreich seit geraumer Zeit zum Alltag gehört. Als sich das Backfischfest näherte, wurde auch der Ruf der Stadt nach mehr Sicherheitsmaßnahmen lauter. Einen ersten Vorgeschmack gab es mit der „Allgemeinverfügung Backfischfest“, die von der Stadt am 29. Juni veröffentlicht wurde. Hierbei ging es in erster Linie um „No Go Areas“ und die Bekämpfung von Alkoholmissbrauch. Während die damit verbundenen Rucksackkontrollen schon in den letzten Jahren durchgeführt wurden, waren die „No Go Areas“ neu. Diese bezogen sich in erster Linie auf die Rheinpromenade, wo ebenfalls das Ordnungsamt und Polizei nach dem Rechten schauen sollten, kam es doch während des Pfingstmarktes zu mehreren Vorfällen. Am 1. August folgte schließlich die Pressekonferenz zum Backfischfest. Als es um das Thema Sicherheit ging, erklärte der zuständige Dezernent Kosubek, dass man ein neues Konzept mit der Polizei erarbeitet hätte und fügte hinzu: „Dieses wird hier im Detail nicht erörtert, das wäre unklug!“ Am 5. August gab es schließlich das erste Opfer des neuen Sicherheitskonzeptes. In einer Mail an die Presse erklärte das Ehepaar Becker, Pächter der Gießenbrücke, dass sie aufgrund der vielen Auflagen von der Stadtverwaltung ihr Lokal während der Festtage nur noch eingeschränkt öffnen können. Früher war dies eine der letzten Adressen für alle Nachtschwärmer, jetzt gab es neue Forderungen. Nachts wäre man verpflichtet gewesen, zwei Mann Security aufzustellen, sagte das Paar. Letztlich eine Frage des Geldes. Ein Stein des Anstoßes waren allerdings auch nächtliche Besuchergruppen vor den Kneipen. Da in diesem Jahr stärkere Lärmschutzregelungen griffen, verschärfte dies auch das Problem der Gastronomen.
Du kommst hier nicht rein
Höhere Erwartungen stellte die Stadt ebenso an den Verein des Wonnegauer Weinkellers. Wie Dr. Andreas Schreiber erklärte, gab man zwar keine Anzahl der Security vor, teilte aber unmissverständlich mit, dass die Verantwortung bei einem Zwischenfall bei dem Zeltbetreiber, Dr. Schreiber, liege. Beizeiten wurde von dem Dipl. Ing. Harald Jansohn, in Kooperation mit der Polizei, ein Sicherheitskonzept ausgearbeitet. Dieses klingt auch in weiten Teilen schlüssig und gibt u.a. genaue Besucherzahlen vor. Probleme und Fragen ergaben sich jedoch in der praktischen Umsetzung. Das vielleicht größte Problem war wahrscheinlich die Entscheidung, die neuen Maßnahmen nicht zu kommunizieren. Weder auf der Homepage des Backfischfestes, noch auf der des Wonnegauer Weinkellers, gab es z.B. Hinweise auf einen frühzeitigen Einlassstop. Dr. Schreiber erklärte, dass man sich gegen eine Veröffentlichung entschied, um die Besucher nicht bereits im Vorfeld zu verärgern. Die Folge dieser Entscheidung war eben genau jene Verärgerung. Nicht wenige reagierten in ihrem Unmut mit der Androhung, im nächsten Jahr nicht mehr das Backfischfest und damit auch den Weinkeller zu besuchen. Erste Unruhen zeichneten sich schon am Eröffnungstag ab. Wer frühzeitig das Zelt besuchte, kam mühelos hinein. Unbemerkt von den feiernden Menschen bauten die Sicherheitskräfte im Laufe des Abends ihre Eingangsschleusen in Form von Stehgittern auf, die man nicht umwerfen kann. Wer im Laufe des späteren Abends das Zelt verließ, um etwas zu essen, rieb sich anschließend verwundert die Augen, als er den Satz hörte: „Du kommst hier nicht rein!