EINE NOSTALGISCHE ZEITREISE: Konzertkritik BAP „Zeitreise“-Tour
03. August 2025 – Altes Bosenbachstadion in Sankt Wendel: Das Konzept der aktuellen Zeitreise-Tour der Kölner Band BAP ist klar umrissen: Jeder Song des Abends ist mindestens 40 Jahre alt, also alles vor 1985. Somit widmete sich die Setliste im Alten Bosenbachstadion in Sankt Wendel der kommerziell erfolgreichsten Zeit der Band. Bei dieser Zeitreise über insgesamt dreieinhalb Stunden durfte sich das zusammen mit der Band ergraute Publikum noch einmal richtig jung fühlen.
Der 13. September 1983 war ein historisches Datum in der Geschichte von BAP. Am 13.09.83 verdrängte das Nachfolgealbum „Von drinne noh drusse“ den Vorgänger „Für usszeschnigge!“ vom ersten Platz, sodass die Kölschrocker an diesem Tag die ersten beiden Plätze der deutschen Album-Charts belegten. Dieses Kunststück gelang in der Geschichte der Deutschen Charts nur zwei Bands: ABBA und eben BAP. Das folgende „Zwesche Salzjebäck unn Bier“ (1984) gilt als ihr ambitioniertestes Werk. Danach gab es interne Streitigkeiten, man raufte sich immer wieder zusammen, bis dann der Kultgitarrist Klaus „Major“ Heuser und Keyboarder Effendi Büchel 1999 die Band verließen. Seitdem gab es in der insgesamt 49-jährigen Bandgeschichte immer wieder Umbesetzungen, wobei die einzige Konstante der Bandgründer Wolfgang Niedecken geblieben ist.
Dass man sich in Ermangelung an neuem Material auf der aktuellen „Zeitreise“-Tour an die erfolgreichste Zeit der Band zurückerinnert, bescherte BAP einen überaus erfolgreichen Open-Air-Sommer, der sie sogar auf die Konzertbühne beim legendären Wacken-Festival führte. Nostalgie zieht in der heutigen Zeit Besucher an, mehr als fünftausend fanden sich im saarländischen Sankt Wendel am letzten Tag des „Bosenbachfestivals“ (mit NENA, GIANNA NANNINI und THE DARK TENOR) ein und sorgten für den besten Besuch des Wochenendes. Die Sitzplätze vor der Bühne waren schon beim Opener „Diss Naach ess alles drin“ nur noch Makulatur. Und wer schon in der ersten halben Stunde unkaputtbare Klassiker, wie „Nemm mich met“, „Drei Wünsch frei“ oder „Waschsalon“, verballert, bringt damit ein Sonntagabendpublikum noch einmal richtig in Wallung. Schnell wurde klar, dass sich die Arrangements des Gitarristen Uli Rohde auf die Originalversionen beziehen und keine „zeitgemäße“ Versionen alter Songs anbieten.
Dass man auf der Suche nach Songs, die älter als 40 Jahre sind, auch auf Verzichtbares wie „Ens em Vertraue“, das Zeltinger-Cover „Mün- gersdorfer Stadion“ oder die Zugabe „Häng de Fahn eruss“ (das dem „Waschsalon“ doch sehr ähnelt) gestoßen ist, sei in Anbetracht der Gesamtspielzeit verziehen. Dafür funktionierte der Antikarnevals- song „Nit für Kooche“ selbst im Sommer und sorgte für ausgelassene Schunkelstimmung. Zudem gab es ohnehin jede Menge Fanlieblinge wie „Zehnter Juni“, „Wenn et Bedde sich lohne däät“ oder „Ne schöne Jrooß“ (als Zugabe). Den atmosphärisch stärksten Songs des Abends kündigte BAP-Frontmann Wolfgang Niedecken mit einem Zitat von Martin Niemöller an: „Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist. Als sie die Gewerkschaftler holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschaftler. Als sie die Juden holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Jude. Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“ Danach begannen die ersten Klänge von „Kristallnaach“ – ein ganz starker Moment.
Vor dem Finale schoben BAP noch einen ruhigen Block im Sitzen ein, der mit dem live selten, aber gerne gehörten „Eins für Carmen unn en Insel“ und den epischen Nummern „Bahnhofskino“ und „Jupp“ etwas zu langatmig geriet. Da hätte man auf die „Ruutwieß-blau querjestriefte Frau“ gerne verzichten können. Von daher war nun Gas geben angesagt mit „Alexandra“ – inklusive einem in den Achtzigern unverzichtbaren Schlagzeugsolo von Sönke Reich – dem euphorisch bejubelten „Verdamp lang her“ und „Frau, ich freu mich“ als Abschluss des Haupt- programms. Zu diesem Zeitpunkt wa- ren bereits zweieinhalb Stunden vergangen und wo bei anderen Konzerten schon längst der Räumdienst seinen Job verrichtet, ging es hier nochmal richtig ab.
„Je oller, je doller“ – das galt für die Musiker um den 74-jährigen Bandleader Wolfgang Niedecken genauso wie für die bereits in die Jahre gekommenen Besucher. Es folgte ein Zugaben-Block, bestehend aus acht Songs, darunter die euphorisch gefeierten „Do kanns zaubre“ und „Jraduss“, ehe „Sendeschluss“ ei- nen Abend beendete, der vom Publikum mit „Oh wie ist das schön“ Rufen quittiert wurde. Wolfgang Niedecken hatte zu Konzertbeginn versprochen: „Ihr werdet euch anschließend vierzig Jahre jünger fühlen!“. Beseelt von einem wahren Konzertmarathon ging das Pub- likum nach Hause und durfte sich tatsächlich eine Zeitlang vierzig Jahre jünger fühlen. Auch wenn dieser Effekt womöglich nur bis zum nächsten Morgen angehalten hat.
Fazit: Die Zeitreise der Kölner Band BAP zeigte, dass Nostalgie in diesen speziellen Zeiten besonders schön sein kann. Zudem bestätigte sich einmal mehr, dass die Texte von Wolfgang Niedecken absolut zeitlos sind.
Text: Frank Fischer, Foto: Stefan Schweizer