Fördermittel für „Worms wird WOW“

Geht es nach dem Willen der Politik, ist Worms bald „WOW“! Mit Fördermitteln vom Bund und frischen Ideen einer Agentur soll der strauchelnden Innenstadt neues Leben eingehaucht werden. Bis es soweit ist, dürfte allerdings noch viel Wasser den Rhein hinunterfließen, zumal die bisherigen Ideen Skepsis wecken. Die Zeit ist allerdings knapp!

Die Probleme sind nicht neu. Nicht nur in Worms erleben Innentädte seit vielen Jahren eine Krise. Eine Gesellschaft im Wandel, verändertes Konsumverhalten und zunehmend einkommens- schwache Konsumenten führten dazu, dass einstige Prachtstraßen heute wie traurige Relikte einer vergangenen Zeit wirken. Wo einst inhabergeführte Fachgeschäfte dominierten, locken heute Ketten mit austauschbaren Waren für den schnellen Konsum. Leerstand gehört genauso zum gegenwärtigen Stadtbild wie Optiker, Handy Shops und neuerdings Kiosks. Corona hat das Stadtbild zusätzlich auf ungeahnte Weise verändert. Während Geschäftsleute Monat für Monat um ihre Einnahmen bangen, aufgrund ausbleibender Kundschaft durch Zugangsbeschränkungen, Maskenpflicht oder gar Lockdowns, profitieren zumindest I mobilienbesitzer durch die epidemische Ausbreitung von Coro- na-Schnelltestzentren, die einem gefühlt alle zehn Meter in der Fußgängerzone begegnen. Die noch verbliebenen inhabergeführten Fachgeschäfte lassen sich an zwei Händen abzählen. Die Kaufhof Schließung Ende 2020 wirkte zusätzlich wie ein fatales Zeichen für eine Stadt im Niedergang. Ein entspannter Stadtbummel, bei dem man gerne einen ganzen Nachmittag in selbiger verbringt, sieht sicherlich anders aus. In einer Videokonferenz Ende 2020 zwischen Politik, Experten und Gewerbetreibenden erklärte Prof. Jörg Funder (Experte für Handel), dass es unumgänglich sei, dass alle Akteure (Handel, Gastronomie, Wirtschaftsförderung, Immobilienbesitzer) an einem Strang ziehen. Für die Immobilieneigner solle die Botschaft daher lauten, dass nur ein schönes Umfeld auch gute Preise generiert. Die große Preisfrage war indes, wie man dies erreicht? Die Veranstaltung „Kultur findet Stadt“ zeigte im vergangenen Jahr, wie man zumindest die Einkaufssamstage wieder zeitweise zu einem Ort des Erlebens und Verweilens machen kann. Doch letztlich war dies nur möglich, da die Stadt Fördermittel zur Verfügung gestellt bekam. Ganz in diesem Sinne ist es nun ein Glücksfall für die Stadt, erneut einen positiven Förder- bescheid erarbeitet zu haben.

EIN FÖRDERPROGRAMM ALS MEDIZIN

Wie die Stadt Ende 2021 mitteilte, wurde Worms mit dem Projekt „Worms wird WOW – Entwicklung einer multifunktionalen und erlebnisreichen Wormser Innenstadt von morgen“ ins Bundesförderprogramm „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ aufgenommen. In Zahlen heißt das, dass, gesplittet auf drei Jahre, bis 2025 Fördermittel in Höhe von 2.342.865 Euro für innerstädtische Maß- nahmen beantragt werden können. Zuvor wurde für das Konzept die Arbeitsgruppe Innenstadt gegründet, in die mehrere Akteure (Politik, Stadtmarketing, IHK) involviert waren und die sich mit unterschiedlichen Aspekten der Zukunft der Innenstadt beschäftig- ten. Die Handlungsschwerpunkte, die man erkannte, sind Leerstandsreduzierung und –management und in diesem Zusammen- hang Kooperation und Kommunikation innerstädtischer Immobilieneigentümer/innen sowie die Schaffung einer klimagerechten (grünen) Innenstadt-Etablierung von sozialen und kulturellen Begegnungsorten-Vernetzte Innenstadt. Nun gilt es, diese Handlungsschwerpunkte mit konkreten Maßnahmen auszufüllen, denn die Stadt muss nun für diese Maßnahmen erneut Anträge stellen, bevor Geld fließt. In diesem Jahr könnten das 814.000 Euro sein. Zehn Prozent der Gesamtfördersumme muss die Stadt aus eigener Kraft stemmen, das wären rund 260.000 Euro.