“ Da nutzte es auch nichts, darauf zu verweisen, dass man mit einer Gruppen oder seinem Partner da war. Eine schlüssige Erklärung wurde nicht geliefert, es war halt einfach zu. Zu diesem Zeitpunkt hielt sich die Aufregung in den sozialen Netzwerken trotzdem noch in Grenzen. Am folgenden Wochenende änderte sich das schlagartig. Freitags war der beliebte Treff bereits um halb zehn geschlossen. Mittlerweile hatte sich rumgesprochen, dass ein Verlassen des Zeltes eine Rückkehr wahrscheinlich unmöglich machte. Die Folge war, dass die Besucher drinnen blieben und im Einlassbereich zwischen den unterschiedlichen Buden staute es sich. Gerade dieser Bereich sollte zur Achillesferse des Konzeptes werden. Da bis heute ungeklärt ist, wer für den Außenbereich zuständig ist, machte sich folglich kaum einer Gedanken über die wachsende Gefahrensituation. Mit fortschreitender Stunde stieg auch das Aggressionspotential der vor dem Zelt ausharrenden Besucher. Zusätzlich angeheizt wurde die Stimmung am Freitag durch Fotos, die im Internet die Runde machten und das Innere des Zeltes zeigten. Zu sehen war, dass es im Innenraum genügend Platz gab. Warum wurde also „geschlossen wegen Überfüllung“ gemeldet?
Neue Maßnahmen für den Samstag
Letztlich kam es zu keinen größeren Problemen, die Besucher beruhigten sich und der Samstag kam! Per Facebook kündigten die Veranstalter an, eine Lösung des Problems gefunden zu haben. Doch auch hier sorgte die Art der Kommunikation später für Verwunderung und Verärgerung. Dieses Mal wurden die Außenbereiche geschlossen, so dass alle Gäste im Innenraum feiern mussten. Dafür wurde das Rauchen in dem Zelt erlaubt. Eine Maßnahme, die prinzipiell mit dem Nichtraucherschutzgesetz konform geht, denn Festzelte sind explizit ausgenommen. Wenn diese sich allerdings freiwillig für „rauchfrei“ erklären, was der Wonnegauer Weinkeller tat, muss diese Änderung einige Tage zuvor angekündigt werden. Wieder reagierten viele Besucher mit Unverständnis. Der Beschluss, die Außenfläche zu schließen, kam von der Polizei, da man sehen wollte, wie es im Zelt aussehe, wenn die maximale Besucherzahl von 3.966 Gästen erreicht ist. Denn nur der Innenraum ist für das Konzept maßgeblich. Wenigstens wurde der Toilettenzugang über einen Seitenflügel geöffnet, allerdings wurden hierfür wiederum nur wenige Kabinen geöffnet, was erneuten Unmut schürte. Vor dem Zelt entstand abermals das Problem mit den sich aufstauenden Menschen. Als hinderlich erwiesen sich auch die Einlassgitter, die zur Gefahrenquelle wurden. Laut Aussagen verschiedener Besucher, wurden sie an die Gitter gedrängt und trugen leichte Blessuren davon. Es grenzt letztlich an ein Wunder, dass es in dem unübersichtlichen Getümmel nicht zu einer Massenpanik kam. Da sich die Security-Kräfte in Anbetracht der angespannten Stimmung zunehmend überfordert fühlten, eilten schließlich das Ordnungsamt und die Polizei zu Hilfe. Insgesamt waren 22 Sicherheitskräfte und 15 Ordnungskräfte plus Polizei im Einsatz. Im Polizeibericht war am nächsten Morgen von Tätlichkeiten im Weinzelt zu lesen, u.a. kam es auch zu einer Tätlichkeit gegenüber einer städtischen Ordnungskraft.
Hinweis: In der November-Ausgabe berichten wir über die allgemeine Entwicklung der zunehmenden Sicherheitsstandards und über mögliche Lösungen für den Wonnegauer Weinkeller 2018.