EINE AGENTUR SOLL’S RICHTEN

Unterstützung hat sich die Stadt in Form einer Agentur aus Mainz eingekauft. Ein Wunsch, den die Wormser GroKo bereits bei einem  Ein Patient namens innenstadt Sommergespräch mit der Presse 2020 äußerte. Verknüpft wurde damit die Hoffnung, dass eine Agentur mit dem frischen Blick eines Nicht-Wormsers neue zündende Ideen hat und zudem unbelastet mit Immobilieneignern ins Gespräch kommt. Die Agentur „hier und jetzt“, vertreten durch DOMINIQUE LIGGINS, stellte dann auch im Innenstadtausschuss und anschließend im Stadtrat ihre Vision von „Worms wird WOW“ vor, die sie aus den Ergebnissen der Arbeitsgruppen Innenstadt destillierte. Die Schlagwörter sind bekannt: Pop Up Stores, Urban Gardening, Kunstinstallationen, Sitzinseln, Start Ups und Quartiersmanagement. Unterstrichen wird dies durch Slogans wie „Stadt machen“, „Stadtlabor“ und der Ansage „Projekte. Gemeinsam“. Begonnen werden soll mit der Umsetzungsphase umgehend, betonte STEPHANIE LOHR, Vorsitzende des Innenstadtausschusses. Ein Schwerpunkt soll auf dem Leerstandsmanagement liegen, eine Spezialität der Agentur, so LIGGINS. Was darüber hinaus konkret passieren soll, ist unklar. CHRISTIAN ENGELKE (Bündnis90/Die Grünen) bemerkte dementsprechend: „Ich finde es wild, 260.000 Euro zu bewilligen, ohne zu wissen, wofür. Wir sagen schließlich, dass wir für vieles kein Geld haben!“ DIRK BEYER (SPD) wollte ebenso wissen, was es konkret an Planung gäbe und mahnte an: „Wir müssen aufpassen, keine Doppelstrukturen zu scha?en“. Zudem bestand er darauf, dass der Stadt- rat in den „Lenkungskreis Innenstadt“ eingebunden wird. UWE GROS (SPD) ergänzte zurecht, dass man die Anwohner/innen mitnehmen müsse. PETER ENGLERT (Bürgerforum Worms/FWG) vermisste hingegen die Beteiligung des Wormser Pop-Up Vereins, der bereits mit Leerstandsmanagement einiges an Erfahrung sammelte.

EIN ZUG NACH NIRGENDWO?

Kritik erntete das Vorgehen auch von RICHARD GRÜNEWALD (Bündnis90/Die Grünen), der sich an einen Schlager erinnerte fühlte und   „Worms wird WOW“ mit „Es fährt ein Zug nach Nirgendwo“ betitelte. Grünewald erinnerte daran, dass man schon einmal in Workshops Konzepte entwarf, die schließlich im Sande verliefen. Gemeint waren damit die Diskussionen rund um die Weiterentwicklung des leerstehenden Kaufhofgebäudes. Damals wurden Ideen verhandelt, wie eine Nutzung des weit- räumigen Gebäudes als neue Heimat der Volkshochschule oder der Musik- schule sowie als „Dritter Raum“, und letztlich auch aus Kostengründen verworfen. Klar ist mittlerweile, dass beide Institutionen eine neue Heimat brauchen, die höchstwahrscheinlich angemietet werden muss. Ehret + Klein stellte indes eigene Pläne im vergangenen Jahr vor. Auch dort finden sich viele der Begriffe, die die Agentur für „Worms wird WOW“ ebenfalls verwendete. Fraglich dürfte jedoch sein, woher all die Pop-Up Stores in Worms kommen sollen und vor allem, wer diese besuchen soll. Denn auch der wichtige Baustein„ Tourismus“ ist im Zeitalter von Corona ins Trudeln gekommen. Zudem ist der langgehegte Wunsch nach einer Hotelkette nach wie vor in weiter Ferne. KLAUS KARLIN (CDU) brachte es am Ende der Diskussion auf den Punkt: „Wir haben Konzepte (u.a. Tourismuskonzept etc.) und müssen Abstand davon nehmen, das Rad neu zu erfinden“. Dem gegen- über steht, dass für die Interessensbekundung ein hoher Zeitdruck besteht. Denn die musste bis zum 28. Februar eingereicht werden. Unklar war zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses allerdings, wofür nun genau die Fördermittel beantragt wurden. Klar ist allerdings, dass es höchste Eisenbahn ist, bevor diese nach Nirgendwo fährt.

Text: Dennis Dirigo Fotos: Andreas Stumpf